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# taz.de -- EMtaz: Überraschungsteam Ungarn: Ungläubige Blicke allüberall
> Einmal gewonnen, einmal Unentschieden: Ungarns Team spielt erstaunlich
> gut auf. Bei den Fans dagegen kann einem das Grausen kommen.
Bild: Kämpferisch stark: das ungarische Team nach dem Spiel
Marseille taz | Wer hätte das vor diesem Turnier für möglich gehalten? Nach
der Partie zwischen Ungarn und Island war im Stade Vélodrome von Marseille
viel von Qualität, Klasse und gar Spitzenfußball die Rede. Zuvor war dieses
Duell doch eher als eine Art Kennenlernbegegnung der zweiten europäischen
Reihe eingestuft worden.
Man muss einschränken, dass dieses Lob nicht von außen kam, sondern dass
die jeweiligen Teamverantwortlichen honigsüß ihre gegenseitige
Wertschätzung zum Ausdruck brachten. Ungarns deutscher Trainer Bernd Storck
erklärte zum Gegner: „Das ist international eine Topmannschaft. Deshalb
haben wir auch nicht so viele Torchancen gehabt.“
Man müsse sich doch nur anschauen, wie sie bereits in der EM-Qualifikation
gegen Tschechien und die Niederlande verteidigt hätten. Erst in der 88.
Minute hatte Nemanja Nikolic so scharf in den Strafraum geflankt, dass der
unglücklichen Birkir Saevarsson den Ball ins eigene Tor zum 1:1 lenkte.
Und die Einschätzung des isländischen Assistenztrainers Heimir Hallgrimsson
hernach konnte zugleich als Warnhinweis an alle anderen Turnierteilnehmer
verstanden werden: „Ungarn ist ein wirklich gutes Team. Diejenigen, die sie
unterschätzen, werden leiden müssen.“ Auch Außenstehende wie Österreich
oder Portugal werden das Gesagte zu großen Teilen bestätigen können. Sie
haben sich ihre Gruppe gewiss einfacher vorgestellt.
## Erstaunte Gesichter
Ungarn geht jetzt als Tabellenführer ins letzte Spiel gegen Portugal und
besitzt mit vier Punkten eine hervorragende Ausgangsposition, um sich fürs
Achtelfinale zu qualifizieren.
Mit diesen kaum glaubhaften realen Ereignissen können die Ungarn kaum
Schritt halten. Knapp eine Viertelstunde nach Abpfiff standen sie noch
versammelt auf dem Rasen in Marseille und blickten auf den großen
Stadionbildschirm hoch, wo die Höhepunkte der Partie noch einmal zu sehen
waren. Sie schienen von ihrem eigenen Werk völlig ergriffen zu sein. „Mit
jedem Punkt geht ein kleiner Traum in Erfüllung“, sagte Storck.
In den vergangenen Tagen erzählt der 53-Jährige immer wieder gern von den
einst so hoffnungslosen Geschichten seiner Spieler. Von Adam Lang etwa, der
selbst in der schwachen ungarischen Liga lediglich Ersatz, aber im
Nationalteam nun gesetzt ist. Oder von Richard Guzmics, der wegen eines
schweren Patzers im Nationaltrikot vor drei Jahren in der Heimat derart
hart angegangen wurde, dass er das Land Richtung Polen verließ. Lazlo
Kleinheisler, der gegen Island scheinbar jeden freien Raum besetzen wollte,
hat es bei Werder Bremen ebenfalls nicht über den Status des
Ergänzungsspielers gebracht.
## Solide organisiert, taktisch variabel
Auch innerhalb der Nationalmannschaft hat sich keiner den Rang der
Unersetzlichkeit erworben. Storck brachte nach der erfolgreichen
Auftaktpartie gleich drei neue Spieler ins Team. „Wir haben einen
ausgewogenen Kader. Bei uns kann jeder spielen“, behauptet er. Wie Island
kann Ungarn vor allem aufgrund seiner soliden Organisation punkten.
Die taktische Variabilität dagegen ist größer. Im Angesicht der drohenden
Niederlage ließ Storck nur noch mit einer Dreierkette verteidigen und
wechselte all seine Offensivoptionen ein. „Wir haben Fußball gespielt“,
betonte Torhüter Gabor Kiraly. Das mag selbstverständlich klingen, ist es
aber nicht, wenn man die Verteidigungsschlachten dieser EM begutachtet, bei
denen häufig auf weite, hohe Bälle oder Standardsituationen vertraut wurde.
Wenn Bernd Storck auf die Fortschritte der ungarischen Nationalmannschaft
angesprochen wird, denkt er indes zuerst an die körperliche Komponente.
„Wir sind physisch viel stärker geworden. Das ist die Basis.“ Adam Szalai
hebt zudem den Mentalitätswandel der Mannschaft hervor, den Storck sehr
gefördert habe. Anders als früher ergab sich das Team in Marseille nicht in
sein Schicksal.
## Rechtsextreme dominieren Hoolszene
Auf Seiten der Fans scheinen die unerwarteten Erfolge einen gewissen
Größenwahn zu befördern. Der organisierte Fanmarsch zum Stadion, angeführt
von stämmigen glatzköpfigen Männern der Karpaten-Brigade, wirkte recht
martialisch. Weit über 20.000 Ungarn waren nach Marseille gereist. Die
ungarischen Hoolszene, das ist in der internationalen Fan-Community wohl
bekannt, wird von Rechtsextremen dominiert.
Im Stadion nahmen sich dann auch etliche ungarische Anhänger mit Gewalt das
Recht heraus, sich den Platz ihrer Wahl zu sichern. Und der späte
Ausgleichstreffer wurde mit einem erstaunlich großen Arsenal von Böllern
und Bengalos gefeiert. Trainer Storck wollte sich mit diesen Schatten der
Partie aber nicht weiter beschäftigen. Er sagte: „Lassen wir mal die blöden
Bengalos zur Seite. Die Fans haben es verdient, dass wir nach all den
Jahren so einen Erfolg einfahren können.“
19 Jun 2016
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
EMtaz Bericht/Analyse
Ungarn
Fußball
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