Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pressefreiheit in der Türkei: Schuld hat stets der Journalist
> Angesichts der Verbote und der Zensur bleibt die derzeit wichtigste Frage
> in der Türkei: Was verheimlicht die Regierung?
Bild: Auch dieses Plakat des Fotografen Demir Soenmez vor dem Hauptquartier der…
[1][Yazının Türkçesi için lütfen buraya tıklayın.]
Die Geheimhaltung, an der sich die Regierung Erdoğan versucht, kann nur in
Zusammenhang mit der entscheidenden Frage verhandelt werden: Was hat sie zu
verbergen?
Seit vierzehn Jahren ist die AKP mittlerweile an der Macht. Und eines der
Probleme, die ihre Herrschaft mit sich bringt, sind die Barrieren, mit
denen sie versucht, Journalisten von Informationen fernzuhalten. Sie
beschneidet die Informationsfreiheit der Gesellschaft, in dem sie die
Berichterstatter behindert. Aber wozu?
Es geht um fragwürdige Geschäftsbeziehungen und schmutzige Verbindungen,
tödliche Fehler, finanzielle Interessen, die illusorische Fantasie eines
ungeteilten türkischen Einheitsstaates, sowie die unrechtmäßige
Kriegspolitik in den kurdischen Gebieten; all das sind Gründe für die
„Geheimhaltung“ und die Verweigerung von Information. Schlicht, die
Regierung verheimlicht alles, was ihr nicht passt.
Einiges, was sich in letzter Zeit in der Türkei ereignet hat, ist
symptomatisch für die Verschleierungspolitik. Interessant ist oftmals
besonders das, was unmittelbar nach der Reihe von Explosionen,
Selbstmordanschlägen und Massakern in der Türkei geschah.
## Wiederkehrender Mechanismus
Zuerst gibt es eine Explosion, dann werden das Internet und die sozialen
Netzwerke verlangsamt. Zuletzt wird eine Nachrichtensperre über die
Ereignisse verhängt. Die Türkei schreibt in letzter Zeit Geschichte als ein
Land, in dem die Nachrichtensperre noch vor der Ambulanz kommt. Dieser
Mechanismus war in Folge der Massaker und versuchten Massaker von
Diyarbakır, Suruç, Ankara und Istanbul stets auf gleiche Weise zu
beobachten.
Diese chaotischen Situationen sind für uns Journalisten, die wir uns
bemühen, unseren Beruf gemäß der Berufsrichtlinien auszuüben, nichts Neues
mehr. Wir haben uns schon fast daran gewöhnt. Wir versuchen trotzdem
herauszubekommen, was geschehen ist und die Gesellschaft über die Sache zu
informieren – trotz all der Widrigkeiten.
Was genau geschah in Reyhanlı, als im Mai 2013 in der Grenzstadt binnen 15
Minuten zwei Autobomben explodierten und mindestens 46 Menschen getötet
wurden?
Welche Ursachen haben im Mai 2014 zum Grubenunglück in Soma geführt, bei
dem nach offiziellen Angaben 301 Bergleute tot geborgen wurden? Und was
wurde unterlassen, um die vielen Todesfälle zu verhindern?
## Ironische Haltung
Was genau hat es mit dem Korruptionsskandal auf sich, in den der Präsident
verwickelt zu sein scheint, wie Telefongespräche vom Dezember 2013 zwischen
ihm und einem seiner Söhne belegen?
Wann wird die Nachrichtensperre über die Selbstmordanschläge von Ankara und
Suruç aufgehoben? Wann wir es endlich um die Wahrheit und den Willen zur
Wahrheit gehen?
Immer wenn wir Antworten suchen, kommen wir zu derselben Frage zurück: Was
verheimlicht die Regierung und warum?
Das Verschleiern von Themen von öffentlichem Interesse ist die eine Sache.
Wir erleben in der Türkei aber noch weitere sonderbare Entwicklungen.
Regierung und Staat zwingen Journalisten zu einer ironischen Haltung
gegenüber ihrem Beruf: ‚Bohr nicht nach, gib dich mit dem zufrieden, was
dir geboten wird, hals‘ dir keinen Ärger auf.'
In einem befremdlichen System, in dem nicht der Schuldige für schuldig
erklärt wird, sondern derjenige, der die Schuld aufdeckt, tasten wir uns
mühselig voran. Es gibt unzählige Beispiele.
## Schleier lüften
Wir sprechen von einer „Pressefreiheit“, bei der nicht diejenigen ins
Gefängnis kommen, die sich in der Haftanstalt Pozantı an Kindern vergingen,
sondern die Journalisten, die das aufdeckten.
Das Verbrechen ist nicht die Lieferung von Waffen an Dschihadisten, sondern
darüber zu berichten. Thema ist nicht der Polizist, der während der
Gezi-Proteste auf den damals 14-jährigen Berkin Elvan schoss, sondern das
Ermittlungsverfahren, das gegen den Journalisten angestrengt wurde, der
darüber berichtete. Und offenbar sind in diesem aufoktroyierten System auch
Katastrophen wie das Massaker von Ankara unwichtig. Sonst würde denjenigen
der Prozess gemacht, die den Anschlag nicht verhinderten, und nicht denen,
die diese Unterlassung dokumentierten.
Kurz, in der Türkei ist Journalismus schwierig. Leider gibt es keine
Berufssicherheit für die Journalisten, die inmitten dieser schmutzigen
Angelegenheit als eine Art „Codeknacker“ tätig sind. Trotz allem stellen
wir erneut jene Frage und wiederholen, dass wir gewillt sind, im Geist des
Journalismus weiterzuarbeiten: Was auch geschieht, wir werden die Schleier
lüften, mit denen ihr das Finstere verhängt!
3 May 2016
## LINKS
[1] /Bilgi-alma-oezguerlueue/!5299116
## AUTOREN
Erk Acarer
## TAGS
Pressefreiheit in der Türkei
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt AKP
Zensur
Soma
Reyhanli
Ankara
Istanbul
Gezi
Schwerpunkt Korruption
Berkin Elvan
Pressefreiheit in der Türkei
taz.gazete
Istanbul
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt Türkei
Gezi-Park
Schwerpunkt Türkei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pressefreiheit in der Türkei: Erkaufte Freundschaften
In den 80er Jahren wurde der türkische Medienmarkt privatisiert, die
Branche musste Profit machen. Das hatte auch Vorteile.
Bilgi alma özgürlüğü: Bütün suç gazetecide!
Yasak ve sansür „neyi gizliyorsunuz?“ sorusunu akla getiriyor. Türkiye'de
gazetecilik zor.
Anschlag in der Türkei: Tote und Verletzte in Istanbul
Weniger als eine Woche nach dem Anschlag in Ankara zündet ein
Selbstmordattentäter eine Bombe im Istanbul. Mindestens fünf Menschen
sterben.
Explosion in der Türkei: Autobombenanschlag in Ankara
Im Zentrum von Ankara hat es eine Detonation gegeben. Es gibt Dutzende Tote
und viele Verletzte. Die Ursache soll eine Autobombe gewesen sein.
Nach dem Grubenunglück von Soma: Überall nur Hilflosigkeit
Zwei Wochen nach dem Grubenunglück von Soma warten Hinterbliebene und
Überlebende auf Hilfe. Ein Bergmann klagt, er wisse nicht mehr weiter.
Nach dem Grubenunglück in der Türkei: 301 tote Kumpel
Die Suche nach den Opfern in Soma ist beendet. Die Wut auf die Regierung
Erdogan ist nach wie vor groß. US-Präsident Obama bietet seine Hilfe an.
Tod eines 15-Jährigen in der Türkei: Ein Gefühl der Hilflosigkeit
Mögen die, die für den Tod von Berkin Elvan verantwortlich sind, zum Teufel
gejagt werden. Möge die Türkei aufhören, jener Staat zu sein, der er ist.
Politische Krise in der Türkei: „Die Mutter aller Nachrichtenbomben“
Der Mitschnitts eines Telefonats zwischen Erdogan und seinem Sohn ist ein
Geschenk für die Opposition. Es befeuert den Wahlkampf.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.