# taz.de -- Wiener Rabbiner über Potsdamer Streit: „Das ist fast wie Rufmord… | |
> Walter Rothschild kritisiert die Entscheidung seiner Rabbinerkonferenz, | |
> den Studenten Armin Langer wegen Kritik am Zentralrat zu strafen. | |
Bild: Ohne Absprache gehandelt? Henry Brandt, Vorsitzender der Rabbinerkonferen… | |
taz: Herr Rothschild, der Rabbinerstudent Armin Langer am Potsdamer | |
Abraham-Geiger-Kolleg, erhielt nach seiner Kritik am Zentralrat der Juden | |
ein Prüfungverbot. Zuvor soll Ihre Allgemeine Rabbinerkonferenz | |
disziplinarische Maßnahmen gegen Langer gefordert haben. Wie kam es dazu? | |
Walter Rothschild: Das wüsste ich auch gern. Wie kann der Vorsitzende der | |
Rabbinerkonferenz, Henry Brandt, in unser aller Namen sprechen, ohne uns zu | |
fragen? Ich konnte an der fraglichen Sitzung im November nicht teilnehmen. | |
Aber ich hätte gern gewusst: Gab es dazu eine Abstimmung? Warum wurde ich | |
nicht über die Entscheidung informiert? Ich habe vor einer Woche um ein | |
Protokoll der Sitzung gebeten, warte aber immer noch auf eine Antwort. | |
Muss die Rabbinerkonferenz solche Entscheidungen einstimmig treffen? | |
Nein. In besonderen Fällen kann es auch sein, dass der Vorsitzende | |
vorprescht und uns später informiert. Aber in diesem Fall lag keine solche | |
Dringlichkeit vor. Und ich hätte zumindest erwartet, dass man mich darüber | |
informiert. Mein Gefühl sagt mir deshalb, Rabbiner Brandt hat eigenmächtig | |
in unserem Namen gehandelt. | |
Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, behauptet, er hätte | |
auf diese Entscheidung keinen Einfluss gehabt. Ist das glaubhaft? | |
Wenn dem so ist, stellt sich die Frage, von wem die Initiative dann | |
ausging. Der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs, Rabbiner Professor Walter | |
Homolka, war auch nicht bei der Sitzung im November dabei. Aber er und | |
mehrere andere Mitglieder der Rabbinerkonferenz sind durch ihre Arbeit für | |
das Kolleg befangen. Die Rabbinerkonferenz wird komplett vom Zentralrat | |
finanziert. Umso mehr darf die Unabhängigkeit ihrer Entscheidungen nicht | |
infrage stehen. | |
Was wird Armin Langer denn eigentlich vorgeworfen – jenseits des | |
taz-Kommentars, für den er sich entschuldigt hat? | |
Gute Frage. Armin Langer ist schon in Budapest, wo er aufgewachsen ist, | |
angeeckt, weil er gegen die Regierung und offen schwul war. Dass er auch | |
hier für Kontroversen sorgt, ist keine Überraschung. Aber plötzlich heißt | |
es, er sei zu weit gegangen. Ich kann mir das nicht erklären, vielleicht | |
spielen auch persönliche Gründe eine Rolle. Er war Praktikant an unserer | |
liberalen Gemeinde in Wien und hat dort einen guten Eindruck gemacht. Und | |
von einem Tag auf den anderen erfahren wir, dass er aus dem Kolleg geworfen | |
wird? Das ist schlechter Stil. | |
Das Geiger-Kolleg behauptet, sein Engagement im jüdisch-muslimischen Dialog | |
habe keine Rolle gespielt. In internen Mails wurde dieser aber als „heikel“ | |
bezeichnet. Was meinen Sie? | |
Es gab schon vorher Kritik an ihm: Langer sei naiv und arbeite mit den | |
falschen Gruppen zusammen. Aber wer entscheidet, was die richtigen Gruppen | |
sind? Das Problem ist: Das Abraham-Geiger-Kolleg hat kein funktionierendes | |
Kontrollgremium, und das Procedere ist höchst fragwürdig. Normalerweise | |
müsste eine Person sich verteidigen dürfen. Es gibt auch kein | |
Berufungsverfahren und keinen studentischen Vertreter im wissenschaftlichen | |
Beirat. So hat man den Eindruck: Der Rektor entscheidet das eigenmächtig | |
und alle anderen nicken diese Entscheidung ab. Wo bleibt denn da die | |
Fairness? | |
Und inhaltlich: Wie bewerten Sie, dass Armin Langer dem Zentralratschef | |
Josef Schuster Rassismus vorgeworfen hat? | |
Ich teile seine Aussagen nicht. Aber ich verteidige sein Recht, gehört zu | |
werden. Er hat sich ja sogar entschuldigt. Und wenn Herr Schuster sagt, er | |
sei nicht beleidigt und habe keinen Einfluss auf die Entscheidung genommen, | |
dann frage ich mich: warum dann diese Überreaktion? Es hätte viele andere | |
Möglichkeiten gegeben, die weniger dramatisch sind als ein Rauswurf. Aber | |
wenn ihm die Rabbinerkonferenz die Fähigkeit zum Rabbiner abspricht, dann | |
ist das fast wie Rufmord. Denn Menschen entwickeln sich schließlich weiter. | |
10 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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