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# taz.de -- Streit über Dauercamper am Unisee: Occupy Blockland
> Die Dauercamper um Konrad Kunick sollen mal wieder den Platz räumen. Der
> Grund: 30.000 Euro Pachtschulden. Doch auch die Jugendverbände wehren
> sich.
Bild: Dieser friedliche Campingplatz wird gerade wieder mal zur besetzten Wagen…
Die Naturfreunde vom Unisee sind über Nacht wieder zu BesetzerInnen
geworden. Das kennen sie schon, zuletzt hielten sie ihr Refugium 2008
besetzt, bis sie den Platz schließlich regulär pachten konnten. Das ist nun
Geschichte: Zum 1. Mai, laut DGB der „Zeit für mehr Solidarität“, endete
für die 30 Dauercamper um Senator a. D. Konrad Kunick (SPD) der
Pachtvertrag mit der Wirtschaftsförderung Bremen. Die Stadt hatte dem
Verein gekündigt, nachdem 30.000 Euro Pachtschulden aufgelaufen waren.
Der Grund für den Zahlungsverzug: Ein großer Wasserschaden, der zunächst
unbemerkt geblieben war, hatte den Verein finanziell in die Bredouille
gebracht. Die Kosten für das Wasser und die Beseitigung der dadurch
entstandenen Schäden wurden beglichen, auf der Strecke blieb dabei die
Pachtzahlung von 2.375 Euro im Monat.
Gespräche zwischen der Wirtschaftsförderung Bremen und dem Verein blieben
ergebnislos: Die angebotene Stundung der Beträge wäre nach Angaben von
Kassenwartin Susanne Kröhl mit Zusatzkosten verbunden gewesen: „Monatlich
hätte dafür ein namhafter Betrag bezahlt werden müssen.“ Das sei nicht
infrage gekommen: „Bei uns leben die Leute auch nicht alle auf der
Sonnenseite“, sagt Kröhl. Manche hätten Schwierigkeiten, jeden Monat die
Miete aufzubringen.
Bei der Wirtschaftsförderung sieht man das etwas anders: Laut Sprecherin
Juliane Scholz seien Zahlungen aus einem verabredeten Tilgungsplan nicht
geleistet worden. Auch die Grünen, obwohl selbst Naturfreunde wie die
Dauercamper, vertreten in diesem Fall einen Law-and-Order-Standpunkt. Der
stellvertretende Fraktionssprecher Björn Fecker sieht es so: „Der Verein
nutzt unser Grundstück, also ist es ein Gebot der Solidarität, auch den
Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.“ Er sagt aber auch: „Ich bin der
Letzte, der den Verein dort vertreiben will.“
Ein weiteres Problem, das sich aus der Kündigung des Pachtvertrages ergibt,
muss ebenfalls noch gelöst werden: Der Campingplatz wird von vier
Jugendverbänden regelmäßig für ihre Aktivitäten genutzt. CVJM, Pfadfinder,
die Arbeiter-Samariter-Jugend und die AWO-Jugend veranstalten dort
Campingfreizeiten und Gruppentreffen. „Wohnortnahe Ferienmaßnahmen sind
sehr wichtig für junge Menschen“, sagt Nikolai Goldschmidt vom Bremer
Jugendring. „Der Standort ist ideal, weil er innenstadtnah und trotzdem in
der Natur ist.“
Vor allem für Jugendliche aus einkommensschwachen Familien, die keinen
Urlaub machen können und selten ins Grüne kommen, sei das ein wichtiges
Angebot. Und die Dauercamper stellen bislang ihre Infrastruktur wie
Sanitäranlagen, Kochgelegenheiten und Ansprechpartner zur Verfügung. „Wir
sind auf die Dauercamper angewiesen“, sagt Nikolai Goldschmidt, „zumal wir
unser Angebot in Zukunft weiter ausbauen wollen. Und wir haben mit den
Dauercampern eine gute Kooperation.“
„Ich weiß gar nicht, ob die Stadt sich das so richtig überlegt hat“, sagt
auch Susanne Kröhl: „Wenn wir nicht mehr da sind, dann gibt es auf dem
Platz nichts mehr. Kein Klopapier, keine Seife, keinen Rasenmäher und
keinen Teelöffel. Nichtmal mehr ein Tor gibt es dann, das gehört nämlich
auch uns.“
Beim runden Tisch, zu dem die Wirtschaftsförderung die Jugendverbände
eingeladen hat, sind die Camper nicht dabei. Susanne Kröhl glaubt trotzdem
an ein Happy End: „Ich bin ein zuversichtlicher Mensch. Das ist zwar alles
etwas schwierig, aber ich denke, das kriegen wir hin.“
2 May 2016
## AUTOREN
Karolina Meyer-Schilf
## TAGS
Jugendarbeit
Auto
Camping
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