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# taz.de -- Schätze im Hamburger Kommunalkino: Es droht das Essigsyndrom
> Das Hamburger „Metropolis“ besitzt mehr als 5.000 Filmkopien und verleiht
> sie in ganz Europa. Archivar Thomas Pfeiffer versucht, sie vor dem
> Verfall zu bewahren.
Bild: Besitzt die Kopie des ersten Kinofilms, den er gesehen hat: Archivar Thom…
BREMEN taz | An den ersten in einem Kino gesehenen Film werden sich wohl
die meisten von uns noch erinnern, aber wer weiß dazu auch noch, welche
Kopie damals gelaufen ist? Thomas Pfeiffer kann das von sich behaupten, und
daran sieht man schon, dass er ein sehr spezielles Verhältnis zum Film hat.
Das Kino interessiert ihn nicht nur als ein kultureller, sondern auch als
technischer Ort. Schon als Teenager, als er als Aushilfe in einem Hamburger
Kino arbeitete, fand er heraus, dass dort noch genau die Kopie von der
Jules Verne-Verfilmung „20.000 Meilen unter dem Meer“ mit James Mason und
Kirk Douglas lagerte, die er Mitte der 60er-Jahre in einer Schulvorstellung
gesehen hatte.
Als das Kino geschlossen wurde, nahm er sie einfach mit und nun gehört sie
zum Bestand des Filmarchivs der Kinemathek Hamburg, wo er sie als einen
seiner wertvollsten Schätze hütet. Am liebsten würde er, wie vor ein paar
Jahren beim „Kino im Hafen“ in Bremerhaven, zu jeder Vorführung dieser
Kopie mitreisen.
## Leidenschaftlicher Sammler
Die meiste Zeit verbringt er allerdings unter Tage, in einem Keller in
Hamburg St. Georg. Der ist mit Tausenden von Filmkopien vollgestopft.
Pfeiffer übt dort die eher einsame Arbeit eines Archivars aus. Das
Hamburger Metropolis ist eines der wenigen Kommunalkinos des Landes, das
eine eigene, langsam aber stetig wachsende Filmsammlung hat.
Pfeiffer arbeitet hier seit 1993. Bis dahin wurde sie mehr schlecht als
recht von einer Halbtagskraft betreut und wenn mehr Arbeit bewältigt werden
musste, wurde jeweils einer der Vorführer in den Keller geschickt.
Doch dann wurde die Hamburger Kulturbehörde davon überzeugt, dass hier eine
Vollzeitstelle sinnvoll wäre und Pfeiffer, der davor als Vorführer
gearbeitet hatte, fand den für sich idealen Beruf. Als leidenschaftlicher
Sammler verdient er nun mit seiner Passion Geld.
## Belegkopien und Selbstgekauftes
Der Grundstein der Sammlung und wohl auch der Grund dafür, dass die
Kulturbehörde der Stadt sie finanziert, ist das Archiv mit Kopien von
Produktionen, die von der Hamburger Filmförderung unterstützt wurden. Diese
Sammlung wurde 1985 angelegt und umfasst heute etwa 500 Filmkopien, sowie
ein paar Hundert andere Formate wie Videos oder digitale Datenträger. Diese
Filme dürfen nicht ausgeliehen oder öffentlich vorgeführt werden, sind also
reine Belegkopien.
Daneben begannen die Betreiber des Metropolis dann selber Filmkopien zu
sammeln. Ein Grund dafür bestand wohl darin, dass das Kino regelmäßig einen
Kanon von hundert Filmklassikern durchspielte und es dabei nach einigen
Jahren immer schwieriger wurde, abspielbare Kopien von ihnen zu finden. So
wurde ein Einkaufs-Etat bereitgestellt und damit vor allem Hollywoodfilme
und europäische Filmkunst eingekauft.
## Nutzlose Filme auf 16 mm
In den USA gab es damals 16mm-Kopien von allem, was das Cineastenherz
begehrte. „Die waren spottbillig“, sagt Pfeiffer. Deshalb besteht die
Sammlung auch heute noch zu etwa zwei Dritteln aus 16mm-Kopien. Allerdings
war das aus heutiger Sicht keine besonders gute Investition. Denn für den
Preis einer guten 35mm-Kopie konnte man damals zwar mindestens zehn
Spielfilme auf 16mm bekommen, doch diese werden heute kaum noch bestellt
und liegen somit nutzlos im Archiv herum.
Vor zehn Jahren war das noch anders. Damals gab es viele semiprofessionelle
Abnehmer, die etwa in Filmclubs oder in Schulen gerne 16mm-Kopien vom
Archiv ausliehen und durch ihre knatternden Projektoren laufen ließen. Doch
inzwischen haben sich alle einen digitalen Beamer angeschafft, mit dem sie
DVDs und Blu-Rays mit viel besserer Bildqualität laufen lassen können.
Nach guten 35mm-Kopien besteht aber immer noch eine Nachfrage, und so
verschickt Pfeiffer pro Woche etwa fünf Pakete mit Filmrollen an andere
kommunale Kinos, Museen und Filmclubs. Sie zahlen dafür eine
„Archivnutzungsgebühr“ von zwei Euro pro abgespieltem Filmmeter, denn
strenggenommen werden die Filme von der Kinemathek nicht „verliehen“. Die
Veranstalter müssen sich um die Abspielrechte jeweils selbst kümmern.
## Abspielrechte für einen einzigen Film
Unter den mehr als 5.000 Filmen der Sammlung gibt es nur einen einzigen,
für den das Metropolis auch selbst die Abspielrechte hat: Für den
russischen Stummfilm „Das Glück“ von Aleksandr Medvedkin hat das Kino eine
Fassung mit eigenen Zwischentiteln fertigen lassen und ist dadurch zum
Eigentümer geworden.
Das Metropolis nutzt natürlich auch selbst sein Archiv und nur dadurch ist
es zu erklären, dass es das ganze Jahr über aufwendige, selbst
zusammengestellte Filmreihen im Programm hat. So werden etwa in der
Retrospektive mit Filmen von Gregory Peck, die gerade jetzt in dem Kino
läuft, einige Filme einfach aus dem Keller geholt und andere von
Kinematheken oder Filmmuseen geliefert, die ihrerseits regelmäßig Filme aus
Hamburg zeigen, sodass beim Tausch kaum Kosten entstehen.
## Seltene Kostbarkeiten
Einmalige Schätze, die es nirgendwo anders gibt, sind im Archiv des
Metropolis nicht zu finden, aber es gibt ein paar zumindest in Europa sehr
seltene Kostbarkeiten. So wird etwa die Originalfassung von John Fords
Spätwestern „Cheyenne Autumn“ regelmäßig alle paar Jahre an das British
Film Institut und an das Österreichische Filmmuseum verschickt.
Die Hamburger Kopie von „Barbarella“ ist in einem solch strahlenden
Technicolor, dass sie schon in ganz Europa gezeigt wurde. Aber selbst diese
Filme sind im Archiv nicht für ewig sicher, denn auch ihnen droht das
Essigsyndrom. Zwischen 1950 und 1990 wurden alle Filme mit Triazetat
beschichtet, und dieses Material gilt zwar als langlebig, wird aber
irgendwann einmal in einem chemischen Prozess zerstört.
Dies betrifft über 90 Prozent der Sammlung. Je nachdem, wie die Filme
hergestellt und gelagert wurden, kann dieser Zerfall jederzeit beginnen.
Pfeiffer schnüffelt deshalb regelmäßig an den Filmdosen auf den
Archivregalen herum, denn wenn ein Film anfängt sich zu zersetzen, beginnt
er nach Essig zu riechen.
27 Jul 2016
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Sammlung
Hamburg
Kino
Filmförderung
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