# taz.de -- Die Wahrheit: Die große Sprechwurst | |
> Sprachkritik: Immer schön dick Modalwörter in die Rede packen, das ist | |
> dann eben ja so eine Füllmasse, die die Information verbal sinnlos | |
> anreichert. | |
Bild: Es geht um die Wurst: Garantiert sie weiter „für“ Liberalität? | |
„Es sei ja aber doch noch gar nichts entschieden gewesen“, soll Uli Hoeneß | |
laut seinem Biografen Christoph Bausenwein einmal geklagt haben, als noch | |
nichts entschieden war und weil Flickwörter (vulgo: Modalpartikel) ja schon | |
auch sinnvoll sind: halt als Mittel, das die Kommunikation irgendwie | |
geschmeidiger macht, zugleich auch für Bedeutungsnuancen sorgt und eine | |
Meinung dann ja aber doch noch gar nicht so entschieden, sondern mehr so | |
unverbindlich wirken lässt. | |
„Sprachkürze gibt Denkweite“, lautet ein Aphorismus von Jean Paul, und was | |
das für Sprachlänge heißt, ist hier jetzt mal nicht das Thema. Vielmehr | |
geht es nun eher schon darum, deutsche Sätze zu lobpreisen, weil sie wie | |
eine große Wurst sind, in die man jede Menge Wörterzutaten hineinpressen | |
kann, auch wenn die zwar gar nicht notwendig sind, aber eben möglich, und | |
das sogar doppelt gemoppelt: „Schon in den siebziger Jahren konnte man mit | |
Spekulationen auf Lebensmittelpreise schon richtig groß absahnen“ (taz). | |
Oder wenn bereits eine zeitliche oder logische Folge ausgedrückt wird und | |
dann trotzdem das modische Wörtchen in den Satz muss, dann ist das auch | |
erlaubt: „Am 21. April 1948 dann begann die Hagana mit der Eroberung Wadi | |
Salibs“ (taz); mehr aus der Gegenwart berichtet das Göttinger Tageblatt | |
über eine Galerie, die eine Serie von Ausstellungen ankündigt und weiß, was | |
„zum Abschluss dann“ gezeigt wird – nur „dann zum Abschluss dann“ wä… | |
besser gewesen. | |
Wahrscheinlich bedeutet „dann“ als Modalwörtchen nicht mehr „dann“, so… | |
ist halt mehr so eine leere Sprachhülse, eben ein verbales Sozialgeräusch, | |
sonst hätte Fußballtrainer André Tulsen es nicht prima finden können, „da… | |
es dann jetzt ein Buch über Fabian Boll gibt“ (St.-Pauli-Kicker). | |
„Du musst es dreimal sagen“, riet Goethes Mephistopheles. Es wenigstens | |
zweimal zu sagen, lautet über 200 Jahre „später dann“ (taz und viele | |
andere) das Gebot der Redundanz. Leider geschieht das manchmal ziemlich | |
unauffällig: „Vermutlich brächte eine Klage wohl wenig konkreten Ertrag“, | |
schreibt die taz über die NSA-Affäre. „Trotzdem aber“ (Spiegel) kann man�… | |
vermutlich wohl merken; besonders wenn jemand spricht, wie ihm der eigene | |
Schnabel gewachsen ist: „Man sägt doch nicht den eigenen Ast ab, auf dem | |
man sitzt“, verteidigte sich einst die CDU-Scheckkassiererin Brigitte | |
Baumeister, und das ZDF weiß: „Die Schalker haben es in der eigenen Hand“, | |
im Fußball-Europapokal weiterzukommen – wenn es wenigstens die eigenen Füße | |
wären! | |
## Mehraufwand, nach Überflüssigem zu durchforsten | |
Explizit machen, was implizit sich von selbst versteht, kann, auch das | |
versteht sich doch ja wohl von selbst, ein Stilmittel sein. Zwar fällt ein | |
Zuviel schon mal unter das Verdikt des unangebrachten Mehraufwands, aber | |
eigentlich ist es doch so, dass es im Gegenteil einen ziemlichen | |
Mehraufwand bedeutet, einfach jeden Satz dann nach irgendwie Überflüssigem | |
durchforsten zu müssen. Bescheide man sich also damit, dass es hier nun mal | |
„zwei diametral einander entgegengesetzte Auffassungen“ (taz) gibt, und | |
akzeptiere, dass der eine das Erbgut „aus“ einer Hautzelle entnimmt, die | |
andere etwas auf jemandes Betreiben „hin“ tut, „bei“ der Nazi-Kneipe die | |
Scheiben eingeworfen werden, Merkel „für“ einen liberalen Kurs garantiert | |
und in Christian Krachts „Imperium“-Roman „Engelhardt und Lützow schnell | |
zueinander eine innige Seelenverwandtschaft verspürten“ statt mit jemand | |
anderem – um „ein paar wenige“ (taz) Beispiele zu geben. | |
Ebenso wenig unnötig sind natürlich auch die deiktischen Elemente, die im | |
Text auf Vorangegangenes oder Folgendes verweisen und deshalb zum Beispiel | |
Haupt- und Nebensatz demonstrativ verketten. „Weil sie die | |
NS-Erziehungsgrundsätze ablehnte, deshalb hatte Anna 1936 als | |
Kindergärtnerin aufgehört“ (taz), oder auch: „Was das Thema Griechenland | |
angeht, da hält er einen Grexit für die sauberste Lösung“ (taz). Darum ist | |
ja auch gar kein Zeitungleser „verblüfft darüber“, wie redundant in seinem | |
Blatt formuliert wird: Statt der „Frage, ob“ wird die „Frage danach, ob“ | |
gestellt; „rät“ man „dazu, Problemwölfe abzuschießen“, hatte jemand … | |
begonnen, antike Diamanten zu verkaufen“; und ein Fußballer „bestritt 205 | |
Spiele und erzielte dabei 42 Tore“ statt beim Kirchgang. | |
Zwar könnte man die einen Nebensatz ankündigenden Pronominaladverbien wie | |
„dazu“, „darauf“, „darüber“ einsparen. Aber Wörter leiden wie War… | |
doch ganz entschieden an einer Überschussproduktion und müssen „von“ daher | |
egal konsumiert werden. „Noch vor wenigen Monaten war Sabine unschlüssig | |
darüber, wo sie hinziehen soll“, heißt es auf ZDF Info; „Wir, das Wahlvol… | |
sind dazu entschlossen, die Lüge zu wählen“, kommentiert sarkastisch die | |
taz. „Wenn man mir die Frage nach der Berufswahl stellte, habe ich darauf | |
geantwortet, ich wolle später Tierarzt werden“, sagt der Protagonist in | |
„Karte und Gebiet“, der deutschen Fassung eines Romans von Michel | |
Houellebecq. Das steht ganz sicherlich bestimmt zugleich auch so im | |
französischen Original! | |
19 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Peter Köhler | |
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