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# taz.de -- Tierversuche: „Manchmal ist es alternativlos“
> Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben einen Forschungspreis
> von 20.000 Euro für Alternativmethoden zu Tierversuchen ausgelobt.
Bild: Tierquälerei oder unverzichtbare Forschung? Eine Maus im Pharmalabor
taz: Herr Kekstadt, achten Sie darauf, tierversuchsfreie Kosmetika zu
benutzen?
Gert Kekstadt: Ich würde es tun, wenn Hinweise auf den Produkten stehen
würden. Aber ich werde jetzt stärker darauf achten. Es ist ja ein
tagtägliches Thema.
Was war der Anlass, einen Preis für Alternativ-Methoden zu Tierversuchen
auszuloben?
Politisch wollen wir, dass in möglichst naher Zukunft komplett auf
Tierversuche verzichtet wird. Davon sind wir aber noch weit entfernt.
Wie ist der Stand – werden Kosmetika noch an Tieren getestet oder nur
Medikamente?
Im EU-Bereich dürfen weder Kosmetika noch Waschmittel noch Tabakwaren an
Tieren getestet werden. Nur Arzneimittel.
Aber auch nur, wenn die Versuche „ethisch vertretbar“ und „unerlässlich�…
sind. Ethisch vertretbar sind Tierversuche doch nie, oder?
Gegenfrage: Wenn man ein Arzneimittel gegen Krebs hätte, mit dem man
Menschen heilen könnte, wäre es dann vertretbar? Das sind also
Abwägungsprozesse, die immer entlang des konkreten Falls vorgenommen werden
müssen. Dafür gibt es auch klare rechtliche Regelungen. Aber es ist eine
hervorragende Diskussionsgrundlage, zu fragen, sollten Tierversuche
überhaupt für das menschliche Wohl durchgeführt werden?
Was würden Sie sagen?
Wenn Alternativen da sind, ist es für mich zwangsläufig, dass man darauf
verzichten muss.
Sind Tierversuche überhaupt jemals alternativlos oder sind die Alternativen
nur teurer?
Manchmal ist es alternativlos. Deshalb wollen wir ja mit dem
Forschungspreis einen Anreiz schaffen, nach wissenschaftlichen Alternativen
zu suchen.
Müsste man nicht eher das Gesetz ändern, als einen Förderpreis
auszuschreiben?
Tierversuche sind nach dem Tierschutzgesetz nur noch in einem sehr engen
Rahmen genehmigungsfähig. Wenn eine wissenschaftliche Alternativmethode zur
Verfügung steht, sind sie das nicht. Ich setze aber auch darauf, dass
Forscherinnen und Forscher versuchen, Tierversuche möglichst zu vermeiden.
Da geht es auch um Selbstkontrolle bei den Unternehmen. Man müsste
vielleicht auch mehr aufklären, indem man auf den Produkten darauf
hinweist, dass sie an Tieren getestet wurden. Dann könnten die Konsumenten
durch ihr Kaufverhalten abstimmen.
Selbstkontrolle bei Pharma-Unternehmen? Das klingt naiv.
Ich habe auch viele Gespräche geführt, wo Pharma-Konzerne sagen, wir müssen
die Tiere vernünftig behandeln, damit wir vernünftige Ergebnisse erzielen.
Aber man muss verschiedene Schritte gehen: Politisch loben wir einen Preis
aus, parallel findet Konsumenten-Aufklärung durch die Medien statt. Wenn
man dann feststellt, es passiert zu wenig, kann man stärker darüber
nachdenken, was noch passieren muss.
Der Preis ist bundesweit ausgeschrieben, aber die Initiative kommt aus
Hamburg. Da haben wir das Laboratorium für Pharmakologie und Toxikologie
(LPT) vor der Tür, einen der größten Betriebe Deutschlands, wo Tiere
gequält werden. Ist das nicht zynisch?
Zynisch finde ich das nicht. Auch nicht widersprüchlich. Das LPT muss sich
wie alle anderen Unternehmen auch an Recht und Gesetz halten und sich
Kontrollen nach dem Tierschutzgesetz stellen. Hierzu sind auch die
Veterinäre in Niedersachsen gefordert. Zudem hat man bei einem privaten
Unternehmen politisch weniger Einflussmöglichkeiten als bei einem
öffentlichen.
Kann man das Labor nicht trotzdem schließen – es stand ja viel in der
Kritik, auch wegen seiner Intransparenz. Woran scheitert es?
Das LPT erfüllt die rechtlichen Rahmenbedingungen. Das ist der Maßstab,
nach dem die Behörden urteilen, anders geht es nicht. Aber Sie sehen: Der
politische Wille ist ein anderer, nämlich auf solche Einrichtungen zu
verzichten. Das signalisieren wir ja mit dem Preis.
20.000 Euro alle zwei Jahre, das klingt nach nicht so viel.
Es ist ein wirksamer Anreiz, bei dem es ja nicht nur ums Geld, sondern auch
um wissenschaftliches Renommee geht. Würden wir mehr Geld in die Hand
nehmen, würde man fragen: Woher nehmt ihr das – aus dem Kita- oder
Senioren-Bereich? Aber 20.000 sind in diesem Bereich auch nicht wenig.
Gleichzeitig gibt der Staat viel größere Summen aus, um Unternehmen zu
fördern, die mit Tierversuchen arbeiten. Die Linke spricht von 2 Milliarden
Euro pro Jahr.
Das mag sein. Aber es gibt bestimmte Forschungen, die man zurzeit nur mit
Tierversuchen durchführen kann. Die Wissenschaft muss uns die Methoden
liefern, auf diese Forschungen zu verzichten. Da hat Hamburg jetzt den
Anfang gemacht mit dem Preis.
In Hessen gibt es einen solchen Preis schon. Ist Hamburg hinten dran?
Nein, wir sind gemeinsam Vorreiter.
17 May 2016
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Tierversuche
Tierschutz
Preise
Europäische Union
Reisen
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