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# taz.de -- Bremer Mercedes-Mitarbeiter vor Gericht: Wilde Streiks bleiben verb…
> Das Bremer Arbeitsgericht hat Klagen gegen Abmahnungen von
> Mercedes-Mitarbeitern abgewiesen. Die fordern weiter ihr Recht auf
> Streik.
Bild: Routinierter Protest: Solidaritätskundgebung für die Abgemahnten im Som…
BREMEN taz | Eine Niederlage vorm Arbeitsgericht haben am gestrigen
Dienstag 30 Mercedes-Mitarbeiter erlitten. Geklagt hatten sie, weil sie von
ihrem Arbeitgeber, dem Bremer Daimler-Werk, Abmahnungen wegen eines „wilden
Streiks“ erhalten hatten – aber vor allem, um durchzusetzen, dass Streiks
auch ohne Legitimierung durch eine Gewerkschaft erlaubt sein sollten. Dafür
wollen sie zur Not bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
ziehen.
Hintergrund ist die Arbeitsniederlegung von über 1.000
Daimler-Beschäftigten am 11. Dezember 2014: Sie streikten aus Protest gegen
die Auslagerung von Arbeitsplätzen in der Logistiksparte. In den Wochen
zuvor war es deswegen bereits zu mehreren Protestaktionen gekommen.
Mobilisiert hatten dazu Teile des Betriebsrates und des
Vertrauensleutekörpers der zuständigen Gewerkschaft IG Metall (IGM). Bloß:
Zu keiner der Aktionen hatte die IGM selbst aufgerufen – und ohne
Gewerkschaftsaufruf und laufende Tarifverhandlungen sind Streiks verboten.
Deswegen sprach die Werksleitung 761 Angestellten Abmahnungen für ihren
„wilden Streik“ aus. 30 von ihnen klagten dagegen und beantragten die
Entfernung des Makels aus ihren Personalakten. Sowie: eine Erklärung des
Konzerns, künftig keine Abmahnungen oder Kündigungen auszusprechen wegen
Arbeitsunterbrechungen aufgrund der Fremdvergabe von Jobs im
Daimler-Logistikbereich.
Vor allem dieser Unterlassungsantrag sei wichtig, erläuterte Benedikt
Hopmann, einer der vier Kläger-AnwältInnen: „Es geht uns ja vor allem um
die Aufhebung des Verbots verbandsfreier Streiks – die Unterlassungsklage
fordert dieses Recht ein und erlaubt uns, das Verfahren so weit wie möglich
weiterzuführen.“
Die Kläger streben nicht weniger an als eine einschneidende Reform des
deutschen Streikrechts und berufen sich dabei auf die Europäische
Sozialcharta (ESC). Denn die sehe ein Streikrecht für jedermann – auch ohne
Gewerkschaftsbeschluss – vor. „Auch in Frankreich sind politische Streiks
erlaubt“, sagt Kläger-Anwältin Gabriele Heinecke. Die Richterin, sagte sie
nach der Urteilsverkündung, habe „leider die Zeichen Europas nicht
erkannt“.
In der Tat fiel das Urteil nicht nur schnell, sondern schien von Anfang an
festzustehen: Denn bereits zur Eröffnung der Verhandlung verwies die
Vorsitzende Richterin auf das deutsche Streikrecht einerseits sowie auf die
ESC, nach der es vor dem Streik Verhandlungen zwischen ArbeitnehmerInnen
und ArbeitgeberIn hätte geben müssen, was sie aber nicht habe erkennen
können. Und genau damit begründete sie dann auch die Abweisung der Klage.
Mit den Vertretern der Vertrauenskörperschaft habe es Verhandlungspartner
gegeben, argumentierte die KlägerInnen-Seite, aber Daimler habe stets, auch
schriftlich, betont, dass es sich bei der Fremdvergabe um eine „einseitige
Unternehmensentscheidung“ handle, Verhandlungen also unerwünscht seien.
Die IGM habe das mitgetragen und die KollegInnen im Stich gelassen. „Das
individuelle und kollektive Recht auf freie Meinungsäußerung kann doch
nicht davon abhängig gemacht werden, ob es ein formelles
Verhandlungsangebot oder eine Gewerkschaft im Hintergrund gibt“, sagte
Heinecke. Das Problem müsse mit der Gewerkschaft gelöst werden, „nicht auf
Kosten der ArbeitgeberInnen“, erwiderten die Daimler-VertreterInnen. Es
könne nicht sein, dass ein rechtsfreier Raum für die Angestellten
geschaffen werde.
Unter Buhrufen verkündete die Vorsitzende Richterin das Urteil, „aber noch
enttäuschter bin ich darüber, dass weder jemand von der Gewerkschaft noch
einer der Betriebsratsvorsitzenden heute hier war, um uns zu unterstützen“,
sagte einer der KlägerInnen. Nichtsdestotrotz wollen sie weitermachen: Ihre
AnwältInnen haben bereits Berufung angekündigt.
16 Feb 2016
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Arbeitskampf
Streikrecht
Wilder Streik
Schwerpunkt Frankreich
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