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# taz.de -- Deutsche Ausgabe von „Zaman“: Weiter gegen Erdoğan
> „Zaman Deutschland“ will regierungskritisch bleiben – auch wenn das
> türkische Mutterblatt auf Staatslinie gebracht wurde.
Bild: Süleyman Bag mit einer in Berlin produzierten Ausgabe von „Zaman“ un…
In einem Redaktionsbüro mit acht Schreibplätzen arbeiten eine Redakteurin
und zwei Redakteure an ihren Texten für die Zaman Deutschland, als sei es
ein Tag wie jeder andere auch. Dabei wurde am vergangenen Freitag die
Mutterzeitung in der Türkei von der AKP-Regierung unter Zwangsverwaltung
gestellt und erscheint dort bereits unter demselben Namen als
regierungstreues Blatt. Auf der Titelseite der ersten Ausgabe ist
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan abgebildet. Er wird dafür gelobt, die
dritte Bosporusbrücke fertiggestellt zu haben.
Ganz anders die Aufmachung der ersten Ausgabe der Zaman Deutschland: „Sie
machen weder vor Frauen noch vor Kindern halt“, lautet die türkische
Schlagzeile. Darunter sind Fotos von dem Polizeieinsatz gegen die Zeitung
in Istanbul zu sehen. Tränengas liegt in der Luft. Eine Frau mit Kopftuch
blutet an der Stirn.
In einem kleinen Kasten auf der Titelseite informiert die Redaktion ihre
Leser darüber, dass Zaman Deutschland ihre Arbeit wie gewohnt fortsetzen
werde. Die Zeitung gehöre einem Medienunternehmen nach deutschem Recht an
und werde weiterhin die Stimme der Türken in Deutschland sein. Mit dem
Medienunternehmen ist die Worldmedia Group gemeint, eine Aktiengesellschaft
mit Sitz in Offenbach am Main. Dazu gehört neben der Zaman Deutschland auch
das Onlinenachrichtenmagazin Deutsch-Türkisches Journal. Dessen
Chefredakteur Süleyman Bağ war zehn Jahre lang Berlin-Korrespondent der
Zaman. Jetzt schreibt er Kolumnen für die Zeitung.
## Der Name „Zaman“ bleibt
Seitdem die Zeitung in Istanbul unter staatliche Aufsicht gestellt wurde,
fehlen der Deutschlandausgabe 70–80 Prozent des Inhalts, sagt Bağ. Diesen
großen Teil habe bislang die Berichterstattung aus der Türkei eingenommen,
die von der Hauptredaktion zugeliefert wurde. Der übrige Teil wurde von der
Berliner Redaktion mit Artikeln, Reportagen und Interviews ergänzt.
Zugearbeitet haben auch Korrespondenten in fünf anderen deutschen Städten.
Doch auch ohne die Hauptarbeit der Istanbuler Kollegen produzieren die
Berliner Mitarbeiter eine 16-seitige Zaman. Die Zeitung hat in Deutschland
rund 15.000 Print-Abonnenten. Seit Anfang dieses Jahres bietet sie auch
eine PDF-Ausgabe im Abonnement an. Diese Ausgabe beziehen knapp 20.000
Leser.
Auch wenn Zaman in der Türkei nunmehr ein weiteres Sprachrohr für Erdoğan
ist, sagt Süleyman Bağ, die Deutschland-Zeitung werde ihren Namen nicht
ändern und weiter gegen die Politik des „Autokraten Erdoğan“ anschreiben.
„Wenn ein Bandit Ihnen eine Ware klaut, dann bleibt es ja noch Ihre Ware.“
Die Zwangsverwaltung widerspreche türkischem Recht und internationalen
Vereinbarungen. Erdoğan dulde keine Opposition innerhalb des konservativen
Lagers der türkischen Gesellschaft und habe die Zaman deswegen zum
Schweigen gebracht.
Die Zaman gilt als eines der vielen Medienorgane der Gülen-Bewegung.
Fethullah Gülen war ein langjähriger Weggefährte von Recep Tayyip Erdoğan.
Seit etwa drei Jahren führen sie einen erbitterten Machtkampf. Die
türkische Regierung stuft den Prediger Gülen, der in den USA lebt, und sein
weltweites Netzwerk nun als Terrororganisation ein. Gülen werden von
Kritikern islamistische Bestrebungen nachgesagt.
In der Türkei haben die Mitarbeiter der Zaman bereits einen Tag nach der
staatlichen Übernahme eine eigene Zeitung veröffentlicht. Sie heißt Yarına
Bakış, zu Deutsch „Blick auf morgen“.
Inwieweit Zaman Deutschland und Yarına Bakış künftig zusammenarbeiten
werden, sei noch völlig offen, sagt Chefredakteur Dursun Çelik. Sicher sei
aber: Die 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Deutschland müssten sich
keine Sorgen machen, dass sie ab jetzt Erdogan-freundlich berichten
müssten. Sie haben deutsche Arbeitsverträge.
10 Mar 2016
## AUTOREN
Kemal Hür
## TAGS
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Schwerpunkt Türkei
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