# taz.de -- Galerieempfehlungen für Berlin: Zukunftslandschaften und Witz-Tabl… | |
> Tips der Woche: Begehbare Planeten mit futuristischem Flair bei Konrad | |
> Fischer und eingeschlossene Satzkissen im Pavillon am Milchhof. | |
Bild: Geklonte Gesteinsfalten in Alice Channers künstlerisch-künstlicher Zuku… | |
## Eingrabungen der Materialität: Alice Channers Zukunftslandschaft in der | |
Konrad Fischer Galerie | |
Die Füße graben sich ein, wer es barfuß wagt, merkt: Das, was wie eine | |
Kraterlandschaft rund um den Vesuv aussieht, ist unerwartet unstaubig und | |
dafür von einer merkwürdigen Einheitlichkeit. So drängt sich das Bild eines | |
künstlich erschaffenen Planeten auf. | |
Vielleicht macht man das ja in der Zukunft so: alles ist Holodeck, | |
dreidimensionale Felsen werden von Roboterarmen aus Cortenstahl, | |
Aluminiumbronze oder Glasfaserbeton gedruckt, und wenn es irgendwo zu | |
unwirklich wird, lassen sich die Felsen ganz einfach umtransportieren, denn | |
sie sind innen hohl. | |
Alice Channer referiert stattdessen die Vorzeit, um noch einen | |
Quantensprung draufzulegen. „Early Man“ hat sie ihre Schau bei [1][Konrad | |
Fischer] genannt. Der begehbare Planet heißt ganz archäologisch anklingend | |
„Burial“. In der Tat bezeugen die artifiziellsten Elemente bei ihr die | |
rudimentärsten Dinge. | |
Die Titel einer Gruppe aus Papierarbeiten wie „Inhaler“, „Filters“ und | |
„Membrane“ klingen nach Raumfahrtsanzug, haben aber einen einfachen Bezug | |
zum Zigarettenstaub, der Channer zum Zeichnen dient. Darin eingearbeitete | |
Polyethylen-Mikrosphären wirken auch im Wissen um ihre Materialität noch | |
wie winzige rote Sandmilben. Im 1. Stock die Skulptur „First Rebirth“: | |
Ausfließender Lamé-Stoff erscheint als erhärtete Quecksilber-Formation, die | |
sich per Spiegelfläche ins Unendliche ausweitet. | |
## Fein dosierter Wortwitz von Larissa Aharoni und Julia Brodauf im | |
Pavillon am Milchhof | |
Es erschließt sich nicht auf Anhieb: Da ist eine Wand, die Wand des | |
[2][Pavillon am Milchhof], mit bedruckten Laminatbrettern beklebt, auf | |
denen in Kinderschrift seltsame Sätze geschrieben stehn wie „we are | |
consciously uncoupluing“. | |
Dann, mit etwas Abstand, lässt es sich doch erkennen: Julia Brodauf hat für | |
ihre Arbeit zwei Aussagen kombiniert: In einem eigentümlich alten Deutsch | |
verfasste Haussegnungen aus Süddeutschland und Floskeln, die prominente | |
Paare zu ihrer „bewussten Trennung“ in der Öffentlichkeit von sich geben. | |
Ein Gegensatz, der durch Abblättern und Verwitterung verstärkt wird. | |
Ein Clash zwischen Inhalt und Form besteht auch zwischen Religionswitzen | |
aus Israel und großförmigen Sitzkissen im Innenraum. Für »A Jew, a Muslim, | |
and a Christian walk into a Gallery…« hat Larissa Aharoni in Jerusalem | |
Witze gesammelt und sie auf Kissen nähen lassen. Jetzt liegen diese wie | |
überdimensionierte Tabletten im Showroom herum. Auch hier ironische Arbeit | |
am Wort. Und wie das eben so ist mit Witzen, sind sie nicht alle gut, dafür | |
aber bequem. | |
Diese Texte erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
18 May 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.konradfischergalerie.de/exhibitions/alice-channer/show/ | |
[2] http://milchhofpavillon.de/ | |
## AUTOREN | |
Noemi Molitor | |
René Hamann | |
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