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# taz.de -- Prozess gegen Kindermörder: Großes Interesse
> Im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Elias und Mohamed wird die
> Anklage erst nach Stunden verlesen.
Bild: Die Anwälte der Mutter des getöteten Mohamed, Khubaib-Ali Mohammed und …
Auf dem Weg zum Landgericht Potsdam hört man schon von weitem die
Generatoren brummen. Sie produzieren den Strom für die zahlreich
angerückten Filmteams. Groß ist das Interesse an dem Prozess gegen den
33jährigen Silvio S., den mutmaßlichen Mörder von Elias S. und Mohamed J.
Ebenso groß fällt das Aufgebot an Sicherheitskräften aus, denn im Vorfeld
sind Drohungen gegen den Angeklagten publik geworden.
Der Prozess läuft schleppend, etwa wenn gleich zu Beginn darüber
entschieden werden muss, ob der von der Verteidigung eingebrachte Antrag
auf Ausschluss der Öffentlichkeit ohne Öffentlichkeit beraten werden soll.
Schließlich wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschlossen, dass das
Interesse an einem öffentlichen Prozess das Interesse des Angeklagten auf
den Schutz seiner Privatsphäre überwiegt.
Es ist zehn vor zwölf Uhr, als der Staatsanwalt endlich mit dem Vortrag
seiner Anklage beginnen kann: Am 8. Juli 2015 soll Silvio S. den
sechsjährigen Elias vom Spielplatz vor dessen Wohnhaus in Potsdam-Schlaatz
auf den Rücksitz seines Autos gelockt, dort geknebelt und betäubt haben.
Weil Elias weinte und schrie, strangulierte er ihn zu Tode. Seine Leiche
vergrub er in einem Kleingarten. Sein nächstes Opfer fand Silvio S. am 1.
Oktober 2015 um 14.40 Uhr im Lageso. Mohamed lockte er mit einem
Kuscheltier in sein Auto und transportierte ihn zu seinem Elternhaus in
Niedergörsdorf. Am nächsten Morgen filmte er den versuchten sexuellen
Missbrauch des mit Schlafmitteln sedierten Kindes, das sich wehrte und
schrie. Aus Angst vor seinem Vater, so die Anklage, beschloss Silvio S.,
ein weiteres Mal zu töten.
Routiniert zählte der Staatsanwalt die Fakten auf, während ihm der
Angeklagte aufmerksam zuhört. Mit „Mh, mh“ lehnt Silvio S. das Angebot des
Gerichts ab, eine eigene Version des Geschehens vorzutragen. Das vorläufige
psychiatrische Gutachten bescheinigte ihm keine verminderte oder gar
aufgehobene Schuldfähigkeit, so der Richter.
Während der Haft hat der Angeklagte viel an Gewicht verloren, seine kurzen
welligen Haare wirken grau. Die Diskrepanz zwischen der Gewalt, die er an
den Kindern verübt haben soll und dem freundlich-offenen Blick, mit dem er
seine Umgebung mustert, könnte nicht größer sein. Er schaut zu Elias
Mutter, die auf eine Krücke gestützt den Gerichtssaal betritt, und wirkt
nahezu betroffen.
Ein kleiner, zarter Blonder sei Elias gewesen, einer, der sich
phantasievoll selbst zu beschäftigen wusste, erzählt die 26-jährige Zeugin
mit leiser, gefasster Stimme. Wie jedes Kind wusste auch Elias, dass er
nicht mit Fremden mitgehen soll. Um halb sechs fragte ihn seine Mutter, ob
er noch draußen spielen wolle: „Er sagte begeistert ‚Ja!‘ und zog seine
Schuhe an.“ Vom Fenster ihrer Erdgeschosswohnung aus habe sie ihn immer
wieder beobachtet, bis sie ihn kurz vor sieben Uhr nirgendwo mehr finden
konnte.
Gemeinsam mit Freunden suchte sie das Gebiet um ihren Wohnblock ab, um
19.11 Uhr alarmierte sie die Polizei: „Mein Sohn ist verschwunden.“
Im Gerichtssaal ist es jetzt still geworden. Jeder ahnt, was diese Frau in
den letzten Monaten durchgemacht haben muss.
14 Jun 2016
## AUTOREN
Uta Eisenhardt
## TAGS
Lageso
Familie
Mord
Justiz
sexueller Missbrauch
Schwerpunkt Rassismus
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