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# taz.de -- Kommentar Urteil gegen Sawtschenko: Putins Alptraum
> Putin macht sich klein, indem er sich mit der Kampfpilotin anlegt. Sein
> Problem: Noch schlimmer als eine lebende Sawtschenko ist eine tote.
Bild: Nadija Sawtschenko am Tag der Urteilsverkündung im südrussischen Donezk
Eine Quiz-Frage lautet: Wer ist Wladimir Putin? Die Antwort: ein russischer
Politiker zu Zeiten von Nadija Sawtschenko. Witze wie dieser, die dieser
Tage zuhauf im russischsprachigen Netz kursieren, dürften dem russischen
Präsidenten schwer im Magen liegen. Die Causa Sawtschenko ist wohl zu einer
persönlichen Angelegenheit von Putin geworden. Geplant war ein musterhafter
Schauprozess, der eine ukrainische Soldatin zur Strecke bringt, die „aus
Hass und Feindseligkeit“, so ein Richter am Montag, russische Journalisten
getötet hat. Geboren wurde jedoch eine ukrainische Jeanne d‘Arc.
Es fällt schwer, über den Sawtschenko-Prozess emotionslos zu schreiben.
Einen Gerichtsprozess, bei dem der Richterspruch Formulierungen enthält wie
Sawtschenko sei eine „typische Banderowka“ – Stepan Bandera wird vor allem
in der Westukraine als nationaler Held verehrt und in Russland als
Nazi-Kollaborateur verschmäht. Und ein Prozess in dem Russlands
Außenminister Sergej Lawrow das Verbot, dass ukrainische Ärzte die
Inhaftierte behandeln, damit begründet, dass diese sich unflätig den
Richtern gegenüber benommen hätte. Gemeint war der ausgestreckte
Mittelfinger, den Sawtschenko vor Gericht gezeigt hatte.
Die ukrainische Offizierin, Kampfpilotin, Abgeordnete der Werchowna Rada
und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ist am [1][Dienstag
von einem Gericht in Donezk in Südrussland zu 22 Jahren Lagerhaft
verurteilt worden]. Die Terroranschläge in Brüssel haben diese Nachricht
von den Seiten der globalen Medien verbannt. Die Organisation Human Rights
Watch (HRW) sprach von einem politisch motivierten und „unfairen“ Prozess.
Dass das Urteil in Wirklichkeit nicht in einem russischen Provinzgericht,
sondern in Moskau gefällt wurde, bezweifelt kaum jemand ernsthaft. Nicht
umsonst richten sich seit Wochen ungewöhnlich scharfe
Freilassung-Forderungen auf der höchsten Ebene direkt an den Kreml. Am
Mittwoch ist der Fall Sawtschenko Gesprächsthema zwischen dem deutschen
Außenminister Steinmeier, US-Außenminister Kerry und Lawrow in Moskau. Die
Welt drängt, Putin schweigt, Sawtschenko kämpft.
## Putin sollte Märchen lesen
Viel mehr als Finger, Kopf und Nieren steht Nadija Sawtschenko nicht zur
Verfügung. Sie hat angekündigt, nach dem Inkrafttreten des Urteils erneut
in einen verschärften Hungerstreik zu treten. Putin weiß, dass sie es ernst
meint. Sehr viel Zeit bleibt ihm deswegen nicht. Denn noch schlimmer, als
eine lebende Sawtschenko – frech, provokant, messerscharf – wäre eine tote
Sawtschenko. Ein Märtyrertod der Hoffnung (so Sawtschenkos Vorname ins
Deutsche übersetzt) wäre Putins Alptraum.
Der Streitkräfte-Befehlshaber eines der größten Länder der Welt muss
kapitulieren, weil er es nicht fertig gebracht hat, eine Frau in 20 Monaten
Haft klein zu kriegen. Man sagt Putin nach, er würde gern historische
Romane lesen. Er hätte lieber russische Märchen lesen sollen. Dann wüsste
er, dass die Wahrheit unbedingt ans Licht kommt und das Gute am Ende
gewinnt.
Aber vielleicht ist alles viel einfacher und Putin pokert nur. Der neueste
Witz aus Russland lautet: „Ach nee, Putin kann nicht sterben! - Warum denn
nicht? - Weil er keinen Nutzen davon hätte!“ Solange die Russen noch lachen
können...
23 Mar 2016
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[1] /Urteil-gegen-Ukrainerin-Sawtschenko/!5289489
## AUTOREN
Jarina Kajafa
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russische Justiz
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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