# taz.de -- Iranischer Regisseur Kiarostami gestorben: Bescheiden und aufmerksam | |
> In seinen Filmen spürte Abbas Kiarostami dem Leben und seinen Wendungen | |
> nach – und eckte damit oft in seiner Heimat Iran an. Nun erlag er einem | |
> Krebsleiden. | |
Bild: Kiarostamis bekanntester Film „Der Geschmack der Kirsche“ (1997) land… | |
TEHERAN ap/afp | Der iranische Filmemacher Abbas Kiarostami ist tot. Er sei | |
am Montag in Paris gestorben, wo er sich erst in der vergangenen Woche | |
einer Krebsbehandlung unterzogen habe, meldete die amtliche | |
Nachrichtenagentur Irna. Demnach hatte sich Kiarostami Anfang des Jahres | |
wegen des Leidens operieren lassen. Er wurde 76 Jahre alt. Weggefährten wie | |
Starregisseur Martin Scorsese würdigten Kiarostami. | |
In einer mehr als 40 Jahre umspannenden Karriere schuf der gebürtige | |
Teheraner Dutzende Drehbücher und Filme. Seinen wohl größten Erfolg feierte | |
er mit „Der Geschmack der Kirsche“ von 1997, der bei den Filmfestspielen | |
von Cannes die Goldene Palme erhielt. Der Spielfilm handelt von einem | |
Iraner, der sich mit Selbstmordgedanken trägt und jemanden sucht, der | |
seinen Leichnam begraben würde. | |
„Der Geschmack der Kirsche“ sei der einzige Film, den er nach der | |
Fertigstellung nicht noch einmal gesehen habe, bekannte Kiarostami im Jahr | |
2014 bei einem Auftritt in Syracuse im US-Staat New York. Denn der Film | |
führe in eine Lebensperiode zurück, an die er lieber nicht nachdenken | |
wolle. Damals wurde „Der Geschmack der Kirsche“ in seiner Heimat auf den | |
Index gestellt, da er aus Sicht der Behörden zu Suizid ermuntere. „Doch in | |
Wahrheit“, erklärte Kiarostami, „war er eine Anregung zum Leben.“ | |
Viel Lob brachte ihm auch sein Film „[1][Die Liebesfälscher]“ von 2010 mit | |
Juliette Binoche in der Hauptrolle ein. Dieser handelt von einer Französin, | |
die sich scheinbar mit einem britischen Autor zum ersten Rendezvous | |
verabredet. Doch bald werden Spannungen zwischen ihnen offenbar und der | |
Zuschauer beginnt zwangsläufig zu mutmaßen, dass die beiden sich vielleicht | |
schon kennen und womöglich einmal verheiratet waren. Für die Produktion von | |
„Die Liebesfälscher“ und anderen Filmen musste Kiarostami außerhalb Irans | |
arbeiten, da ihm in seiner Heimat Beschränkungen auferlegt würden. | |
## „Er war einer unserer größten Künstler“ | |
Filmemacher Scorsese lernte Kiarostami nach eigenen Angaben in den | |
vergangenen zehn bis 15 Jahren näher kennen. Einige Kritiker mögen dessen | |
Filme als minimalistisch bezeichnen, doch sei aus seiner Sicht das | |
Gegenteil der Fall, sagte Scorsese. Jede Szene in „Der Geschmack der | |
Kirsche“ und „Wo ist das Haus meines Freundes“ von 1987 fließe von | |
Schönheit und Überraschungen über. | |
Scorsese beschrieb Kiarostami als „einen ganz besonderen Menschen: still, | |
elegant, bescheiden, wortgewandt und ziemlich aufmerksam.“ Zwar hätten sich | |
ihre Wege zu selten gekreuzt, doch sei er über jedes Zusammentreffen froh | |
gewesen, ergänzte Scorsese. „Er war ein echter Gentleman und wahrlich einer | |
unserer größten Künstler.“ | |
Erst vor wenigen Tagen war Kiarostami gemeinsam mit hunderten weiteren | |
Filmschaffenden als [2][Neumitglied in die Oscar-Akademie eingeladen | |
worden]. Mit der Auswahl ihrer Neumitglieder reagierte die Organisation in | |
Hollywood auf Kritik an der mangelnden Vielfalt in ihren Reihen. Die | |
Mitglieder der Oscar-Akademie entscheiden jedes Jahr, wer mit den weltweit | |
begehrtesten Filmpreisen geehrt wird. | |
5 Jul 2016 | |
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