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# taz.de -- Streit über Radio-Integration: Dresche für die Vorreiterformel
> Radio Bremen soll sich laut Bürgerschaft der „Integration von
> Flüchtlingen“ verpflichtet fühlen. Opposition unzufrieden, der Sender
> sagt: Alles nur Papier.
Bild: Hier bestimmt der Gesetzgeber, was gesendet wird: Das glaubte die „Fran…
BREMEN taz | Politiker geben gerne Anweisungen: „Die Angebote der Anstalt“,
heißt es etwa im neuen Radio-Bremen-Gesetz, „haben die besonderen Belange
von Migrantinnen und Migranten zu berücksichtigen.“ Die Anstalt, das ist
der öffentlich-rechtliche Sender, der zitierte Passus steht schon seit dem
Jahr 2008 da, jüngst allerdings ergänzt durch zwei Worte: „und
Flüchtlingen“. Zu unterstützen haben die Radio- und Fernsehleute demnach
also die „Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und
Flüchtlingen“.
Während der Medienausschuss der Bremischen Bürgerschaft darauf stolz war,
hier bundesweit eine Vorreiterrolle zu spielen, winkt Intendant Jan Metzger
trocken ab: Die Gesetzesänderung habe „im Ergebnis keine Konsequenz“,
erklärte er öffentlich. „Ein Gesetz gegen guten Journalismus“: So
kommentierte gleichwohl der örtliche Weser-Kurier die Neuerung – das Echo
auf eine kritische Äußerung der CDU: „Sie haben nicht verstanden, was in
ein Gesetz gehört und was regulär die redaktionelle Unabhängigkeit von
Journalisten bedeutet“, hatte der Abgeordnete Claas Rohmeyer Mitte März dem
Senat vorgeworfen. Die FAZ schlug eine Woche später bundesweit auf die
Trommel: „Ein eilends durchgepeitschtes Gesetz verordnet Radio Bremen, was
es senden soll“, empörte sich das Feuilleton.
Aber worum geht es im Kern? Als die Formel über die Migranten 2008 ins
Rundfunkgesetz geschrieben wurde, gab es deswegen keine Aufregung. Andere
Rundfunksender, etwa der WDR, haben sich in ihren Präambel-Grundsätzen dazu
verpflichtet, „das friedliche und gleichberechtigte Miteinander der
Menschen unterschiedlicher Kulturen und Sprachen im Land zu fördern und
diese Vielfalt in konstruktiver Form abzubilden“. Der gute Wille ist
erkennbar, solche Sätze verpflichten gleichzeitig zu nichts – und so stehen
sie nicht in Konkurrenz zu Grundsätzen der Pressefreiheit.
Der bremische Gesetzgeber wollte mehr – aber was? Zur Idee mit dem Zusatz
„und Flüchtlingen“ bekennt sich Mustafa Öztürk, der trotz seines eher
mäßigen Listenplatzes für die Grünen in die Bürgerschaft gekommen ist: dank
der persönlichen Stimmen, die nach dem Bremer Wahlrecht den Ausschlag geben
können. Nun sagen auch Kritiker aus der eigenen Partei, Öztürk sei in
besonderer Weise seiner Klientel verpflichtet – der er diese eher
symbolische Reform des Gesetzes gut „verkaufen“ könne. Im Ausschuss musste
Öztürk den Zusatz nicht weiter begründen: Der war vorher in der rot-grünen
Vorbereitung der Gesetzesnovelle hineingelangt und von der Senatskanzlei in
ihren Vorschlag übernommen worden.
## Auch die CDU machte mit
Zumal angesichts der späteren öffentlichen Reaktion bemerkenswert: Kein
CDU-Vertreter hat den Flüchtlingszusatz bei den Beratungen im Ausschuss
kritisiert. Aus dessen Sitzung vom 9. März sind mehr Aussagen überliefert,
wonach sich jemand dafür bedankt, eine zuvor schriftlich vorliegende
Stellungnahme nun auch mündlich vortragen zu können. Der Inhalt der
Neuformulierung interessierte offenbar niemanden – außer dem Intendanten.
Metzger kritisierte den Zusatz in drei Sätzen, bevor er sich andren Themen
zuwandte: Es gehe um die „Freiheit der Berichterstattung“, stellte er fest,
und dass sich der Zusatz „als Eingriff in die Rundfunkfreiheit“ verstehen
lasse – so wie auch schon die Formulierung mit den Migranten. Vor allem
aber sei die Weiterung „nicht notwendig“, so Metzger: Niemand habe ja die
Berichterstattung über Flüchtlinge von Radio Bremen kritisiert. Er sorge
sich, sagte er dann noch, dass „immer mehr“ Stichworte ins Gesetz kommen
könnten, die festlegen wollten, „wofür wir uns einzusetzen haben“.
Insgesamt klang die Stellungnahme des Intendanten etwas pflichtgemäß – er
ahnte offenbar, dass er die rot-grüne Koalition in dieser großen
Symbolfrage nicht würde bewegen können – zumal das Präsidium des
Rundfunkrates unter Vorsitz der SPD-Politikerin Eva-Maria Lemke-Schulte
auch dafür gewesen war.
Dass der Intendant die Sorge vor weiteren politischen Verpflichtungen
ansprach, war offenbar abgesprochen. Enzo Vial, Medienreferent des
Rathauses, der die Gesetzesnovelle formuliert hatte, rechtfertigte den
Flüchtlingszusatz: Dieser sei ein „starkes Signal, das dem Gesetz gut zu
Gesichte steht“. Gleichzeitig versicherte er, dass nun aber „nicht mit
jeder Novelle noch ein Modethema oben drauf kommt“. Intendant Metzger war
zufrieden. Schon der Anweisungstonfall des gewichtigen Satzes scheint
auszudrücken, wie sehr da mit viel Pathos heiße Luft bewegt wurde. Ja,
Bremens Gesetzgeber nimmt sich ernst – wer wollte das bezweifeln?
Viel mehr beschäftigte die Medienpolitiker anderes, das nun ins Gesetz kam:
So sollen die Mitglieder des entscheidenden Verwaltungsrates künftig
einschlägige juristische oder betriebswirtschaftliche Qualifikationen
haben. „Wir sind in einem Zweistädtestaat“, sorgte sich die
Rundfunkratsvorsitzende Lemke-Schulte, „das könnte schwierig werden,
entsprechende Mitglieder zu finden.“ Der Gesetzgeber hat vorsorglich
erlaubt, dass auch nicht-bremische Bewerber zugelassen werden sollen.
27 Apr 2016
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Radio Bremen
Integration
Konstruktiver Journalismus
Formel E
Philippinen
Japan
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