| # taz.de -- Pop aus Mannheim: Die Qual des Ausgeliefertseins | |
| > Ein abgründiges Kaleidoskop menschlicher Miseren malt Konstantin Gropper | |
| > alias Get Well Soon in seinem neuen Konzeptalbum „Love“ aus. | |
| Bild: Man sieht ihm die Misere geradezu an. | |
| Heidelberg, Stadt der Romantik: Wo kann man sich besser zum Interview | |
| verabreden, um über ein Popalbum mit dem größenwahnsinnigen Titel „Love“… | |
| sprechen? Auch wenn die Ortswahl einen profanen Grund hat: Konstantin | |
| Gropper, Wahl-Mannheimer seit einigen Jahren, probt hier mit seiner Band | |
| für die Tour, die im März beginnt, im Gepäck sein viertes Album. | |
| Seit seinem Debüt „Rest now, weary head! You will get well soon“ 2008 gilt | |
| Gropper als einer der talentiertesten Songschreiber des Landes. Man sieht | |
| ihn als Spezialisten für cineastischen Melancholiepop mit gelegentlichen | |
| Rock-Ausflügen, der einem Vergleich mit dem Briten The Divine Comedy oder | |
| den frühen Radiohead standhält. | |
| Nun also „Love“, ein schwieriges Thema, an dem sich schon so mancher | |
| Künstler die Finger verbrannt hat. Gropper hat dagegen keinerlei Scheu und | |
| nennt etwa die Pet Shop Boys als Einflussgröße. Die beiden Briten waren es | |
| auch, die das Wort „Love“ einst um das vieldeutige „etc.“ ergänzten. | |
| Gropper, 33, schwarze David-Lynch-Haartolle, antwortet nach kurzer | |
| Bedenkzeit: Liebe sei ein „Riesenthema und eine Herausforderung“, aber auch | |
| „eine Eingebung“. Es gehe ihm darum, „Perspektiven zum Komplex zu | |
| recherchieren“, nicht aber um Bekenntnislyrik: „1:1-Tagebuchtexte mag ich | |
| nicht“. | |
| Gut so. Denn mit seiner Herangehensweise ist ihm in der Tat ein abgründiges | |
| Kaleidoskop menschlicher Miseren gelungen, die er in euphorische, | |
| orchestral inszenierte Melodien verpackt, kurz: schwelgerische Popmusik. Da | |
| hüpft das verliebte Herz und befürchtet sein Zerbrechen. | |
| Im Video zum Titelsong „It’s love“ mit einprägsamen Chorus geistert Udo | |
| Kier in einer Rolle als dandyhafter Fritzl-Klon durch den Vorstadtbungalow | |
| und kredenzt seiner Geisel Jakobsmuscheln. Der Text suggeriert ein | |
| unromantisches Entjungferungsszenario und die Qual des Ausgeliefertseins: | |
| „It’s love and I can’t get rid of it.“ In der hübsch-zerbrechlichen, v… | |
| einer Gitarre getriebenen Ballade „33“ klagt Gropper „Love ist an awful | |
| enemy“. Er habe viel nachgedacht über die Liebe als „Angstgegner“ bei | |
| Frauen ab Mitte 30: „Da ist so viel Druck. Die biologische Uhr trifft ja | |
| Frauen viel direkter als Männer. Das ist definitiv sexistisch.“ | |
| ## Ein Keller in Mannheim | |
| Das prunkvolle „Marienbad“ endet vollkommen desaströs: „All we have is l… | |
| and with all our love we’ll drown“. Den für den Song titelgebenden | |
| Alain-Resnais-Film, Inspirationsquelle genau wie „Annie Hall“ und die | |
| Linklater-“Before After Sunrise“-Reihe, bezeichnet er als schöne Synonyme | |
| für Herzschmerz: „Alles ist total verwirrend, aber es sieht hervorragend | |
| aus.“ | |
| Apropos Aussehen: Das Cover zeigt ein Jagdmotiv des Biedermeier-Malers | |
| Friedrich Gauermann: Drei Bären fressen ein totes Reh. Die Bildsprache | |
| passt zu Gropper, der froh ist, „so eine unmodische Musik“ zu machen: | |
| „Trends hinterherlaufen hört sich für mich immer wie anbiedern an.“ Er | |
| braucht keine Szene, um kreativ zu sein. Sondern nur seinen Keller in | |
| Mannheim, in dem er einem Eremiten gleich vor sich hinwerkelt: „Für | |
| Inspirationssuche gehe ich in den Wald und nicht nach Berlin-Mitte.“ | |
| Gropper lobt die „No-Bullshit-Atmosphäre“ seines Wohnorts, in den er wegen | |
| des Jobs seiner Frau nach einem Intermezzo in Berlin zog. Er preist die | |
| Vorteile seiner als „Arbeiterstadt“ geltenden neuen Heimat: „Ich sehe mich | |
| eher als Arbeiter denn als Boheme.“ Dass er in Mannheim auch die | |
| Popakademie absolvierte, sollte nicht unerwähnt bleiben. Das erklärt auch | |
| Groppers Produktivität: Vier Soloalben, einige Soundtracks – zuletzt eine | |
| Handvoll mondäner Songs zu „Böhmermann und Schulz“ mit Kat Frankie –, | |
| unzählige EPs, 2014 etwa die großartige Trilogie aus „The Lufthansa Heist�… | |
| „Henry – The Infinite Desire of Heinrich Zeppelin Alfred von Nullmeyer“ u… | |
| „Greatest Hits“, hat er in kurzer Zeit veröffentlicht. | |
| Funktioniert das so gut, weil sein Schaffensprozess einer Zeile aus „33“ | |
| entspricht? Da singt er von einem Fleischer: „A butcher, so solid, so | |
| grounded, so craftsman“. Gropper nickt: „Ich muss nicht auf die Muse | |
| warten.“ Er habe eine nüchterne Einstellung zu dem, was er tue. Und er ist | |
| jemand, dessen Leben in geordneten Bahnen abläuft. Wo Musik nach einem | |
| neun-bis-fünf-Uhr-Rhythmus entsteht (“Auch mal neun bis drei Uhr“, räumt … | |
| grinsend ein), bis sein dreijähriger Sohn aus dem Kindergarten kommt. Große | |
| Kunst ohne Exzentrik, dafür mit grundsympathischem Understatement: „Ich | |
| habe mich stets mehr als Produzent denn als Performer gesehen.“ Ach wo! Im | |
| „Love“-Video performt er erfreulich selbstironisch: Als Laubbläser-Spieße… | |
| den Udo Kier aus seinem Vorgarten verscheucht. | |
| 13 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Annette Walter | |
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