# taz.de -- AKW-Schrottplatz dringend gesucht: Atom-Pakt zwischengelagert | |
> In Schleswig-Holstein gibt es Streit bei der Suche nach einem | |
> AKW-Schrottplatz. Ist der Schutt radioaktiv oder nur „emotional | |
> belastet“? | |
Bild: Sollen einmal in einem Endlager entsorgt werden: Fässer mit Atommüll | |
KIEL taz | Einen Pakt wollte Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert | |
Habeck schmieden: Atomkraftwerksbetreiber und Naturschützer, | |
Abfallwirtschaft und Gemeinden sollten gemeinsam beschließen, wie der | |
Bauschutt aus den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel sowie dem | |
Forschungsreaktor in Geesthacht untergebracht wird. Mit viel persönlichem | |
Einsatz warb der Grünenpolitiker für diesen Plan – doch nach einem | |
Abschlusstreffen mit Umwelt- und Kommunalverbänden sowie Bürgerinitiativen | |
der betroffenen Gemeinden ist weiter alles offen. Die Beteiligten sind sich | |
nicht einmal einig, ob die Gespräche gescheitert oder unterbrochen sind. | |
Klar ist nur: Bis Herbst wird Habeck wohl keine Lösung präsentieren. | |
Von einem „Abbruch der Gespräche“ spricht Keno Basedow von der | |
Bürgerinitiative „Kein Atommüll nach Schönwohld“. „Wenn Dr. Habeck unt… | |
demokratischer Mitbestimmung lediglich versteht, dass wir die Farbe der | |
Abfallsäcke und die Ecke der Deponie mitbestimmen dürfen, ist das nicht | |
unsere Veranstaltung“, sagt er. Habeck hingegen ist davon überzeugt, dass | |
der Dialog weitergeht. Er warte nun auf ein Signal der kommunalen | |
Spitzenverbände: „Schließlich liegt die Abfallentsorgung in der kommunalen | |
Verantwortung – wir moderieren bloß“, sagt Habeck. | |
Aber Jörg Bülow, Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen | |
Gemeindetages, sieht keinen Grund, überstürzt zu handeln: „Man kann nicht | |
erwarten, dass wir etwas unterschreiben, das die betroffenen Gemeinden | |
nicht wollen. Schließlich vertreten wir deren Interessen.“ | |
Bei dem Streit geht es um den Schutt, der entsteht, wenn die AKWs abgebaut | |
werden. Rund 300.000 Tonnen Masse umfasst der schwarze Klotz in | |
Brunsbüttel, rund 550.000 Tonnen das weiße Kraftwerk Krümmel. Während die | |
strahlenden Abfälle wie Brennstäbe darauf warten, dass ein Endlager | |
gefunden ist, werden andere Teile auf ihre radioaktive Belastung geprüft | |
und nach einer mehrstufigen „Freimessung“ als normaler Schutt deklariert. | |
Was sich recyclen lässt, etwa Metall, wird in den Kreislauf zurückgegeben. | |
Übrig bleibt ein vergleichsweise kleiner Berg für die Deponien – die Rede | |
ist von rund 35.000 Tonnen, gestreckt über 20 Jahre. | |
## Strahlung nur eingebildet? | |
Die kritische Frage lautet jedoch: Ist der Müll tatsächlich frei von | |
Strahlung, also nur „emotional belastet“, wie die Fachleute der | |
Atomaufsicht versichern? Oder tragen die Brocken doch ein unsichtbares | |
Risiko, wie die Bürgerinitiativen befürchten? | |
Mit einer Antwort darauf tun sich auch die Umweltverbände nicht leicht. Das | |
sogenannte Zehn-Mikrosievert-Konzept – eine Strahlendosis, die für die | |
Befürworter des Konzepts als risikolos und nicht mehr nachweisbar gilt – | |
sehen die Verbände kritisch. „Dennoch wollen wir im Gespräch bleiben und | |
eine Lösung finden“, sagt Ole Eggers, BUND-Landesgeschäftsführer. | |
Er fordert, dass der Müll auf den Deponien gesondert gelagert werden muss. | |
„Nicht vermischt mit anderem Müll, sondern rückholbar, wenn es neue | |
Erkenntnisse gibt.“ | |
## Habeck will den Müll hinter sich lassen | |
Der Umweltschützer zieht unter dem Strich ein positives Fazit des Treffens. | |
„Alle Seiten haben deutlich erklärt, dass sie bereit sind, Verantwortung | |
für den Atommüll und den Bauschutt zu übernehmen.“ Dafür sei aber „ein | |
ergebnisoffener Dialog auf Augenhöhe“ notwendig. „Wir sollten uns genügend | |
Zeit nehmen, um alle Befürchtungen der Betroffenen angemessen | |
berücksichtigen zu können.“ | |
Ähnlich äußern sich auch die anderen Beteiligten. Das enge Zeitfenster sei | |
„nicht nachvollziehbar“, schreibt die Bürgerinitiative „Kein Atommüll n… | |
Schönwohld“ in einem offenen Brief an den Minister. Schon wird in | |
Gesprächen die Mutmaßung laut, Habeck möchte das sperrige Müllthema aus dem | |
Weg haben, bevor er sich ab September der parteiinternen Urwahl um die | |
Spitzenkandidatur im Bundestagswahlkampf stellt. | |
Der Minister weist das zurück. „Niemand würde es bei anderen Abfällen | |
akzeptieren, wenn über Monate keine Entsorgung möglich wäre.“ Zurzeit | |
verweigern die Deponien bundesweit, den Kraftwerksschrott anzunehmen. „Ein | |
unhaltbarer Zustand, der rasch beseitigt werden muss“, sagt Habeck. Der | |
letzte Ausweg wäre ein Erlass, mit dem das Land den Abfall einer Deponie | |
zuweist. „Denn entsorgt werden muss er ja.“ | |
26 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
## TAGS | |
Atommüllentsorgung | |
Atommüll | |
AKW-Rückbau | |
AKW | |
Urananlage Gronau | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit um AKW-Abriss in Brunsbüttel: Keiner will den strahlenden Schrott | |
Das stillgelegte AKW Brunsbüttel soll zurückgebaut werden. Atomgegner | |
befürchtet Billigabriss zulasten von Mensch und Natur. | |
Abgabe auf Brennelemente: Steuern sparen im AKW | |
Weil 2017 die Brennelementesteuer endet, verzögern Konzerne die Beladung | |
der Reaktoren. Dem Staat entgehen so hunderte Millionen Euro. |