# taz.de -- Anschläge in der Türkei: „Boshaft und heimtückisch“ | |
> Auf den Anschlag von Ankara ist ein Angriff in der Provinz Diyarbakir | |
> gefolgt. Die Regierung beschuldigt die PKK, diese dementiert. | |
Bild: Spurensuche in Ankara | |
Istanbul taz | „Lanet Olsun“, „Verdammt, schon wieder“, titelt Hürriye… | |
Donnerstag angesichts des neuerlichen Anschlags in Ankara am Mittwochabend. | |
Wieder gibt es etliche Tote und Verletzte, doch anders als bei dem Anschlag | |
auf die Friedensdemonstranten im Oktober ist das Attentat am Mittwochabend | |
eine „Bombe ins Herz des Staates“, wie Cumhuriyet schreibt. | |
Tatsächlich könnte der Ort des Attentats kaum symbolischer sein. Mitten im | |
Regierungsviertel, unweit vom Parlament, dem Hauptquartier des Militärs und | |
dem Sitz des Ministerpräsidenten werden durch eine Autobombe zwei Busse des | |
Militärs getroffen, die Soldaten und andere Militärangehörige nach ihrem | |
Dienst zurück in einen Wohncompound des Militärs transportieren sollten. | |
„Die Explosion war gewaltig, der Knall war in ganz Ankara zu hören“, | |
zitiert Hürriyet einen Anwohner. Die beiden Militärtransporter brannten | |
komplett aus, 28 Menschen starben weitere 61 wurden teils schwer verletzt. | |
Indes ist am Donnerstag ein Militärkonvoi im Südosten der Türkei von einer | |
Explosion erschüttert worden. Mindestens sechs Soldaten sollen getötet | |
worden sein, es gebe auch Verletzte, hieß es aus Kreisen des Militärs. Die | |
Explosion habe sich auf der Straße zwischen Diyarbakir und dem Bezirk Lice | |
ereignet. | |
Am Donnerstagmorgen verbreiten die beiden regierungsnahen Medien Yeni Safak | |
und Sabah erste Erkenntnisse aus dem Ermittlungsstand der Polizei zum | |
Anschlag in Ankara. Danach hätten die Ermittler Fingerabdrücke in dem | |
Tatwagen gefunden, die von einem syrischen Mann stammen sollen, der, wie | |
schon bei dem Attentat auf deutsche Touristen in Istanbul, als Flüchtling | |
registriert sein soll. | |
Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bestätigte wenig später diese Meldungen. | |
Ein syrischer Kurde, der mit der PKK in der Türkei zusammenarbeite, sei der | |
Täter von Ankara. Die PKK bestreitet allerdings, den Anschlag verübt zu | |
haben. „Wir wissen nicht, wer das war“, sagte der Militärführer der PKK, | |
Cemil Bayik, der PKK-Agentur Firat, „es könnte aber sein, dass der Anschlag | |
eine Vergeltung für die Massaker in Cizre und den anderen Städten im | |
Südosten sind“. Auch die DYP, die Partei zu der die mit der PKK verbündete | |
syrische YPG gehört, dementiert im Fernsehsender IMC, dass sie mit dem | |
Anschlag etwas zu tun habe. | |
## Ein wütender Präsident | |
Schon am Mittwochabend war die vorherrschende Meinung, dass dieses Mal | |
nicht der „Islamische Staat“ (IS), sondern die syrisch-kurdischen | |
Volksbefreiungsbewegung YPK und die türkisch-kurdischen PKK-Guerilla hinter | |
dem Anschlag stecken würden. | |
Zwar sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Regierungssprecher | |
Numan Kurtulus, man wisse noch nicht, wer für den „niederträchtigen, | |
boshaften und heimtückischen“ Anschlag verantwortlich sei, aber die | |
Regierung schickte dennoch nur wenige Minuten nach dem Attentat bereits | |
Kampfbomber in den Nordirak um dort Camps und Stellungen der PKK zu | |
bombardieren. | |
Wenig später erschien ein wütender Präsident Erdogan auf den Bildschirmen | |
und sagte, „nach diesem Angriff auf unsere Nation werden wir von unseren | |
Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch machen und Täter und Hintermänner des | |
Attentats im In- und Ausland zur Verantwortung ziehen“. Noch in der Nacht | |
fand im Präsidentenpalast eine Sitzung des Sicherheitskabinetts mit den | |
Spitzen des Militärs statt. Erdogan sagte eine für heute geplante Reise | |
nach Aserbaidschan ab, Ministerpräsident Ahmet Davutoglu cancelte seinen | |
Auftritt beim EU-Gipfel in Brüssel. | |
## Seit Wochen umkämpft | |
Offenbar geht die Regierung davon aus, dass das Attentat in Ankara eine | |
Reaktion von PKK und YPG auf die Angriffe auf die kurdische YPG in | |
Nordsyrien ist. Außerdem gehen Armee und Polizei seit Anfang Dezember | |
letzten Jahres mit großer Härte gegen die PKK und ihre Unterstützer im | |
Südosten des Landes vor, wo kurdische Militante mehrere Orte zu befreiten | |
Zonen erklärten, die sie anschließend mit Gräben und Barrikaden | |
abschotteten. | |
In der kurdischen Großstadt Diyarbakir wird in der Altstadt seit mehr als | |
zwei Monaten gekämpft. Nach letzten Meldungen sollen sich dort über 200 | |
Militante in ein ein Tunnel-und Kellersystem zurückgezogen haben, gegen die | |
die Armee nun vorgeht. Bereits vor zehn Tagen hatten Sicherheitskräfte in | |
Cizre bei der Erstürmung eines ähnlichen Kellersystems wahrscheinlich 60 | |
Menschen erschossen. | |
Seit knapp einer Woche beschießt die türkische Armee von der Grenze bei | |
Kilis nun Kämpfer der syrisch-kurdischen YPG, die dort nach Osten in | |
Richtung Euphrat vordringen. Im Windschatten der massiven Angriffe | |
syrischer Assad-Truppen nördlich von Aleppo nutzt die YPG die Schwäche der | |
von der Türkei unterstützten dortigen sunnitischen Rebellengruppen und | |
versucht, eine Lücke zwischen zwei Kantonen entlang der türkischen Grenze | |
zu schließen, was die türkische Regierung unbedingt verhindern will. | |
Der Anschlag von Mittwochabend dürfte nun dazu führen, dass die türkische | |
Armee die Angriffe auf die YPG intensiviert. Dabei besteht die Gefahr, dass | |
es zu einem erneuten Zusammenstoß mit Assad-Truppen oder der russischen | |
Luftwaffe kommt, falls die Türkei ihrerseits Kampfflugzeuge nach Syrien | |
schickt. | |
18 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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