# taz.de -- Nachruf auf Michael Stiller: Der Albtraum der Amigos | |
> Der Journalist Michael Stiller war die wichtigste Quelle für das | |
> widerständige Bayern jenseits der CSU. Und ein so uneitler wie | |
> ernsthafter Mensch. | |
Bild: Unermüdlich schrieb Stiller gegen Bayerns Spezlwirtschaft à la Strauss … | |
Es ist noch nicht lange her, im Oktober des vergangenen Jahres war das, da | |
muss es ihn in den Fingern gejuckt haben. Gerade waren zwei Biografien | |
erschienen, die das irre Wirken von Franz Josef Strauß zum Inhalt haben. | |
Michael Stiller hat sie für die Bayerische Staatszeitung besprochen. Und | |
endlich war er wieder da, der Journalist, der jenes legendäre bayerische | |
System des Gebens und Nehmens Zeit seiner journalistischen Karriere | |
beschrieben hat wie kein Zweiter. | |
Und, wen wundert’s, in seiner Rezension listete er noch einmal all die | |
Skandale auf, die die Biografen weggelassen hatten. Aus der Buchbesprechung | |
wurde ein Aufklärungstext. | |
Beispiel gefällig? „Die Rolle der Strauß-Premiumspezis Friedrich Jahn | |
(Wienerwald-Besitzer), Eduard Zwick (Bäderkönig in Niederbayern) und | |
Karlheinz Schreiber (Rüstungslobbyist), die allesamt lieber an Strauß und | |
die CSU statt Steuern zahlten, wird von beiden nicht ausgeleuchtet“. Ein | |
Satz wie Bayern – irgendwie extrem. | |
Stiller hat von 1968 bis 2005 für die Süddeutsche Zeitung gearbeitet, erst | |
als Landtagskorrespondent, später als Leitender Redakteur für bayerische | |
Politik. Er hat das Bild von Bayern geprägt, das man in Preußen bis heute | |
von diesem merkwürdigen Bundesland irgendwo da unten in Deutschland hat – | |
gewiss nicht zu Unrecht. Stiller hat es gnadenlos gezeichnet. Es blieb ihm | |
ja auch beinahe nichts anderes übrig bei dieser scheinbar immerwährenden | |
Spezlwirtschaft, in der sich die CSU-Regierungen eingerichtet hatten. | |
Das andere Bayern, das alternative, das der Kabarettisten, das der | |
Widerständigen, die sich am Bauzaun der am Ende doch nie errichteten | |
atomaren Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf versammelt haben – für | |
sie war Stiller die wichtigste Quelle, mit dem sie das Gefühl, das sie alle | |
umtrieb, mit Fakten unterfüttern konnten – das Gefühl, dass da gewaltig | |
etwas schiefläuft in ihrer eigentlich so geliebten Heimat. „Schau mal“, | |
hieß es nicht selten, „da hat der Stiller wieder einen rausgehauen.“ | |
Für seine Arbeit ist Michael Stiller dreimal mit dem Wächterpreis der | |
deutschen Tagespresse ausgezeichnet worden. Wirkmächtig war sein Schaffen | |
ohnehin. Die sprichwörtlich gewordene Amigo-Affäre kostete den Nachfolger | |
von FJS im Ministerpräsidentenamt, Max Streibl, das Amt. Stiller war es, | |
der rausgefunden hatte, dass es da einen anrüchigen Zusammenhang gab | |
zwischen Bundesaufträgen und Fördermitteln für den bayerischen | |
Flugzeugbauer Grob und Parteispenden für die CSU sowie von Grob | |
finanzierten Luxusurlauben Streibls in Spanien und Brasilien. | |
## „Ausgemachte Drecksau“ | |
Aber für viele Bayern, die es ohne die Enthüllungen Stillers in ihrem | |
verkauften Land vielleicht nicht ausgehalten hätten, war die größte | |
Auszeichnung für Stiller, dass er von Max, dem Sohn des großen Strauß, der | |
wie sein Vater alles tat, um ein im besten bayerischen Sinne guter Amigo zu | |
werden, im Jahre 1995 als „ausgemachte Drecksau“, als „Berufsdesinformant… | |
und „Mitglied der journalistischen Totenkopfdivision Joseph Goebbels“ | |
beschimpft worden ist. | |
Später haben sich die beiden die Hände gereicht. Stiller und Strauß jr. | |
litten unter Depressionen und berichteten in einem Doppelinterview von | |
ihren Erfahrungen mit der Krankheit. Den denkwürdigen Friedensschluss, den | |
das SZ-Magazin 2008 arrangierte, haben viele Stiller-Leser nie verstanden. | |
Als er Stiller beleidigt habe, sei er schon krank gewesen, sagte Max Strauß | |
da. Nun gut. | |
Stiller arbeitete da schon nicht mehr für die Süddeutsche Zeitung. Doch das | |
bayerische Politikwesen trieb ihn als Autor weiter um. Er wollte es den | |
Deutschen erklären. So landete er nicht nur auf den Seiten der | |
Wochenzeitung Die Zeit, sondern auch bei der taz. Für die schrieb er nicht | |
umsonst: Seine Kolumnen und Artikel ließ er sich mit einem taz-Abo | |
bezahlen. Es ging – natürlich – um die bayerische Art der Landesführung u… | |
die Schnurren im Leben von Ministerpräsidenten. Einmal hat er sich für die | |
taz gefragt, was es mit dem Gerücht auf sich habe, Horst Seehofers Berliner | |
Freundin sei zum zweiten mal Mutter geworden. Das Fragezeichen hinter | |
diesem Text steht bis heute. | |
Gut war er dennoch. Und gut war Stiller, ernsthaft und freundlich, sich für | |
keine Gymnasiastenfrage zu schade, „ein bayerischer Mensch, wie man ihn | |
sich wünscht“, sagt Stefan Kuzmany, damals Leiter der tazzwei-Redaktion – | |
für die Stiller kolumnierte –, heute Meinungschef bei Spiegel Online. | |
Stiller war nach seinem Ausscheiden bei der SZ auf die taz zugekommen, | |
erinnert sich Jörn Kabisch, damals Leiter des Schwerpunktressorts. Die taz | |
war stolz auf ihren Autor, der in späteren Jahren nicht mit kritischen | |
Wortmeldungen sparte, wenn ihm manches zu ich-lastig geraten schien. | |
Am Freitag ist Michael Stiller in München im Alter von 71 Jahren gestorben. | |
16 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## TAGS | |
Bayern | |
CSU | |
Franz Josef Strauß | |
Süddeutsche Zeitung | |
CSU | |
Bayern | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nachruf auf Erich Riedl: Lupenreiner CSU-Amigo | |
Er war der Prototyp eines CSUlers, der noch machen konnte, was er wollte. | |
Gewählt wurde er dennoch. Jetzt ist der Hardliner Erich Riedl gestorben. | |
Politik in Bayern: Sisyphos und seine Erben | |
Seit 59 Jahren regiert in Bayern die CSU. Die Opposition hat es schwer. | |
Woran liegt’s? Und wer tut sich das eigentlich an? |