# taz.de -- Ermordetes Flüchtlingskind in Berlin: „Vieles ist schiefgelaufen… | |
> Hat die Polizei bei der Suche nach Mohamed einseitig und nachlässig | |
> ermittelt? Es braucht eine unabhängige Untersuchung, sagt Benedikt Lux | |
> von den Grünen. | |
Bild: Kerzen erinnern vor dem Lageso an das ermordete Flüchtlingskind Mohamed,… | |
taz: Herr Lux, Sie kritisieren, dass die Polizei bei der Suche nach dem | |
vierjährigen Mohamed zu langsam angefangen hat zu ermitteln. Gibt es ein | |
standardisiertes Vorgehen, wenn ein Kind vermisst gemeldet wird, oder | |
schaut sich die Polizei den Einzelfall an? | |
Benedikt Lux: Sicherlich beides. Das Vorgehen der Polizei hängt immer vom | |
Einzelfall ab. Aber unabhängig davon ist es wichtig, alle Personen schnell | |
zu befragen, die das Kind als letztes gesehen haben und die Orte, an denen | |
es gespielt hat, abzusuchen. Dazu gehört auch eine Auswertung der | |
Videokameras, und hier ergibt sich für mich das größte Fragezeichen. | |
Was ist da falsch gelaufen? | |
Die Polizei hat einen Wachmann, der auf dem Lageso-Gelände arbeitet | |
befragt. Und der hat gesagt, es gäbe keine Kameras auf dem Gelände. Doch | |
das ist falsch. Dadurch ist viel Zeit verstrichen, bis die Polizei | |
tatsächlich Videomaterial sichergestellt und gesichtet hat. | |
Warum hat die Polizei einen Wachmann gefragt und nicht die Leitung des | |
Lageso? | |
Das Lageso hat die Aufgabe, die Sicherheit auf dem Gelände zu | |
gewährleisten, an einen privaten Sicherheitsdienst abgegeben. Die Firma | |
organisiert das selbstständig. | |
Dann war es also nicht falsch, den Wachmann zu befragen? | |
Nein, und grundsätzlich sind auch alle Zeugen auskunftspflichtig. Aber die | |
zentrale Frage ist: Warum hat sie nur den einen Wachmann befragt? Und warum | |
hat er verneint, dass es am Lageso Kameras gibt? Im Eingangsbereich hängen | |
welche, die sind für jeden sichtbar, der auf das Gelände kommt. | |
Der Wachmann hat die Frage angeblich nur auf das Haus bezogen, an dem die | |
Familie gewartet hat. | |
Selbst wenn der Wachmann die Frage der Polizei so verstanden hat, wäre es | |
deren Pflicht gewesen, nach weiteren Kameras zu suchen. Auch das Motiv des | |
Wachmanns muss geklärt werden. Warum hat er die Frage verneint? Hatte er | |
vielleicht böswillige Absichten? Da es am Lageso mehrere Fälle gab, bei | |
denen sich Mitarbeiter der Sicherheitsdienste rassistisch geäußert haben, | |
ist dies nicht so abwegig. | |
Sind das nicht Detailfragen? | |
Ja, aber es sind wichtige Detailfragen, denn die Polizei hat das höchst | |
nachlässig überprüft. Ein weiterer großer Fehler war, dass sie am Anfang | |
schwerpunktmäßig im Umfeld der Familie und der Helfer ermittelt hat. Obwohl | |
die Polizei jetzt sagt, dass kein Anfangsverdacht gegen die Familie | |
bestand, hat sie erst nur die Familie befragt und es hat mehrere Tage | |
gedauert, bis sie sich mit Suchplakaten an die Öffentlichkeit gewandt hat. | |
Als Grund gab die Polizei damals an, dass die Aussagen der Mutter | |
widersprüchlich waren. Sie habe unterschiedliche Zeiten und Orte angegeben. | |
Dass die Mutter widersprüchliche Angeben gemacht hat, darf kein Grund sein, | |
nur in eine Richtung zu ermitteln. Im Fall Elias waren die Angaben der | |
Mutter auch uneindeutig. | |
In Fall Mohamed gab es schnell das Gerücht, dass die Eltern ihr Kind selbst | |
versteckt haben könnten, um eine drohende Abschiebung abzuwenden. | |
Nach Angaben des Senats gab es in Berlin in den letzten Jahren keinen | |
einzigen Fall, in dem eine Kindesentführung vorgetäuscht wurde, um den | |
eigenen Aufenthalt zu sichern. Bei einem vermissten Kind muss man mit | |
höchster Priorität in alle Richtungen ermitteln. Da darf es keine | |
Unterschiede zwischen Flüchtlingskindern und deutschen Kindern geben. Dazu | |
gehört auch, dass man die Kameras sieht, die da hängen und die Daten zügig | |
auswertet. Im Fall Mohamed ist einiges so sehr schief gelaufen, dass es | |
aufklärungsbedürftig ist. | |
Werden Sie den Fall in der nächsten Sitzung des Innenausschusses auf die | |
Tagesordnung setzen? | |
Die Sache wird ein parlamentarisches Nachspiel haben. Es geht nicht, dass | |
sich der Senat in Schweigen hüllt. Wir werden uns für eine unabhängige | |
Untersuchungs- und Beschwerdestelle für Polizeiarbeit einsetzen. Die | |
Polizei sollte nicht in eigener Sache ermitteln, solche Vorfälle darf sie | |
nicht nur „intern klären“, wie es so schön heißt. Bei einem Verdacht auf | |
Ermittlungsfehler muss es die Möglichkeit geben, das unabhängig zu prüfen. | |
7 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
## TAGS | |
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