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# taz.de -- Dada meets Afrika in Berlin: Umschauender Flirt mit dem Fremden
> Künstlerisches Fernweh: Die „Dada Afrika“-Schau in der Berlinischen
> Galerie befasst sich mit der alten Sehnsucht nach einem Woanders.
Bild: Die zwei Gesichter der Kunst
Wer derzeit noch immer den Sommer in der Stadt aushält, sich täglich die
leeren Straßen und Schwimmbäder und den bunt bepflanzten Balkon schönredet
und doch voller Sehnsucht und mit großem Neid Grüße aus der Ferne
entgegennehmen muss, dem sei eine Ausstellung ans Herz gelegt, die ab heute
in der Berlinischen Galerie zu bewundern ist.
Sie erzählt von Menschen, die zivilisationsmüde waren. Von Menschen, die
kurz nach dem Ersten Weltkrieg kein Vertrauen mehr hatten in das Wahre,
Gute und Schöne, das angeblich unsere sogenannte westliche Welt verkörpert.
Sie handelt vom Verhältnis von Dada zum großen Anderen, vom Versuch dieser
so sympathischen wie wichtigen Kunstbewegung, die in diesem Jahr im Rahmen
ihres 100-jährigen Jubiläums überall groß gefeiert wird, die Ketten der
eigenen bürgerlichen Normen und Werte zu sprengen. Und sich auf die
abenteuerliche Suche nach einem wie auch immer gearteten Woanders zu
machen.
„Dada Afrika. Dialog mit dem Fremden“ heißt diese Ausstellung in der
Berlinischen Galerie, sie zeigt auf 430 weitläufigen Quadratmetern 120
Werke von eigentlich allen wichtigen Künstlern der Dada-Bewegung, von Hans
Arp bis Hannah Höch und Tristan Tzara. Das Interessante: Ohne dies zu
hierarchisieren und auf den ersten Blick kenntlich zu machen, mischen sich
unter die Dada-Werke Artefakte aus Afrika, Asien und Amerika, auf die sich
die Dadaisten bezogen oder hätten beziehen können.
Das Museum Rietberg zu Zürich, mit dem die Berlinische Galerie für die
Ausstellung kooperiert hat, verfügt über 1.600 Objekte von Eduard von der
Heydt, der Kunst aus Asien und Afrika sammelte. So ist es also kein Wunder,
dass neben einigen der schönsten Ausstellungsstücke der Galerie, den
Collagen von Hannah Höch, die Kunstwerke selbst zu sehen sind, von denen
Höch inspiriert war. Das in den 1920er und 1930er Jahren wichtige Kultur-
und Zeitgeistmagazin Der Querschnitt hatte 1925 Bilder von Objekten aus der
Sammlung von der Heydts abgedruckt – und Hannah Höch benutzte sie für eine
Serie von Collagen, die sie „Aus einem ethnographischen Museum“ nannte und
von denen immerhin ganze acht zu sehen sind.
Es sind diese kleinen, auf den ersten Blick unscheinbaren Blätter, die am
meisten beeindrucken in der Ausstellung „Dada Afrika“. Höch hat die
Abbildungen afrikanischer und asiatischer Kunst mit nur vermeintlich
gegensätzlichen, stereotypen Bildern der modernen westlichen Frau der
1920er Jahre zusammengeschnitten und -geklebt. Dabei ist sie mit so viel
Kunstfertigkeit vorgegangen, dass die Welten zu einem harmonischen Ganzen
verschmelzen. So, als wollte Höch die Gleichwertigkeit verschiedener
kultureller Erscheinungsformen behaupten. So, als wollte sie sagen: Das
Exotische ist bei aller nachvollziehbaren Sehnsucht nach mehr Vitalität,
nach mehr Ursprünglichkeit und Lebendigkeit eine Projektion. Man wird
dieses lästige Selbst einfach nicht los, weder in der Fremde noch in der
Beschäftigung mit ihr – so wünschenswert das auch aus heutiger Perspektive
manchmal wäre.
Hannah Höch stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, ihr Vater war
Versicherungsangestellter, und sie studierte unter anderem an der
Kunstgewerbeschule in Berlin, um sich von diesem Hintergrund zu
emanzipieren. Nach sieben Jahren Beziehung zu Raoul Hausmann, einem der
Stars der Dada-Bewegung, fasste sie zusammen: „Wenn ich nicht viel meiner
Zeit dafür aufgewendet hätte, mich um ihn zu kümmern und ihn zu ermutigen,
hätte ich selbst mehr erreicht.“ Als sie eine Beziehung zu einer
holländischen Autorin einging, mit der sie auch einige Jahre in Berlin
zusammenlebte, wurde dies von männlichen Dada-Kollegen nicht gerade
goutiert.
Vielleicht ist dies der Grund, dass Hannah Höch auch in der
Auseinandersetzung mit der vermeintlich „primitiven“ Kunst vielen ihrer
männlichen Mitstreiter voraus scheint. Während diese noch auf der Suche
nach dem triebhaften oder auch dem edlen Wilden waren, Masken und Kostüme
entwarfen und versuchten, sich bei wildem Tanz zu Trommelklängen, die sie
für afrikanisch hielten, selbst zu vergessen, hatte Hannah Höch längst mehr
erkannt: dass es gar nicht möglich ist, die eigenen Grenzen, die eigene
Verfasstheit zu überschreiten.
Wer bis jetzt noch kein Höch-Fan war, dem wird in dieser Ausstellung
ausreichend Gelegenheit gegeben, es zu werden. Und dann mag man noch zu
ihrem Ehrengrab pilgern, zum Friedhof Heiligensee.
4 Aug 2016
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Dada
Berlinische Galerie
Afrika
Dada
Panda Bear
Dada
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