# taz.de -- Erschossene Polizisten in Dallas: „Man kann das nicht trainieren�… | |
> Die Streifenwagen sind mit Blumen geschmückt: Nach dem Tod von fünf | |
> Polizisten schwankt Dallas zwischen Wut, Trauer und Verzweiflung. | |
Bild: Geschmückter Streifenwagen: Eine Frau trauert um die erschossenen Polizi… | |
Dallas dpa | Seine Trauer hat er versteckt hinter einer Sonnenbrille, einer | |
dunkelblauen Uniform und einem Sturmgewehr. „Wenn ich nach Hause gehe, | |
werde ich wahrscheinlich zusammenbrechen“, sagt der Polizist, der die | |
Einfahrt zur Wache im südwestlichen Bezirk von Dallas absichert. Drei | |
seiner direkten Kollegen sind hier in Texas getötet worden, drei weitere | |
wurden verletzt. Aber jetzt sei für Trauer kein Platz, keine Zeit. Der | |
Dienst rufe. „Du gibst Deinen Segen – und dann machst Du Dich wieder an die | |
Arbeit.“ | |
Die Attacke des Schützen Micah Johnson mit fünf toten und sieben verletzten | |
Beamten trifft die Polizei von Dallas ins Mark. Einer von ihnen sei seit 20 | |
Jahren im Einsatz gewesen, aber auch Berufseinsteiger seien unter den | |
Opfern, sagt der Uniformierte, der seinen Namen nicht nennen will. Doch | |
Alter, Dienstgrad und Training spielen jetzt kaum noch eine Rolle. „Wie | |
trainierst Du für einen Hinterhalt? Das geht nicht“, sagt er über den | |
Angriff aus der Nacht zum Freitag. Die Kugeln kämen „von hinten in deinen | |
Kopf“. Auch die härtesten Polizisten der USA sind bei so einem Anschlag | |
machtlos. | |
Am Morgen nach dem Grauen schweigt Dallas. In gespenstischer Stille liegen | |
die 22 abgesperrten Straßenblocks im Herzen der Innenstadt. Nur hin und | |
wieder geht ein Ermittler durch die sengende, texanische Hitze. | |
Polizeisirenen blinken an Barrikaden, die Motoren der Streifenwagen laufen, | |
Autofahrer drehen ab. Kleine, gelbe Hütchen setzen Ortsmarken einer | |
blutigen Nacht auf dem Asphalt. | |
Es wird Tage dauern, bis der Tatort geräumt ist und in Downtown Dallas | |
wieder Normalität einkehrt. Wer sein Auto hinter einer der Absperrungen | |
geparkt hat ist aufgeschmissen. An einer Ecke schiebt ein FBI-Mann kurz | |
eine Barrikade beiseite, ein komplett schwarzer, offenbar gepanzerter | |
Transporter rollt vorbei. Trägt er die Überreste des Roboters, der die aus | |
der Ferne zündbare Bombe zu Micah Johnson fuhr und ihn damit tötete? | |
## Die Tragödie nicht ignorieren | |
Julian Gamboa will es alles geahnt haben. „Es fühlte sich an, als ob etwas | |
passieren würde, wo Polizisten abgeschlachtet werden.“ Zu viele Schwarze | |
seien getötet und ermordet worden wie zuletzt in Louisiana und Minnesota, | |
sagt der 24-Jährige. „Es hat eine Menge Chaos gegeben. Niemand weiß | |
wirklich, was er tun oder fühlen soll.“ Er kneift die Augen zusammen, atmet | |
durch, bringt die Sätze nicht ganz heraus. Nach dem Gottesdienst, zu dem | |
sich Hunderte in einem Stadtpark versammeln und händehaltend beten, steht | |
er mit Freunden zusammen und weint. | |
Der Schmerz sitzt tief. Von Wut spricht der schwarze Pastor Bryan Carter, | |
vom Unglauben und vom Schock. Nur langsam reift in der neuntgrößten Stadt | |
der USA das Verständnis für das, was sich hier abgespielt hat. Und wieder | |
hat Dallas gut 50 Jahre nach dem Attentat auf Präsident John F. Kennedy, | |
das die USA in ein nationales Trauma stürzte, traurige Berühmtheit erlangt. | |
„Dallas, unser Zuhause, ist kurz davor, wieder aus all den falschen Gründen | |
berühmt zu werden“, schreibt eine Kolumnistin der Dallas Morning News. | |
In einer kraftvollen, aufrüttelnden Predigt warnt der schwarze Pastor T. D. | |
Jakes vor dem lauernden Übel: „Die Tragödie, die wir heute ignorieren, wird | |
morgen auf unserer Türschwelle sein.“ An seiner Seite steht Bürgermeister | |
Mike Rawlings, der nun vermutlich die härtesten Tage seiner Amtszeit | |
durchsteht. „Wir haben die nächste Generation auf einen grausamen Weg | |
geführt“, sagt er. Den Hass, der zwischen Schwarz und Weiß in einigen | |
Teilen der Gesellschaft schwelt, nennt er einen „Krebs des Separatismus“, | |
der Spaltung. | |
Einige, die dieser Krebs befallen zu haben scheint, stehen in der | |
Innenstadt und lassen ihre Wutreden von Mitstreitern filmen. Daniel | |
McCullough zum Beispiel, der sich ein T-Shirt der | |
Schwarzen-Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“ vor die Brust hält. | |
Afroamerikaner seien bis heute „Baumwolle pflückenden Sklaven“, wettert er, | |
Angriffe der Polizei müssten vergolten werden. Die Attacke von Dallas lobt | |
er als überfällig und warnt: „Haltet die Augen offen.“ Und er sagt: „Es… | |
nur der Beginn eines Krieges. Eines Krieges zwischen ihnen und uns.“ | |
## Dienst in Trauer | |
Am Ende eines schmerzerfüllten Tages sind es die ermutigenden Worte der | |
Priester, Politiker und Polizisten, die Hoffnung spenden, dass Dallas | |
diesen Riss kitten wird. Und Worte von Menschen wie Marlen Esquivel, die | |
mit ihren Neffen zur Polizeiwache gekommen ist, um Danke zu sagen. „Manche | |
Menschen hier wissen es nicht zu würdigen“, sagt sie. Auf Motorhauben und | |
Windschutzscheiben zweier Polizeiwagen liegen Blumen und Stofftiere, | |
Autofahrer hupen und winken oder halten an, um Fotos zu machen. | |
Für die Uniformierten des South Western District bleibt es ein von Trauer | |
erfüllter Dienst. Der Polizist mit dem Sturmgewehr, der wegen des Verlusts | |
seiner Kollegen auch mit Seelsorgern und Geistlichen sprechen kann, sagt: | |
„Du kannst beim Militär sein, Strafverfolger, Notarzt – man kann nicht | |
trainieren, Geliebte zu verlieren.“ | |
9 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Johannes Schmitt-Tegge | |
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