# taz.de -- Hamburger Urteil: Neue Nachbarn zumutbar | |
> Das Hamburger Oberverwaltungsgericht gibt grünes Licht für Bau und | |
> Betrieb des Flüchtlingsquartiers in Klein Borstel. | |
Bild: Flüchtlinge willkommen: Das Gros der Anwohner in Klein Borstel ist für … | |
HAMBURG taz | Bei der Aufhebung des Baustopps für das Flüchtlingsquartier | |
in Klein Borstel durch das Hamburgische Oberverwaltungsgericht handelt es | |
sich zwar nicht um ein Grundsatzurteil, wohl aber um ein Urteil von | |
grundsätzlicher Bedeutung. „Es wird in der späteren Fachdiskussion eine | |
Rolle spielen“, sagt Anne Groß, Sprecherin des Oberverwaltungsgerichts. | |
Denn die Verfassungsmäßigkeit des neuen Sonderparagrafen 246 des | |
Baugesetzbuchs, der die sonst üblichen Bebauungsplanverfahren aushebelt, | |
bleibt weiter umstritten. | |
Dennoch hatte das Oberwaltungsgericht (OVG) am Mittwoch im Eilverfahren | |
beschlossen, dass die sogenannte Folgeeinrichtung „Am Anzuchtgarten“ gebaut | |
werden darf. Diese soll aus 13 zwei- bis dreigeschossigen Gebäuden für rund | |
700 Geflüchtete bestehen. Das Gericht befand, dass die vom Bezirksamt Nord | |
für zehn Jahre erteilte Bau- und Betriebsgenehmigung die Rechte der | |
Anwohner nicht verletze, da der gültige Bebauungsplan, der für das Areal | |
eine gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzung vorsieht, nicht zum Schutz | |
der Anwohner festgelegt worden sei. Das Bauvorhaben, das einer Wohnbebauung | |
gleichkäme, verstoße ebenfalls nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Denn | |
konkrete Auswirkungen wie spielende Kinder seien für die Anwohner zumutbar. | |
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) lobte das Urteil des Gerichts. Er habe | |
stets gehofft, die „gesetzgeberischen Innovationen, die der Bundestag zur | |
Bewältigung der Flüchtlingskrise beschlossen hat, auch tatsächlich anwenden | |
dürfen“, sagte Scholz. Er habe nicht glauben wollen, dass der neue | |
Expressbau-Paragraf, der auf Initiative Hamburgs ins Baugesetzbuch | |
aufgenommen wurde, nicht zur Anwendung komme. Dieser gibt der | |
Stadtentwicklungsbehörde und den Bezirksämtern die Möglichkeit, in gültige | |
Bebauungspläne einzugreifen. Doch mit diesem Aspekt hatte sich das OVG nur | |
peripher auseinandergesetzt.Ob der Expressbau-Paragraf verfassungskonform | |
sei, habe in diesem Verfahren keine Rolle mehr gespielt, so das Gericht. | |
Doch gerade darauf hatten in der Vergangenheit die Baustopp-Urteile des | |
Verwaltungsgerichts abgezielt. Das Gericht stellte es vielmehr infrage, ob | |
aus dem neuen Vorgehen generell das Recht abgeleitet werden könne, gültige | |
Bebauungspläne auszuhebeln. | |
Ob der Passus im Baugesetzbuch verfassungskonform sei, könnte laut | |
OVG-Sprecherin nun im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Nach einer | |
Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht ist dann auch eine Klage vorm | |
Bundesverfassungsgericht möglich. Bis dahin gehen laut Gerichtssprecherin | |
Groß aber sicherlich noch einige Jahre ins Land. | |
12 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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