# taz.de -- EU-Reformpläne von Martin Schulz: Will er König von Europa werden? | |
> Schulz möchte die EU-Kommission in eine europäische Regierung umbauen. | |
> Die Idee ist in der SPD umstritten – und in der Union erst recht. | |
Bild: Gewinnt er wieder? Oder sind Reformen die falsche Antwort auf den Brexit-… | |
BERLIN taz | Bevor Martin Schulz Präsident des EU-Parlaments wurde, hatte | |
dieser nur ernst zu schauen und an den richtigen Stellen die Glocke zu | |
läuten. Erst Schulz, ein machtbewusster Lautsprecher, machte den Job | |
wichtig. Heute sitzt der Sozialdemokrat in wichtigen Runden der | |
EU-Staatschefs dabei, er hat die Handynummer von Merkel und arbeitet eng | |
mit seinem Freund Jean-Claude Juncker zusammen. | |
Seit dem Brexit-Referendum wirbt Martin Schulz dafür, die EU mächtiger zu | |
machen. Während Spitzenleute der Union wie Wolfgang Schäuble auf die | |
Wichtigkeit der Nationalstaaten setzen, will Schulz mehr Europa – und wird | |
zur zentralen Figur der Anhänger einer machtvollen EU. Gewinnt er wieder? | |
Oder sind Reformen die falsche Antwort auf den Brexit-Schock? | |
Es werde dieses Mal nicht reichen, an ein paar Stellschrauben zu drehen, | |
schreibt Schulz in einem Debattenbeitrag für die Frankfurter Allgemeine | |
Zeitung (FAZ). „Nein, diesmal brauchen wir den größeren, mutigen Wurf, der | |
deutlich macht, dass wir den Schuss gehört (…) haben.“ Die Europäische | |
Kommission müsse in eine echte europäische Regierung umgebaut werden. Sie | |
solle der Kontrolle des Europaparlaments und einer zweiten Kammer – | |
bestehend aus Vertretern der Mitgliedstaaten – unterworfen werden. | |
Dieser Vorschlag stand auch in einem Zehn-Punkte-Plan, den Schulz kurz nach | |
dem britischen Votum mit SPD-Chef Sigmar Gabriel veröffentlicht hatte. Es | |
wäre eine Kräfteverschiebung: weg von Merkel und den EU-Regierungschefs, | |
hin zu EU-Parlament und Kommission. | |
## Weg vom alltagsfernen Bürokratiemonster | |
Letztere bildet die Exekutive der EU. Jahrzehntelang kungelten die | |
EU-Regierungschefs in einem undurchsichtigen Procedere aus, wer | |
Kommissionspräsident wird und welche EU-Kommissare ihm zur Seite stehen. | |
Bei der Europawahl 2014 setzte sich – auch auf Schulz’ Betreiben hin – | |
erstmals ein anderes Verfahren durch. Die europäischen Volksparteien | |
nominierten Spitzenkandidaten. Juncker gewann mit der EVP, Schulz lag mit | |
den europäischen Sozialdemokraten dahinter. Der Kommissionspräsident wurde | |
erstmals von den WählerInnen bestimmt. | |
Schulz’ Idee würde dieses Vorgehen festschreiben. Denn „echte, vom | |
EU-Parlament legitimierte Regierung“ hieße ja: Die WählerInnen bestimmen | |
über die Zusammensetzung des EU-Parlaments, jenes wählt nach | |
Koalitionsgesprächen die Kommission. Schulz zielt wohl auch auf einen | |
zweiten Punkt. Im Moment hat die Kommission das Initiativrecht, sie allein | |
darf also Gesetze für die EU vorschlagen. Wenn man die Gewaltenteilung, die | |
in Nationalstaaten üblich ist, auf die EU-Ebene überträgt, müsste auch das | |
Parlament Gesetze anschieben dürfen. | |
Schulz argumentiert, dass viele Bürger die EU für ein alltagsfernes | |
Bürokratiemonster halten. Wer künftig mit der EU unzufrieden sei, brauche | |
sie dann nicht mehr infrage zu stellen, sondern könne die EU-Regierung | |
abwählen, schreibt er in der FAZ. Auch Erfolge der EU, die sich die | |
nationalen Staatschefs ungeniert selbst zuschrieben, könnten dann endlich | |
von der EU für sich beansprucht werden. | |
Allerdings ist Schulz' Idee im Moment wohl chancenlos. Zum einen ist sie | |
selbst in der SPD nicht unumstritten. Gabriel unterschrieb zwar den | |
Zehn-Punkte-Plan, rückte aber wenig später von institutioneller Vertiefung | |
wieder ab. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der dritte wichtige | |
Player, meidet die Debatte. Und Merkels Union ist sowieso skeptisch. Weit | |
gehende Reformen, so die Analyse, könnten die Fliehkräfte in der | |
gebeutelten EU weiter verstärken. | |
4 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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