| # taz.de -- Uruguay siegt gegen Tabakkonzern: Gesundheit vor Investitionen | |
| > In Uruguay gibt es strenge Gesetze zum Verkauf von Tabak. Der | |
| > Tabakkonzern Philip Morris wollte ein Exempel statuieren – und | |
| > scheiterte. | |
| Bild: Nach dem Sieg vor Gericht erstmal eine… äh… ein Eis essen? | |
| Buenos Aires taz | Uruguays Präsident Tabaré Vázquez jubelt: Die Klage des | |
| Tabakkonzerns Philip Morris bei der Schiedsstelle für | |
| Investitionsstreitigkeiten der Weltbank gegen Uruguay ist abgewiesen. „Der | |
| Staat Uruguay ist als Sieger hervorgegangen und die Forderungen der | |
| Tabacaleras sind in vollem Umfang zurückgewiesen worden“, verkündete der | |
| Präsident am Freitag in einer eigens dafür angesetzten Fernsehansprache. | |
| Statt die geforderte Schadenssumme von 25 Millionen Dollar an den | |
| Tabakkonzern zu zahlen, muss Philip Morris die gesamten Prozesskosten | |
| tragen: davon 7,5 Millionen von Uruguay und rund 1 Million der | |
| Schiedsstelle ICSID. | |
| Vázquez strahlte über beide Backen. Der ehemalige Krebsarzt hatte während | |
| seiner ersten Amtszeit 2005 bis 2010 den Kampf gegen das Rauchen | |
| aufgenommen. 2006 verbot er seinen Landleuten das Rauchen in öffentlichen | |
| und geschlossenen Räumen. Uruguay avancierte zum damals weltweit fünften | |
| Land, mit einer solchen Verordnung. | |
| Drei Jahre später ließ per Gesetz beschließen, dass 80 Prozent der | |
| Oberfläche der Zigarettenschachteln mit Warnhinweisen und Warnfotos | |
| bedruckt sein müssen. Zudem wurde die Verwendung von verharmlosenden | |
| Begriffen wie ‚light‘ oder ‚Menthol‘ verboten. | |
| ## Präventionspolitik vor Investitionen | |
| Philip Morris sah dadurch seine Rechte verletzt und pochte auf ein | |
| Investitionsschutzabkommen zwischen Uruguay und der Schweiz von 1998. Im | |
| Februar 2010 reichte der Tabakkonzern mit Firmensitz in der Schweiz Klage | |
| bei der Schiedsstelle der Weltbank ein. Uruguay verstoße in mehreren | |
| Punkten gegen das Abkommen. | |
| So habe man zwölf Marken vom Markt nehmen müssen und könne wegen des | |
| Platzmangels auf den Schachteln gar nicht mehr angemessen die noch | |
| verbleibenden Marken präsentieren. Dass sich die Schiedsstelle im Juli 2013 | |
| für zuständig erklärte und die Klage annahm, galt als ein erster Erfolg des | |
| Konzerns. | |
| Dagegen argumentierte Uruguays Regierung mit der Fürsorgepflicht des | |
| Staates. Die staatliche Präventionspolitik bei der Gesundheit seiner | |
| BürgerInnen könne nicht durch ein Investitionsabkommen ausgehebelt werden. | |
| Zudem habe man das Rauchen nicht verboten. Uruguay hielt alle Verordnungen | |
| und Gesetze aufrecht. Auch unter Vázquez' Nachfolger José Mujica. Mehr | |
| noch. Unter Mujica wurde der Anbau und Konsum von Cannabis gerade mit dem | |
| Gesundheitsargument legalisiert: wenn schon Marihuana, dann gesundes Gras | |
| und kein gestreckter Dreck vom illegalen Markt. | |
| ## Klage als Abschreckung | |
| Dennoch hing die 25-Millionenklage wie ein Damoklesschwert über dem | |
| gerademal 3,3 Millionen EinwohnerInnen zählenden kleinen Land. Im Oktober | |
| 2011 schloss Philip Morris seine Firmenanlagen in Uruguay und verließ das | |
| Land. Der Marktverlust war sicher gering, ging es dem Konzern doch vor | |
| allem das Statuieren eines Exempels: Die Millionenklage sollte potenzielle | |
| Nachahmer abschrecken. Tatsächlich verfolgten die Riege der | |
| Zigarettenhersteller und die für Gesundheit zuständigen in den weltweiten | |
| Organisationen und nationalen Regierungen mit Argusaugen den | |
| Prozessverlauf. | |
| Die jetzige Entscheidung ist zum einen ein persönlicher Sieg für Tabaré | |
| Vázquez, der im März 2015 seine zweite Amtszeit antrat. „Wir bekräftigen | |
| unser Recht auf den Kampf gegen den Konsum von Tabak“, so Vázquez. Es sei | |
| nun klargestellt, dass nicht angehe „kommerzielle Aspekte über die | |
| Verteidigung der Grundrechte auf Leben und Gesundheit zu stellen“. | |
| Die Tragweite der Entscheidung ist jedoch noch nicht genau absehbar. Sie | |
| wird die Debatte um das Verhältnis von nationalstaatlicher Autonomie auf | |
| einzelnen Politikfeldern und die Unterordnung unter internationale | |
| Abkommen, wie etwa die Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada (Ceta) | |
| oder zwischen EU und USA (TTIP) neu befeuern. | |
| 9 Jul 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Vogt | |
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