# taz.de -- Politische Bildung für Jugendliche: Der „fluter“ wird fresher | |
> Der „fluter“, das Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische | |
> Bildung, hat eine neue Website. Sie macht Spaß und nimmt Jugendliche | |
> ernst. | |
Bild: Es muss nicht immer quietschig sein, damit Jugendliche draufschauen: flut… | |
„Die letzte Seite im Heft ist die erste im Netz“ stand da früher auf der | |
letzten Umschlagseite des fluters. Man sah das Zimmer eines Lesers, in dem | |
ein Computer stand, der die „fluter“-Seite geöffnet hatte. Wenn man dann | |
aber selbst die Seite öffnete, erinnerte die wenig an die Qualität, die man | |
aus dem Print-Magazin gewöhnt war. Das ist jetzt anders. | |
Anfang Juni ist [1][die neue Website online gegangen]. Und sie hat sich | |
gegenüber der alten komplett verändert. | |
Seit 2008 macht der Dummy Verlag den Print-„fluter“. 2014 hat die bpb ihm | |
nun auch die Verantwortung für die Website übertragen, die dann anderthalb | |
Jahre lang überarbeitet wurde. Jetzt: Eine Hand, ein Guss. Das Magazin hält | |
online das, was es gedruckt verspricht – auch wenn die besagte letzte Seite | |
mit dem Verweis auf die Website mittlerweile verschwunden ist. | |
Der „fluter“ ist das Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische | |
Bildung. Es erscheint vier Mal im Jahr im Print mit jeweils eigenem | |
Schwerpunkt, zuletzt „Afrika“. Es will dabei nicht spießig sein, nicht den | |
Lehrer spielen. Es möchte Inhalte anbieten, die die Zielgruppe, Jugendliche | |
zwischen 16 und 22 Jahren, interessieren und so aufbereiten, dass sie | |
gelesen werden. | |
Gleichzeitig legt das Magazin Wert auf eine bestimmte Tonalität: „Wir duzen | |
die Leser, ohne sie dabei anzukumpeln. Unsere Bildsprache unterstützt das. | |
Wir haben nicht die gleiche wie zum Beispiel die Neon mit ihren kuschelnden | |
Teens“, sagt Oliver Gehrs, Geschäftsführer des Dummy Verlags. | |
## Mehr Dummy im fluter | |
Die bpb schreibt den Auftrag für das Printmagazin sowie den Onlineauftritt | |
alle paar Jahre neu aus. | |
Der Grund für den Zuschlag an den Dummy Verlag 2014 dürfte sein, dass der | |
den Print-„fluter“ auf eine ganz neue Ebene gehoben hat. Das Magazin ist | |
optisch hübsch mit vielen großen, bunten Bildern und auch inhaltlich | |
großartig: Schöne Reportagen, hintergründige Berichte und kurzweilige | |
Eindrücke zum Schwerpunktthema. Das zeigt sich auch an den Zahlen. Von | |
220.000 zu Beginn der Zusammenarbeit zwischen Dummy Verlag und bpb hat der | |
„fluter“ mittlerweile eine Auflage von 400.000. | |
Der Dummy Verlag ist vor allem bekannt für sein Magazin: Dummy. Lange | |
Texte, gewagte Themen, jedes Mal ein anderes Layout, immer mit hohem | |
ästhetischem Anspruch. Nur gering modifiziert ließ sich das auf den | |
„fluter“ übertragen, die Themen sind weniger gewagt aber dennoch häufig | |
abwegig und kreativ, man meint nicht, ein Behördenblatt mit offiziellem | |
Bildungsauftrag zu lesen. | |
Um dieser Geschichte ein Sequel zu gönnen, soll auch die Website von den | |
Stärken des Magazins lernen. Dafür musste die ganze Seite erneuert werden. | |
Von Grund auf: Die inhaltliche Ausrichtung, die Darstellung, die Struktur, | |
alles wurde neu gemacht. Das hat anderthalb Jahre gedauert und etwa 100.000 | |
Euro gekostet. „Bei der alten Website wurde alles schubladisiert, es gab | |
etliche Rubriken, die gar nicht mehr alle bespielt werden konnten. Man | |
konnte jenseits der Schwerpunkte kaum singuläre Storys erzählen und die | |
ansprechend in Szene setzen“, sagt Gehrs. | |
## In Konkurrenz zu bento und Co. | |
fluter.de soll auch mit den online Jugendangeboten der großen Medienhäuser | |
um die Aufmerksamkeit junger Menschen konkurrieren: bento vom Spiegel, | |
jetzt.de von der Süddeutschen oder ze.tt von der Zeit. Die ködern ihre | |
Leser mit kürzeren, flott geschriebenen Texten zu jungen Themen: Sex, | |
Liebe, Popkultur und einem bisschen Politik. Alle eifern sie, zugeben | |
würden sie es wohl nicht, VICE hinterher, dem wachsenden Medienunternehmen | |
aus den USA, das auch hierzulande mit sehr persönlichen Sex- und | |
Drogengeschichten immer mehr Marktanteil unter jungen Lesern gewinnt. Da | |
reiht sich nun auch der fluter ein, auch wenn der sich nicht auf das | |
unterste Niveau begibt. | |
Die neue Struktur spielt da mit rein und ist gleichzeitig noch viel | |
übersichtlicher als die alte. Es gibt drei Rubriken: „Radar“, „Streit“… | |
„Themen“. Themen sind Schwerpunkte, teils aus dem Heft, teils an aktuellen | |
Ereignissen orientiert, „Terror“ ist zum Beispiel eins. Streit sind | |
Debattenstücke: mindestens zwei konträre Meinungen zu einem aktuellen | |
Thema: Für oder gegen das bedingungslose Grundeinkommen etwa. | |
Radar ist die wohl spannendste, weil offenste Rubrik. Hier soll | |
drinstecken, was für junge Leute relevant ist. Radar soll nicht | |
tagesaktuell sein, „wir wollen keine klassische News-Seite sein, das können | |
wir auch gar nicht“, sagt Gehrs. Trotzdem soll Radar aktuelle Netzphänomene | |
aufgreifen, politische Geschehnisse verarbeiten oder über Veranstaltungen | |
berichten. | |
So schreibt fluter.de über den Bachmann-Preis oder lässt eine junge Britin | |
über den Brexit klagen. Hier passt im Prinzip alles rein. Der „fluter“ sei | |
also „das werbe- und lifestylefreie Gegenangebot zu bento und Co.“, sagt | |
Oliver Gehrs. Das merkt man im Radar am besten: Hier erzählt man zwar | |
lebensnah, aber nicht intim und bleibt dabei offen für alles. | |
Das ist allerdings auch ein Problem. Zwar sind die Rubriken weit gefasst, | |
dafür bleiben sie aber ohne Profil. Radar liest sich wie „Vermischtes“ in | |
der Zeitung. Nur dass die Dinge, die im Radar behandelt werden, schon ein | |
paar Tage alt sind. Da findet sich zum Beispiel die Geschichte eines | |
Hackers von IS-Twitter-Accounts. Das Thema ist schön aufgeschrieben, | |
unterhaltsam und informativ – aber war ein paar Tage vorher bereits in | |
größeren Online-Medien viral gegangen. | |
## Corporate Publishing, das Spaß macht | |
Das liegt wohl auch daran, dass das redaktionelle Team des Dummy Verlags, | |
das aus fünf festangestellten und zwei freien Mitarbeitern besteht, noch | |
ein Team der bpb im Rücken hat, die auch die Chefredaktion innehat und alle | |
Veröffentlichungen absegnen muss. | |
Trotz der Liebe, die offensichtlich im fluter steckt, fällt die | |
Zusammenarbeit nämlich in die Kategorie des Corporate Publishing. „Manchmal | |
ist es unglaublich anstrengend“, sagt Gehrs, „unsere Texte werden akribisch | |
nachrecherchiert, alles wird überprüft. Aber der extrem hohe | |
Qualitätsanspruch ist natürlich gerechtfertigt: Unsere Materialien sollen | |
schließlich auch im Unterricht verwendet werden können. Es ist für alle | |
eine Bildungsreise, auch für uns.“ | |
fluter.de kann trotzdem gut mithalten. Die neue Seite macht Spaß. „Man soll | |
bei uns schmökern und stöbern können und dabei immer wieder Neues | |
entdecken“, nennt Gehrs das Konzept. Und das scheint aufzugehen. Über 9000 | |
Besucher steuerten die Seite vor dem Relaunch am Tag an. Die Absprungrate | |
nach einem Artikel lag bei 90 Prozent. Heute, etwa anderthalb Monate | |
später, sind es nur noch 50 Prozent – belastbare Besucherzahlen gibt es | |
allerdings noch nicht. | |
Es funktioniert also. Das neue Erscheinungsbild, die inhaltliche | |
Ausrichtung, die Texte, alles spielt ineinander. Und so wird bald deutlich, | |
dass fluter.de zwar das Gegenstück zu bento und Co. ist, aber doch eine | |
völlig andere Richtung geht. Und zwar eigentlich eine mutigere. Bei | |
fluter.de möchte man die Jugendlichen nicht kiffend auf dem Schulklo | |
treffen, man möchte sie ernstnehmen, unterhalten und bilden – und zwar ohne | |
so zu tun, als würde sich das widersprechen. | |
12 Jul 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.fluter.de/ | |
## AUTOREN | |
Robert Hofmann | |
## TAGS | |
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