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# taz.de -- Zwei Comic-Klassiker werden fortgesetzt: Das Marsupilami ist wieder…
> Die neuen Alben des Seefahrerabenteuers Corto Maltese und der belgischen
> Serie Spirou sind da – von Ehrerbietung geprägte Arbeit.
Bild: In Alaska: Corto Maltese bei neuen Abenteuern
Comic-Serien haben einen Anfang, aber kein Ende. Das gilt zumindest, wenn
sie zu Marken geworden sind und aus den USA stammen: Unvorstellbar, dass es
einmal keine neuen Superman- oder Spider-Man-Hefte geben sollte, egal wie
ausgelaugt die Konzepte, die ihnen zugrunde liegen, sein mögen. In Europa
ist die Lage ein bisschen anders. Manche der klassischen Serien laufen seit
Jahrzehnten ununterbrochen, manche ruhen mitunter für einige Zeit, und in
seltenen Fällen, wie etwa bei „Tim und Struppi“, ist mit dem Tod des
Schöpfers einfach Schluss.
So war es bislang auch im Fall von Hugo Pratts „Corto Maltese“. Zwischen
1967 und 1991 erschienen teils kurze, teils lange Geschichten, die in zwölf
Alben versammelt sind. Zum Kult für viele Leser wurde die Serie sowohl
durch ihre ungewöhnlich freien, expressiven Schwarz-Weiß-Zeichnungen als
auch durch ihren eher passiven, träumerischen Helden, der mit dem
Draufgängertum, das Comic-Abenteurer seines Schlags zuvor auszeichnete,
kaum etwas gemein hat. Als der in Rimini geborene Weltbürger Pratt 1995
starb, blieb Corto verwaist zurück.
Nun hat er gleich zwei neue spanische Väter gefunden, von denen zumindest
einer als Verwandter im Geiste durchgehen kann: Der Zeichner Rubén
Pellejero ist mit der von „Corto Maltese“ stark beeinflussten Reihe „Diet…
Lumpen“ bekannt geworden. „Unter der Mitternachtssonne“ schließt aber ni…
an die Chronologie der bisher veröffentlichten „Corto“-Bände an, deren
letzter 1925 spielt. Pellejero und sein Szenarist Juan Díaz Canales
springen vielmehr zehn Jahre zurück und schildern eine Reise, die der
Seemann ohne Schiff, nachdem er von dem todkranken Jack London einen Brief
erhalten hat, durch die eisigen Weiten Alaskas unternimmt.
Alles ist hier so, wie man es von Pratt kennt: Von der sprunghaften
Erzählweise über die präzise zeitgeschichtliche Verankerung und die
Auftritte historischer Figuren bis zu den Tuschebildern, die in ihrer
Kombination von feinen Linien und dicken Klecksen an einzelnen Stellen mit
der Abstraktion flirten. Kurz gesagt: „Unter der Mitternachtssonne“ ist ein
nahezu perfektes Pastiche – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Hier ist
sorgfältige, von Ehrerbietung geprägte Arbeit geleistet worden; der
Zweifel, ob sie wirklich nötig war, ist am Ende dennoch nicht ausgeräumt.
Anders als an „Corto Maltese“ war an der belgischen Serie „Spirou“, die
1938 startete, schon eine ganze Gruppe von Autoren und Zeichnern beteiligt.
Am bedeutendsten von ihnen war der geniale André Franquin, der 1946
einstieg und eine Reihe attraktiver Nebenfiguren erfand, deren wichtigste
das Marsupilami ist, das gefleckte, mit einem langen Schwanz ausgestattete
Wundertier aus dem palumbianischen Urwald. Als Franquin der Serie 1970
gründlich überdrüssig war, behielt er die Rechte an diesem Geschöpf, das
fortan, zum Bedauern aller Fans, nicht mehr mit Spirou, dessen Freund
Fantasio und dem Eichhörnchen Pips um die Welt ziehen durfte.
Im aktuellen Band aber – man mag es vor Freude kaum glauben – ist das
Marsupilami wieder mit dabei. Um dessen lange Abwesenheit zu erklären, hat
sich Fabian Vehlmann, der die Serie 2009 als Texter zusammen mit dem
Zeichner Yoann übernommen hat, extra eine Begründung ausgedacht –
allerdings ist diese nicht besonders glaubwürdig; es wäre besser gewesen,
auf sie zu verzichten.
Von dieser Schwachstelle abgesehen, ist „Der Zorn des Marsupilamis“ aber
ein sehr schönes, mit Liebe zum Detail gestaltetes Album, in dem Vehlmann
es – ohne zu sehr in Nostalgie zu verfallen – schafft, fast den gesamten
„Spirou“-Kosmos präsent sein zu lassen.
Das Marsupilami ist hier weniger das liebenswerte Kuschelwesen, als das es
früher mitunter daherkam, denn ein wildes Tier, ein wahrer Herrscher des
Dschungels, wenn es auch eine zarte Seele hat. So könnte es sicherlich,
vereint mit dem bewährten Helden-Trio, noch manches erleben.
Leider existiert jedoch, wie jüngst zu erfahren war, eine komplizierte
verlegerische Konstellation, die weiteren Auftritten schwere Steine in Weg
legt. Den zuständigen Juristen und Managern sei daher ein energisch
grollendes „Huba! Grooo!“ zugeworfen – da sollte sich, im Namen des
heiligen Franquin, irgendwie eine Lösung finden lassen!
24 Aug 2016
## AUTOREN
Christoph Haas
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Cannes
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