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# taz.de -- Kommentar Cannabis-Urteil: Entspannung statt Schmerzen
> Das Urteil ist überfällig: Es zeigt die Gesundheitspolitik im Umgang mit
> Schmerzpatienten als von Vorurteilen und Misstrauen geprägt.
Bild: Ein Pflänzlein gegen die Schmerzen: medizinisches Cannabis
Dreißig Jahre hat sich ein Mann, dem die Multiple Sklerose seine
Gesundheit, seinen Job und seine Lebensträume genommen hat, durch alle
Gerichtsinstanzen gekämpft. Dreißig Jahre hat ein Mann, der aufgrund seiner
Krankheit regelmäßig das Gleichgewicht verliert, der seine Wörter beim
Sprechen entgleiten hört und der von spastischen Krämpfen geschüttelt wird,
sein Ziel nicht aus den Augen verloren: Zumindest die Schmerzen wollte er
auf ein für ihn aushaltbares Maß reduzieren dürfen.
Dank Cannabis, dem einzigen Stoff, der ihm aus ärztlicher Sicht
nachweislich hilft, und den er infolge einer verfehlten Gesundheitspolitik
– Medizinalhanf aus der Apotheke wird derzeit nicht erstattet – aus der
ökonomischen Not heraus selbst anbauen muss.
Einem unheilbar kranken Menschen in einer solchen Lebenssituation die
Kostenübernahme für das einzige Mittel zu versagen, das ihm das Leben
erträglicher macht, und ihm zugleich den Eigenanbau zu verbieten, das ist
nicht bloß zynisch. Es ist unvereinbar mit dem Grundrecht auf Achtung der
körperlichen Unversehrtheit. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in
Leipzig jetzt, nach 30 Jahren Rechtsstreit, klar gestellt.
Das Urteil ist so überfällig wie wegweisend. Es entlarvt die
Gesundheitspolitik im Umgang mit Schmerzpatienten als das, was sie
vielerorts immer noch ist: ein von Vorurteilen, Misstrauen und diffusen
Ängsten geprägtes Unternehmen – auch angesichts der Unfähigkeit mancher
politischer Verschwörungstheoretiker, zwischen illegalem Drogenkonsum und
dem sinnvollen Einsatz von Betäubungsmitteln zu medizinischen Zwecken zu
unterscheiden.
Zugleich stärkt das Urteil dem Kreis um Bundesgesundheitsminister Hermann
Gröhe (CDU) den Rücken, der spät, aber endlich erkannt hat: Cannabis für
Schwerkranke muss künftig von den Krankenkassen bezahlt werden. Gröhes
umstrittenes Cannabis-Gesetz muss jetzt vom Parlament fix auf den Weg
gebracht werden, will sich die Politik nicht endgültig blamieren und ihren
Job weiterhin den Gerichten überlassen.
Seinen großen Erfolg nach 30 Jahren Kampf konnte der schwerkranke Mann
übrigens nicht persönlich genießen. Im Gericht in Leipzig saß
stellvertretend für ihn seine Lebensgefährtin. Und das dürfte kaum daran
gelegen haben, dass der stolpernde, stotternde und schwer gestörte Mann auf
seiner heimischen, vermeintlichen „Rauschgiftplantage“ bekifft in der Ecke
lag.
7 Apr 2016
## AUTOREN
Heike Haarhoff
## TAGS
Cannabis
Gesundheitspolitik
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Medizin
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Kiffen
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