# taz.de -- Die Wahrheit: Magermilch für Kaffee-Nazis | |
> Neues aus Neuseeland: Es tobt ein Glaubenskrieg im Land der langen weißen | |
> Wolke. Fettfrei oder nicht? Das ist hier die Frage. | |
Bild: So drei, vier Monate Pause zwischen Dir und mir und dann sehen wir weiter. | |
Draußen in der Welt toben Kriege. Doch bei uns gibt es zurzeit nur eine | |
Schlacht. Die geht um die Milch. Nein, nicht wegen der berechtigten Frage, | |
ob die übermächtige Milchwirtschaft weiter Flüsse und Seen verpesten darf. | |
Es geht um Explosiveres. Und noch nie war ich als | |
Möchtegern-Kriegsreporterin dem Schützengraben so nah. Denn das | |
Laktose-Dramolett spielt sich quasi vor meiner Tür ab, in der „Lyttelton | |
Coffee Company“. | |
„LCC“ ist das berühmte Szene-Café in meinem Wohnort, das es vor fünf Jah… | |
zu einer Erwähnung in „Was scheren mich die Schafe“ brachte. In dem | |
ansonsten nicht weiter beachtenswerten Standardwerk für Neuseeland-Newcomer | |
schrieb die mit mir identische Autorin leichtfertig, wie sehr sie den Laden | |
ins Herz geschlossen habe, und lockte damit Touristen ins Hafenviertel von | |
Christchurch. Zitat: „An der Espressomaschine wird herumgewirbelt, als sei | |
es das Pult eines DJs. Die Baristas sind die Superstars unter den | |
Dienstleistern und verströmen das Flair ferner Metropolen. Sie sind hip und | |
immer gut drauf.“ | |
Tja. So kann man sich irren. Das muss für die nächste Auflage aktualisiert | |
werden. Denn so richtig „gut drauf“ ist in der nach dem Erdbeben | |
wiederauferstandenen Tränke nicht jeder. „Grumpy“ trifft es eher, was einem | |
in dem geschmackvoll renovierten Loft atmosphärisch oft entgegenschlägt, | |
und die Musik ist für meine alten Ohren definitiv zu laut. | |
Aber der größte Affront für manche Besucher ist der hingekritzelte Zettel | |
am Tresen: „Don’t do trim eh.“ – „Trim“ ist die Abkürzung für fet… | |
Milch, und „eh“ ist ein unübersetzbarer Kiwi-Laut. Der soll der Belehrung, | |
nicht kalorienarm zu trinken, Lässigkeit verleihen. Darunter noch eine | |
Zeile: „Your fooling ya self anyway.“ Man betrüge sich eh nur selbst. Eh. | |
[1][So begann „Trimgate“.] Der eigentliche Skandal ist zwar die | |
katastrophale Rechtschreibung, aber nicht für meine Mit-Kiwis. Kunde König | |
stieß auf, dass das Café aus Prinzip nur Vollfett- statt Magermilch zum | |
Kaffee anbietet. Nachdem die Lokalpresse das Thema aufgriff, wurde der | |
Sturm in der Latte-Tasse viral. Ein Glaubenskrieg begann, der das ganze | |
Land mitriss: Nur Banausen und Idioten würden fettfrei ordern, denn kein | |
Kaffee schmecke damit, behaupteten die Kenner. Auch Baristas schlugen | |
zurück: Wer einen guten Kaffee zapfen kann, schaffe das selbst mit | |
Sojaplörre. Das Wort „Coffee Nazi“ fiel. Als die Milch überschäumte, gri… | |
die Online-Postille Vice den Kaffeekrieg aus Aotearoa auf. Und das | |
Fernsehen war live vor Ort. | |
LCC-Betreiber Stephen Mateer, der die Bohnen selber röstet und die Biomilch | |
direkt vom Bauern bezieht, will mit seiner Haltung vor allem | |
Plastikflaschenmüll vermeiden. Magermilch sei außerdem ein minderwertiges | |
Lebensmittel. In Lyttelton spalten sich jetzt die Fronten. LCC-Fans | |
bekunden ihre Solidarität. Eine stillende Mutter ließ sich im Café | |
ablichten, stellte das Bild auf Facebook und verkündete: „Don’t do trim | |
either“: Bei ihr gibt’s auch nur Vollfett. Babys auf den Barrikaden – es | |
wird ernst! | |
11 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.stuff.co.nz/life-style/food-wine/76429139/christchurch-cafes-cal… | |
## AUTOREN | |
Anke Richter | |
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