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# taz.de -- EMtaz: Schriftsteller über Island-Klischees: „Flexibel und spont…
> Der Schriftsteller Kristof Magnusson erklärt den isländischen Erfolg und
> das tägliche Leben mit dem Wikinger-Style und unterm Vulkan.
Bild: „Wikinger? Das ist der Style, den sich die Isländer in den letzten Jah…
taz: Herr Magnusson, als Isländer müsste es Ihnen jetzt besonders gut
gehen, oder?
Kristof Magnusson: Sehr gut, ja, das war wirklich ein fantastischer Abend.
Ich bin extra nach Hamburg gefahren, um das Spiel mit meinem Vater zu
gucken.
Sie wollten nicht in Berlin gucken, wo Sie leben?
Das habe ich in der Vorrunde gemacht. Aber ein Achtelfinale gegen England
war ein so historisches Ereignis, das wollte ich mit meinem Vater gesehen
haben.
Sie sind Kind eines Isländers und einer Deutschen: Fühlen Sie sich bei
dieser EM besonders isländisch?
Das muss ich sagen, ja. Dass Island im Fußball so weit gekommen ist, ist
ein Phänomen, wenn man sich überlegt, dass die Isländer überhaupt erst seit
1944 einen souveränen Staat und vorher eigentlich nur in Armut und
Isolation über Jahrhunderte vor sich hin vegetiert haben. Nach der
Unabhängigkeit kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs war das erst mal kaum
anders. Island, das war ein armes Land und ganz weit weg.
Und heutzutage?
Wenn man im Ausland lebt, fragen einen die Leute: „Wohnt ihr da in Iglus
oder sprecht ihr da Dänisch?“ Das hat mein Vater alles noch erlebt. Dieses
Gefühl, was uns Deutschen manchmal recht wäre: Man kommt ins Ausland, und
niemand weiß irgendwas. Das haben Isländer so sehr verinnerlicht, dass es
uns immer euphorisiert, wenn wir international endlich wahrgenommen werden.
Island – ist das nicht die Insel mit den Elfen?
Nein, die spielen bei uns gar keine Rolle. Elfen sind mit grazilem
Herumgeschwebe beschäftigt, und das ist der isländische Fußball nun
wirklich nicht. Der lebt eher von Wikinger-Rhetorik. Diese Elfenmetaphorik,
die habe ich in isländischen Medien überhaupt nicht gesehen. Das war in der
Popmusik genauso, wenn Sigur Rós und Björk immer als Elfen bezeichnet
wurden, hat das kein Isländer verstanden.
Im Fernsehen sehen isländische Männer so aus, wie man sich Wikinger
vorstellt.
Wikinger? Das ist der Style, den sich die Isländer in den letzten Jahren
angewöhnt haben, um sich im Ausland zu repräsentieren. Das ist natürlich
auch etwas absurd, weil die Leute, die Island besiedelt haben, eher
Ex-Wikinger waren, die dann anfingen, Landwirtschaft zu machen. Von Island
aus gab es ja 2.000 Kilometer nichts, was man plündern konnte. Island – das
war eine Bauernnation von Wikingern, die keine Lust mehr hatten, zur See zu
fahren. Jetzt ist man ganz begeistert, sich als Wikinger zu sehen – weil
man mit der Nummer im Ausland gut ankommt.
Wie erklären Sie sich den isländischen Fußballerfolg? Hat das auch etwas
mit Europäisierung zu tun? Dass Isländer ins Ausland gehen und dort
spielen?
Ja, aber die spielen kaum bei guten Mannschaften. Isländer sind eigentlich
schon seit Langem trainiert, Chancen, wenn sie sich bieten, zu nutzen: So
war es mit dem Eyjafjallajökull, als wochenlang kein Flugzeug den Himmel
Islands überflog. Einige fingen damals an, die Asche des Vulkans zu
verkaufen. Und haben ein Flugzeug von Iceland Air nach dem Vulkan benannt.
Sobald man merkt, da ist eine Form von Momentum, springen alle drauf und
versuchen, so viel wie möglich daraus zu machen.
Als eingeübtes kulturelles Muster?
Höchstwahrscheinlich. Vielleicht so eine Fischfang-Vergangenheit? Da kam
plötzlich der Heringsschwarm, und dann musste man die Gelegenheit beim
Schopfe packen. Island ist ein Land, das sehr flexibel ist und spontan, um
solche Dynamiken zu nutzen.
Ebenso wie mit der ökonomischen Krise vor einigen Jahren?
Ja, wobei es noch einige Auswirkungen gibt. Gerade im Gesundheitsbereich
wurde die Krise genutzt, um zu sparen. Und in der Verwaltung. Aber Island
hatte auch Glück – viele, die ihren Job verloren, gingen vorübergehend
einfach ins Ausland. Es gibt ja so viele prima ausgebildete Leute. Die Idee
von „Wir schaffen das schon und machen was draus“ gehört schon sehr stark
zur Mentalität.
Wo siehst du dir das Spiel gegen Frankreich kommenden Sonntag an?
Keine Ahnung. Kann sein, dass uns der isländische Botschafter in seine
Residenz einlädt. Momentan sind aber viele isländische Berliner in ihrer
Heimat, weil ja Sommer ist.
Werden Sie dann auch diesen Schlachtruf grölen?
Das ist so ein einfaches „Uh – aber der eigentliche Schlachtruf heißt
„Afram Island“. Das heißt „Island vor“. Das mit dem „Uh“, das habe…
Fans sich ausgedacht. Die haben echt originelle Ideen, wie sie sich über
Tore freuen. Dieser Schlachtruf ist für die Isländer wegen ihrer gefühlten
Bedeutungslosigkeit wichtig. Viel Energie gehört dazu, um im Ausland gut
dazustehen.
Ihr Tipp? Island ist ja nun Favorit.
Island gewinnt im Elfmeterschießen.
28 Jun 2016
## AUTOREN
Jan Feddersen
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