# taz.de -- Baustelle des Humboldt Forums II: Schokoladenseiten eines Schlosses | |
> Wie macht sich das monströse Gebäude im Stadtbild der Berliner Mitte? | |
> Eine Rundtour mit dem Fahrrad. | |
Bild: Wirkt größer als erwartet: Baustelle des Schlosses in Berlin | |
Wie nähert man sich einem Schloss? Die Berliner Schlosskopie kennt nur eine | |
Antwort: am besten nicht zu Fuß. Denn während der abgerissene Palast der | |
Republik noch ein menschelndes Maß hatte, macht sich das Schlossmonstrum in | |
der Berliner Mitte breit wie ein Wiener Schnitzel auf dem Teller. Alles, | |
was da sonst noch liegt, wird an den Rand gedrängt. | |
Am besten, man radelt mit dem Fahrrad ums Schloss herum, und am besten, man | |
kommt von Unter den Linden. Dann steht die Rekonstruktion des Architekten | |
Francesco Stella in der historischen Flucht – und wie immer geht es einem | |
in diesem Moment wie bei anderen Neubauten. Unweigerlich fragt man sich, | |
was das Auge zuvor gesehen hat. Das S-Bahn-Viadukt? Galeria Kaufhof? Kaum | |
ist der Rohbau fertig, macht er sich auch im Kopf breit wie ein Schnitzel. | |
Von Westen ist also Preußenblick angesagt: Nach dem Wiederaufbau der | |
Staatsoper in den fünfziger und des Prinzessinnenpalais und des | |
Kronprinzenpalais in den sechziger Jahren durch Richard Paulick wird mit | |
dem Schlossbau nun der Schlussstein gelegt. Mit Friedrich dem Großen im | |
Rücken lässt sich wieder gen Schloss schlendern. | |
Das genaue Gegenteil bekommt zu Gesicht, wer sich dem Schloss von Osten her | |
nähert. In der Karl-Liebknecht-Straße ist davon nicht viel mehr zu sehen | |
als die rudimentäre Kuppel – und die sieht mit ihren Stahlstreben auch noch | |
aus, als wäre das Schloss gerade erst abgebrannt. Den Rest verdecken die | |
Bäume des Marx-Engels-Forums. Ist das nun ein Sieg des Sozialismus über | |
eine preußische Replik? Oder sind die beiden gar nicht so und stellen sich | |
eher trotzig vor die einzige moderne Seite, die sich Stella erlaubt hat? | |
Von Osten sieht das Schloss nämlich aus wie der Rest von Mitte. | |
Wahrscheinlich steht auch deshalb ganz groß „Humboldt Forum“ auf dem Rohbau | |
geschrieben. Man muss sich ja unterscheiden. | |
Den besten Platz zum Schlossgucken haben die Touristen. Vorm Dom sitzen sie | |
im Domcafé und trinken Kaffee aus Domcafé-Bechern. Ganz schön | |
geschäftstüchtig ist das Domkirchenkollegium, schau mal einer an. Gut | |
möglich, dass der Dom auch noch ein Dachrestaurant bekommt. Das auf dem | |
Schloss hat der Bundestag jedenfalls schon beschlossen. Zwischen Humboldt | |
und Herrgott stünde es dann 1:1. Man macht sich halt so seine | |
Ostergedanken. | |
Aber auch ein Schloss hat nicht nur Schokoladenseiten. Rückseite ist | |
ausgerechnet die Südseite. Vor sich hat man nichts als Fassade. Schon hängt | |
an der Südfront eine Klinkertapete. Ockerbräunlich sieht sie mit den | |
stehenden Fenstern samt Fensterkreuz aus wie eine Straßenfront in | |
Prenzlauer Berg. Nur die Mutticafés fehlen. Kommt vielleicht noch. Können | |
ja nicht alle aufs Dach. Schon gar nicht mit dem Fahrrad. | |
28 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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