| # taz.de -- Jugendtanzmusik in der DDR: Uuuuuuh! | |
| > Die Caufner-Schwestern schrieben in den späten Siebzigern ein kleines, | |
| > glitzerndes Kapitel Popgeschichte: Disco auf Deutsch – in der DDR. | |
| Bild: Die Single „Komm doch“ der Caufner-Schwestern wurde rund 5.000 mal ge… | |
| Bitte wer? Die Caufner-Schwestern? Jörg Stempel schlürft den Schaum vom | |
| Latte macchiato und zieht eine Augenbraue hoch. „Da hatten andere in der | |
| DDR aber größeren Einfluss.“ Holger Biege zum Beispiel oder die Gruppe | |
| Kreis. | |
| Natürlich kann man das so sehen wie Stempel. Er hat in den Achtzigern den | |
| Absatz bei Amiga geleitet, der Unterhaltungsabteilung des VEB Deutsche | |
| Schallplatte. Amiga hatte das Staatsmonopol auf Tonträger, und Jörg Stempel | |
| war dabei, wenn City, Silly, Karat oder die Puhdys dort ihre Alben | |
| einspielten. | |
| Man könnte aber auch sagen: Genau dort, im Studio B von Amiga in der | |
| Brunnenstraße, nur ein paar hundert Meter von diesem Café in Berlin-Mitte | |
| entfernt, schrieben drei junge Frauen 1978 Discogeschichte. Wenn auch nur | |
| ein sehr kurzes Kapitel. | |
| „Komm doch“ hieß der einzige Hit der „Caufner-Schwestern“ – und er w… | |
| zugleich das einzige Disco-Synthie-Stück, das je in der DDR veröffentlicht | |
| wurde. Und dann auch noch auf Deutsch. Eine absolute Rarität, denn auch im | |
| Westen tanzte man zwar zu deutscher Discomusik aus Münchener Produktion, | |
| die Texte jedoch, ob von Boney M. oder Donna Summer, waren in der Regel in | |
| englischer Sprache verfasst. Nicht so nur bei der eigentlich schlagernden | |
| Oldenburgerin Su Kramer (“Hier ist das Leben“, 1975) – und den ostdeutsch… | |
| Caufners: | |
| Komm doch (uuuh!) – oh bitte komm doch baldKomm doch (uuuh!) – sonst wird | |
| mein Herz noch kaltKomm doch (uuuh!) – ich will ja nicht erfrier’nFeuer | |
| brennt so heeeeeiiiiiß | |
| Eigentlich schrieben sich die Caufner-Schwestern mit K. Das C, „das war | |
| meine Idee“, sagt Isa Kaufner, „das sah schöner aus als das spitze K.“ | |
| Reporter empfängt sie eigentlich nicht mehr so gern, seit sie sich vor | |
| dreieinhalb Jahren mit Freund und Katze nach Niedersachsen zurückgezogen | |
| hat. Aufs Land. Als die Super-Illu vor ein paar Jahren eine Geschichte für | |
| ihre Serie „Was aus uns geworden ist“ machen wollte, hatte sie abgelehnt. | |
| Nun empfängt sie doch, zur Begrüßung hat sie sich ein lila Tuch um den Kopf | |
| gewickelt und bittet in einen großen, seltsam ungenutzten Raum im | |
| Souterrain des Hauses. Es gibt fast keine Möbel, dafür ist eine Längsseite | |
| verspiegelt. „Meine Kreativwerkstatt“, sagt sie. | |
| Sie waren zu fünft gewesen, daheim in Rostock – Ilona, Iris, Juliane, Isa | |
| und Irina, in order of appearance. Sie sangen schon als Kinder gern, beim | |
| Abwaschen und dreistimmig unterm Weihnachtsbaum. Sie räumten bei | |
| Gesangswettbewerben ab, lernten Blockflöte und Klavier, Juliane sang im | |
| Schulchor und trat im Kabarett auf, Isa besuchte eine Tanzgruppe und sang | |
| in Kirchen Lieder von Joan Baez. Der Vater, Mathematik- und | |
| Geschichtslehrer, setzte sich manchmal ans Klavier oder „schrummelte auf | |
| der Gitarre“, die Mutter starb früh. | |
| ## Evergreens in Rostocker Bars | |
| Mit 14 sang Isa in ihrer ersten Band, den Baltics; mit 16 stand sie Nacht | |
| für Nacht mit dem Evergreen Sextett in Rostocker Bars, sang bis um vier Uhr | |
| morgens Hits von Cher und ging um acht wieder zur Schule. | |
| Juliane fuhr mit einer ihrer ersten Bands, den Freddys, zum Kulturaustausch | |
| nach Finnland. Nach dem Abitur 1969 spielte sie mit dem Warnow-Sextett – | |
| und ihrem späteren Mann Klaus-Peter „Biene“ Albrecht – im Kulturhaus von | |
| Heringsdorf auf Usedom für Urlauber. | |
| „Mit Juliane hatte ich in der Zeit überhaupt nichts am Hut“, sagt Isa und | |
| wirft einen Blick in den Garten zu ihrer Katze, die sich nicht in den | |
| Spiegelraum traut. | |
| Zwischen den beiden herrschte „immer auch ein bisschen Konkurrenz“, so | |
| wiederum erinnert sich ihre Schwester Juliane. Sie und ihr Mann Biene | |
| wohnen heute in einem Eigenheim in Kaulsdorf, einem Berliner Stadtteil mit | |
| Vorortcharme. Eine hohe Hecke umgibt den Vorgarten, der Wohnzimmerboden ist | |
| weiß gekachelt. Der Kamin in der Mitte des Raumes verrät, dass das hier | |
| einmal eine Backstube war. Man nimmt Platz auf einem cremefarbenen Sofa, | |
| Kaffee und eine Pyramide aus Ferrero Rocher hat Biene schon bereitgestellt. | |
| Es war ausgerechnet der Staat, der die Schwestern seinerzeit wieder | |
| zusammengeführt hat, die DDR: Gleichzeitig, aber nicht gemeinsam hatten sie | |
| sich beim Zentralen Studio für Unterhaltungskunst in Berlin beworben. Dort | |
| konnten sie den „Berufsausweis als Sänger“ erwerben, den ProfimusikerInnen | |
| in der DDR brauchten, wenn sie offiziell auftreten wollten. Mit Erfolg, | |
| beide erhielten ein Jahr lang Klavier-, Tanz- und Schauspielunterricht. | |
| Isa war dort eigentlich zusammen mit einer Freundin als Duo eingeschrieben, | |
| doch die beiden zerstritten sich, und das Schicksal nahm seinen Lauf: Weil | |
| die Schulleitung unbedingt den Plan erfüllen wollte, drängte sie | |
| schließlich die beiden Schwestern, ihren Abschlusssong im Duett zu singen. | |
| Isa und Juliane setzten einen Song der Supremes durch. Und von da an sangen | |
| die beiden Schwestern ein knappes Jahrzehnt lang gemeinsam – zuerst, ab | |
| 1973, in der College Formation, gegründet von Absolventen der | |
| Musikhochschule Hanns Eisler und der Musikschule Friedrichshain. Ähnlich | |
| wie bei Abba, stoßen bei den Kaufner-Schwestern die beiden Ehemänner dazu. | |
| Juliane da reinzuholen, „das war meine Idee“, sagt Isa. „Genau wie die | |
| Caufner-Schwestern meine Idee waren.“ | |
| Die College Formation begann mit Soul und entdeckte dann den Jazz. Der | |
| spätere City-Sänger Toni Krahl sang James Brown, Juliane begeisterte sich | |
| für Tina Turner und Aretha Franklin, Isa für Janis Joplin. | |
| „Julianes Stimme war ja viel zu nett dafür“, sagt Isa mit einem spöttisch… | |
| Schnauben. | |
| Die College Formation spielte in Studentenclubs, Kulturzentren und | |
| Hotelbars, bei Pressefesten und für die Soldaten der NVA, meistens aber auf | |
| Werksbühnen. Die Betriebe der DDR erhielten Geld aus einem staatlichen | |
| Kulturfonds; wenn sie Konzerte veranstalten wollten, fragten sie bei der | |
| ebenfalls staatlichen Konzert- und Gastspieldirektion (KGD) nach, der | |
| staatlichen Künstlervermittlung, bei der alle Bands und SängerInnen | |
| registriert waren. | |
| „So hatte man als Musiker immer zu tun“, erzählt Juliane, während ihr Mann | |
| Biene in einem Schrank nach alten Zeitungsschnipseln und Autogrammkarten | |
| kramt. | |
| Als sich College 1976 auflöste, waren die Kaufners längst draußen. Sie | |
| interessierten sich bereits mehr für Disco und den Phillysound, wie ihn | |
| Barry White verkörperte. Der Rest der Band fand das kommerziell. Es hatte | |
| Querelen gegeben, zwischen Isa und der Band, zwischen Isa und ihrem Mann, | |
| zwischen Isa und Juliane. | |
| Trotzdem ließ sie beide der Gedanke nicht los, dass sie als singende | |
| Schwestern in eine Marktlücke stoßen könnten. „Die Vision war immer da“, | |
| sagt Isa, „es war eigentlich naheliegend.“ Also rauften sie sich zusammen | |
| und holten Schwester Iris mit ins Boot, die allerdings recht schnell wieder | |
| ausstieg. Und Schwester Irina, die jüngste. Sie alle zusammen gründeten die | |
| Caufner-Collection, englisch ausgesprochen. | |
| Als Trio tourten sie schließlich mit etwa zwanzig Coversongs durch die DDR | |
| der Siebziger: Überall wurden Wohnungen gebaut, die wirtschaftlich | |
| schwierigen Nachkriegszeiten waren überwunden – es durfte gefeiert werden, | |
| und die Schwestern mittendrin. Nicht mehr dabei bei der Party: Wolf | |
| Biermann, der 1976 ausgebürgert wurde. | |
| Isa hatte die tiefste Stimme, sie war die Leadsängerin und sang auch die | |
| meisten Soli. „Für mich war das super, so hatte ich immer zwei | |
| Backgroundstimmen“, erinnert sich Isa und zupft ihr Kopftuch zurecht. | |
| ## Familien-Disko im Fernsehen | |
| Die Armeerundschau, ein Unterhaltungsheft für Soldaten, veröffentlichte | |
| seinerzeit ein Porträt der drei. „Eine erfolgreiche Funk- oder | |
| Plattenproduktion würde uns populärer machen, als es hundert Auftritte | |
| erreichen!“, zitierte die Reporterin im gestelzten DDR-Verlautbarungssound | |
| Isa Kaufner. Kurz nach Erscheinen des Artikels meldete sich das | |
| DDR-Fernsehen. Dort war gerade die Sendung „Familien-Disko“ angelaufen, | |
| aber das Konzept mit wechselnden Schauspielern funktionierte nicht recht. | |
| Die Schwestern verhandelten lange und hart. Sie wollten nicht nur | |
| moderieren, sondern auch singen. Ein eigenes Lied pro Sendung setzten sie | |
| durch. Im Gegenzug mussten sie ihren Namen ändern, Anglizismen waren im | |
| DDR-Fernsehen verpönt, Caufner Sisters ging erst recht nicht – schon wegen | |
| der Jacob Sisters, die mit ihren Pudelschlagern im Westen Erfolg hatten | |
| (und aus Sachsen stammten). | |
| Man einigte sich schließlich auf Caufner-Schwestern, 1977 ging es los. | |
| Wieder erhielten sie Tanz- und Ballettunterricht. Sie hatten einen | |
| Choreografen, der schon Nina Hagen gedrillt hatte. Um sie an die Kamera zu | |
| gewöhnen, „haben sie uns übern Alex gescheucht, damit wir Leute | |
| interviewen“, erinnert sich Juliane und lacht. | |
| In den Hörfunkstudios in Berlin-Rummelsburg nahmen sie die Playbacks für | |
| die Sendungen auf. „Komm doch“ war ihr erstes eigenes Lied. Isa schrieb die | |
| Texte, ihr zweiter Mann die Musik. „Ich hatte den Anspruch, dass es | |
| amerikanisch klingt, nicht deutsch. Und es sollte nicht so platt sein, dass | |
| es dir die Schuhe auszieht. Fraulich, nicht mädchenhaft“, betont Isa. | |
| „Komm doch“ steigt direkt mit Synthesizer und Rhythmusmaschine ein, | |
| erinnert an Boney M., Amanda Lear oder Baccara – doch dann ertönen die | |
| Stimmen der Caufner-Schwestern: | |
| Komm doch (uuuh!) – es ist kein Weg zu weitKomm doch (uuuh!) – man träumt | |
| sehr gut zu zweit | |
| Isas Stimme kratzt ein wenig vor, markant-heiser, nicht so glatt wie bei | |
| Abba. | |
| Komm doch (uuuh!) – ich trag mein schönstes KleidWill dich finden | |
| heeeeeeeut | |
| Gleich nach der Ausstrahlung im DDR-Fernsehen nahmen sie „Komm doch“ ein | |
| zweites Mal auf: bei Amiga. Das war unkompliziert, war der Text doch | |
| bereits durch die Zensur beim Rundfunk gegangen. Songtexte wurden in der | |
| DDR zum Teil von Mitgliedern des Politbüros persönlich in Augenschein | |
| genommen, bevor sie veröffentlicht wurden. Und auch an „Komm doch“ hatten | |
| die Kontrolleure tatsächlich etwas auszusetzen. Ursprünglich hatte Isa | |
| nämlich „Sonst wird mein Bett noch kalt“ gedichtet. „Es sollte ein bissc… | |
| sexy sein, ein bisschen Stakkato, nicht so nett“, erklärt Isa. Nicht nett | |
| genug am Ende für die Zensur, die Passage wurde geändert. | |
| Und doch waren die Zeiten, in denen Kulturpolitiker Musikplanung vor allem | |
| als Abwehrschlacht gegen westlich-dekadenten Einfluss begriffen hatten bei | |
| der Veröffentlichung von „Komm doch“ längst vorbei. Ulbrichts Diktum von | |
| der „Monotonie des Yeah Yeah Yeah“ war nur noch ein fernes Echo. In den | |
| Fünfzigern und Sechzigern hatte die Führung noch versucht, dem Rock ’n’ | |
| Roll und dem Twist eigene Tänze entgegenzusetzen: den Lipsi und den Orion. | |
| Ohne Erfolg. | |
| „Was in war und aus dem Westen kam, hat man zwangsläufig versucht | |
| nachzumachen“, erinnert sich Isa. Und Disco war in den Siebzigern so was | |
| von in. Trotzdem wurde „Komm doch“ nur etwa 5.000 Mal gepresst, schätzt der | |
| ehemalige Amiga-Mann Jörg Stempel. Das war das Minimum für eine Single, von | |
| einer zweiten Auflage weiß er nichts. LPs starteten mit höheren Auflagen, | |
| mal mit 15.000, mal mit 25.000 Stück. Offizielle Charts gab es in der DDR | |
| nicht. Nur Amiga kannte die Verkaufszahlen. Doch die „Familien-Disko“ | |
| machte die Caufner-Schwestern auf einen Schlag in der ganzen DDR bekannt. | |
| Die Platte lief im Radio und in den Discos. „Wir wurden rumgereicht, | |
| tausend Interviews, mir tat schon das Gesicht weh vom vielen ‚Cheese‘ “, | |
| erzählt Isa. | |
| Drei Jahre dauerte der Rummel. Die Schwestern nahmen eine zweite Single | |
| auf, „Lass dieses He“. Sie traten bei Fernsehsendungen wie „Ein Kessel | |
| Buntes“ auf, bei „Moment mal!“ und bei „Rund“. Sie tourten als „Drei | |
| unterwegs“ mit einer eigenen Show durch die DDR, sie sangen beim | |
| Schlagerwettbewerb „Goldener Orpheus“ in Bulgarien und tourten 1980 | |
| anlässlich der Olympischen Spiele in Moskau 80 Tage lang durch die | |
| Sowjetunion, sie sangen in Kiew, Minsk und Riga. Im Karl-Marx-Theater von | |
| Havanna spielten sie vor 16.000 Zuschauern. | |
| Doch parallel bastelte Isa bereits an ihrer Solokarriere, auf der | |
| Sowjettour verteilte sie eigene Autogrammkarten. Juliane bestand darauf, | |
| dass sie sich entscheiden müsse. Das tat Isa dann auch. „Ich bin ich“ hieß | |
| ihr erster Solo-Hit. | |
| Juliane und Irina veröffentlichten zu zweit noch die Single „Man weiß ja | |
| nie“ und tourten weitere drei Jahre durch die DDR, dann zog sich auch Irina | |
| aus dem Musikbusiness zurück. | |
| ## Siebzehn Jahre nach „Satisfaction“ | |
| Juliane und Biene Albrecht blieben der Branche verbunden – und wirkten mit | |
| an der Veröffentlichung der ersten offiziellen Rolling-Stones-Platte der | |
| DDR, siebzehn Jahre nach „Satisfaction“. Die Stones und die DDR, das ging | |
| eigentlich gar nicht. Sex und Drogen durfte man nicht preisen, auch nicht | |
| auf Englisch. Aber Anfang der Achtziger wagte Amiga es dann doch. Zuvor | |
| bedurfte es jedoch einer Unbedenklichkeitserklärung bezüglich der Texte. | |
| Die aber zu diesem Zweck erst einmal übersetzt werden mussten. Biene | |
| schanzte seiner Frau Juliane den Auftrag zu, 60 Mark bekam sie dafür. „Und | |
| dann saßen wir da und haben versucht, diesen Text zu verbiegen“, erzählt | |
| Biene. Schlüpfrige Passagen interpretierten sie so harmlos wie möglich, und | |
| wenn es um Drogen ging, ließen sie auch mal ein Wort weg. 1982 | |
| veröffentlichte Amiga schließlich eine Stones-„Kopplung“ mit ihren größ… | |
| Hits. | |
| Nicht viel später stellte Isa Kaufner ihren Ausreiseantrag und wurde | |
| schlagartig nicht mehr engagiert. Eine TV-Sendung mit ihr wurde hastig aus | |
| dem Programm genommen, noch am selben Tag. Künstlerverträge ließ man | |
| auslaufen, die Party war zu Ende: Ein Rundschreiben erging an alle | |
| KGD-Zweigstellen, alle Veranstaltungen, alle Produktionen mit Isa Kaufner | |
| seien unverzüglich zu stornieren. Biene bekam das Schreiben bei Amiga in | |
| die Hände. „Das war Rufmord“, sagt er. Vier Jahre ging das so. Befreundete | |
| Künstler gingen auf Distanz, Isa Kaufner lebte vom Ersparten und kleinen | |
| „Mucken“, bis sie endlich ausreisen durfte. | |
| Auch Juliane bekam nun zu spüren, dass ihre Schwester in Ungnade gefallen | |
| war: „Ich hatte weniger zu tun.“ Ihren eigenen Ausreiseantrag begründete | |
| sie später mit dem Argument der Familienzusammenführung, „das ging | |
| schneller“. Im Westen arbeitete sie dann beim Sender Freies Berlin (SFB), | |
| Biene beim Rias, dem Vorläufer des Deutschlandradios. Musik machten sie | |
| jetzt nur noch nebenbei, mit der Band Country Delight. | |
| Isa hatte keine Lust, wieder Klinken zu putzen, keine Lust mehr auf das | |
| ständige Lampenfieber. Zusammen mit ihrer Tochter führte sie ein paar Jahre | |
| lang ein Kosmetik- und Nagelstudio. Das letzte Mal gesungen hat sie auf der | |
| Hochzeit ihrer Tochter. Halbplayback. Ab und zu überweist die GEMA noch ein | |
| paar Cent Tantiemen für „Komm doch“. In ihrer „Kreativwerkstatt“ rollt… | |
| manchmal die Leinwand aus und zeigt den Nachbarn aus Niedersachsen ihre | |
| alten Auftritte. Juliane hat sie dort noch nie besucht. | |
| Country Delight spielen beim „Papenrode CountryFest“ oder beim | |
| Baumblütenfest in Werder an der Havel, aber auch in Kopenhagen und | |
| Innsbruck waren sie schon. Im Schnitt stehen sie nur noch etwa einmal im | |
| Monat auf der Bühne – auch weil sie nicht nur für ein paar Getränkemarken | |
| auftreten wollen. | |
| Irina starb 2010 an Krebs. Amiga gehört heute zu Sony, ins Studio B in | |
| Berlin-Mitte ist ein Optiker gezogen. Die „Familien-Disko“ ist heute | |
| komplett verloren. Bänder waren knapp, und vieles, was einmal ausgestrahlt | |
| war, wurde mit der nächsten Aufzeichnung überspielt. „Wenn das | |
| DDR-Fernsehen keine Mitschnitte mehr hatte, dann hat sie keiner“, sagt die | |
| Dame vom Deutschen Rundfunkarchiv in Babelsberg am Telefon. | |
| Es ist, als hätte es die Sendung nie gegeben. Wahrscheinlich sind auch | |
| Lieder bei der Löschung vernichtet worden. Wie viele es gab, weiß keiner so | |
| richtig. Juliane erinnert sich an ein Stück namens „Mister Disko“. Für ei… | |
| kleine LP hätte es vielleicht gereicht. Doch zumindest bei YouTube lebt | |
| „Komm doch“ weiter: Ostalgiker und Hipster hieven das Lied auf abseitige | |
| Playlisten. | |
| Komm doch (uuuh!) – oh bitte komm doch baldKomm doch (uuuh!) – sonst wird | |
| dein Traum noch altKomm doch (uuuh!) – und lass uns nicht erfrier’nHalt | |
| mich – komm doch! | |
| „Eigentlich habe ich mit der Zeit damals gar nichts mehr zu tun“, sagt | |
| Juliane Kaufner, die schon lange Juliane Albrecht heißt und in | |
| Berlin-Kaulsdorf lebt. „Das Vergangene ist vergangen, ich schaue lieber | |
| nach vorn. Es erinnert mich auch daran, wie lange das alles schon her ist.“ | |
| Doch Isa Kaufner, mit der sie sich nie einig war, widerspricht aus dem | |
| Souterrain ihres niedersächsischen Einfamilienhauses: „Für mich ist das wie | |
| gestern.“ | |
| 21 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Kastner | |
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