# taz.de -- Ermittlungen gegen Asylbewerber in Kiel: Falsche Panik um Übergrif… | |
> Die Empörung war groß: In Kieler Shoppingcenter Sophienhof sollten | |
> Asylbewerber Frauen per Handy fotografiert haben. Nun ist klar: Es gibt | |
> keine Aufnahmen. | |
Bild: Wenig los im Sophienhof: Securities bewachen das Kieler Shoppingzentrum. | |
HAMBURG taz | Die Vorwürfe gegen zwei Männer, Ende Februar drei junge | |
Frauen im Kieler Einkaufszentrum Sophienhof gegen deren Willen fotografiert | |
und gefilmt zu haben, sind haltlos. „Am Tag der Geschehnisse wurden keine | |
entsprechende Bilddateien auf den Handys der Beschuldigten angefertigt“, | |
sagte der Kieler Oberstaatsanwalt Axel Bieler. Das bisherige | |
Ermittlungsergebnis legt zudem nahe, dass das Ausmaß der Ereignisse | |
undramatischer ist, als bisher von der Polizei vermittelt wurde. | |
Der Fall hatte bundesweit für Wirbel gesorgt und an die Debatte um die | |
Übergriffe der Kölner und Hamburger Silvesterernacht angeschlossen. Die | |
Kieler Polizei hatte von massiven Belästigungen geredet und den Vorfall so | |
geschildert: Zwei 17-jährige afghanische Asylbewerber hätten drei junge | |
Frauen im Einkaufszentrum beobachtet, verfolgt und mit ihren Handys | |
gefilmt. Die belästigten Frauen hätten gesehen, wie die Männer „die Daten | |
augenscheinlich an Dritte verschickt“ hätten – woraufhin sich in kurzer | |
Zeit 20 bis 30 Männer mit Migrationshintergrund versammelt und die Mädchen | |
gemeinsam beobachtet, verfolgt und mit sexuellen Gesten belästigt hätten. | |
Schließlich hätte der Wachdienst die Polizei gerufen, die zwei mutmaßliche | |
Täter in Gewahrsam nahm. | |
Nun ist zumindest klar, dass es die Fotos und Videos auf den Mobiltelefonen | |
der Beschuldigten nicht gibt. Das ist peinlich für die Polizei – hatte der | |
schleswig-holsteinische Vizepolizeichef Joachim Gutt doch eine Woche nach | |
den Vorfällen im Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtages behauptet, | |
sie hätte die Fotos gefunden. Drei Tage darauf ruderte die Polizei zurück | |
und meldete, sie sei noch mit der Datenauswertung der Mobiltelefone | |
beschäftigt und könne über die Existenz der Videos und Fotos noch nichts | |
sagen. | |
## Polizei wertet 40.000 Handybilder aus | |
Mittlerweile ist klar, warum die Datensichtung so lange gedauert hat und | |
wie der Polizeilandesvize zu dem falschen und voreiligen Schluss kommen | |
konnte: Auf den Handys der beiden mutmaßlichen Täter waren insgesamt 40.000 | |
Bilddateien gespeichert. Viele davon waren Fotos, die aus dem sozialen | |
Netzwerk Facebook stammten. Die belästigten Mädchen dachten zuerst, sich | |
auf einigen davon wiedererkannt zu haben. Auch die ermittelnden BeamtInnen | |
hielten die Personen auf den Fotos für ähnlich. Im Nachhinein stellten die | |
Betroffenen dann aber fest, dass es sich doch nicht um Bilder von ihnen | |
handelte. | |
Über den vorschnellen und falschen Zwischenstand des Vizepolizeichefs sagte | |
der Sprecher des Landespolizeiamts Jürgen Börner, das sei zu dem Zeitpunkt | |
seiner Äußerung eben der Stand der Ermittlungen gewesen. „Weitere | |
Ermittlungen haben dann ergeben, dass keine Bilder der Opfer auf den Handys | |
waren.“ | |
Vor dem Innen- und Rechtsausschuss hatte der stellvertretende | |
Landespolizeichef auch eingeräumt, dass die Vorfälle sich als gar nicht so | |
dramatisch darstellten, wie die Kieler Polizei sie anfangs geschildert | |
hatte – in der Schilderung „fehlte wohl der eine oder andere Konjunktiv“, | |
sagte Gutt. | |
## Innenminister trägt zur Panikmache bei | |
Zur allgemeinen Panikmache hatte auch der schleswig-holsteinische | |
Innenminister Stefan Studt (SPD) beigetragen, der sich einen Tag nach dem | |
Vorkommnis geäußert und dafür extra einen anderen Termin abgesagt hatte. | |
Ursprünglich hatte der Minister den Ort Bimöhlen im Landkreis Segeberg | |
besuchen wollen, wo am Vortag ein Hubschrauber abgestürzt war. | |
Stattdessen trat er vor die Presse, um über den Sophienhof-Übergriff zu | |
sprechen. „Der Vorfall ist nicht hinnehmbar und stellt eine wahnsinnige | |
Belastung für die Mädchen und ihre Familien dar“, sagte Studt. „Ich bin | |
froh, dass wir sofort mit entsprechender polizeilicher und psychologischer | |
Hilfe haben helfen können.“ Sein ganzes Mitgefühl gelte den Betroffenen. | |
Auf taz-Anfrage wollte sich das Ministerium am Dienstag nicht zu der | |
übertriebenen Reaktion äußern. Als Grund gab ein Pressesprecher die noch | |
laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft an. | |
Nachdem der polizeiliche Teil der Ermittlungen nun abgeschlossen ist, prüft | |
das Landgericht jetzt, ob das Verhalten der zwei sogenannten Haupttäter, | |
der 17-jährigen Asylbewerber, einen Straftatbestand erfüllt. Einerseits | |
wird ihnen vorgeworfen, durch Gesten, Mimik und Sprüche die Mädchen | |
beleidigt und genötigt zu haben. Außerdem sollen sie Widerstand gegen die | |
PolizistInnen geleistet haben, die sie zur Wache brachten. | |
5 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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