Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Leiden, Mythen, Himmelsstürmungen
> Filmfestspiele Heute startet die 66. Berlinale und gibt sich diesmal mit
> „Das Recht auf Glück“ ein Oberthema. Um sich im Programm orientieren zu
> können, geben unsere Filmexpert_innen vorab einige Empfehlungen
Bild: „Chamissos Schatten“ DEU 2016, R: Ulrike Ottinger
„A Lullaby to the Sorrowful Mystery“ von Lav Diaz
Ein Berlinaletag ist schon mal gerettet: An diesem Donnerstag läuft der
philippinische Wettbewerbsbeitrag mit dem Titel „A Lullaby to the Sorrowful
Mystery“ (Hele Sa Hiwagang Hapis) im Berlinalepalast. Der Film beschreibt
den Leidensweg einer Frau, die die Leiche ihres Mannes, eines historischen
Befreiungskämpfers, sucht. Lav Diaz, einer der großen Exzentriker des
Weltkinos, lässt sich und ihr dafür im Film eine Menge Zeit: 485 Minuten.
Zuzüglich einer Stunde Pause sind das gut sieben Stunden. Der Film beginnt
morgens um halb zehn; wenn wir das Kino verlassen, wird es bereits dunkel
sein. Wir werden es nicht bereut haben. (18. 2., 9.30 Uhr, Berlinale Palast
(D, E); 19. 2., 10 Uhr, Haus der Berliner Festspiele (D, E)) Lukas Förster
Ulrike Ottingers Riesenlangfilm „Chamissos Schatten“
Die Logbücher des Dichters Adelbert von Chamisso und anderer Weltreisender
des frühen 19. Jahrhunderts im Gepäck, erkundet die Filmemacherin Ulrike
Ottinger in ihrem ethnologischen Reisebericht, wie Fischer und
Rentierjäger, die Nachfahren der Ureinwohner und Zugewanderte heute am Rand
des Nordpazifik entlang der sibirischen bzw. der amerikanischen Küsten der
Bering-See leben. Im Fluss der gelassenen Naturaufnahmen werden die
historischen Expeditionsberichte wieder lebendig, in Alltagsbegegnungen
fragt die faszinierende Studie nach dem Überleben der animistischen
Traditionen und der Ursprachen in einer von Kolonialinteressen und den
politischen Systemen gezeichneten Grenzregion. (Drittes Kapitel:
Kamtschatka und Bering-Insel: 20. 2., 14 Uhr, CineStar 8 (E), Erstes
Kapitel: Alaska und Aleutische Inseln, 18. 2., 12 Uhr, CineStar 8 (E);
Erstes bis Drittes Kapitel: 12. 2., 10 Uhr, Haus der Berliner Festspiele
(E); Zweites Kapitel: Tschukotka, 19. 2.,11 Uhr, CineStar 8 (E))
Claudia Lenssen
Wiederbelebung der Mythen: „Elixier“
Russland sehr bei sich – und dann doch anders! Ein Professor auf der Suche
nach dem Lebenselixier, das Tote auferwecken kann. Sein Atlatus im
Folklorehemd, dem die „Mutter Russland“ erscheint. Zwei schwangere Mädchen
namens Partisanen-Tschaika und Kosmonauten-Tschaika. Außerdem: ein
Altersweiser, ebenfalls ein Himmelsstürmer. Und Ihnen auf den Fersen: ein
veritables Teufelspack. Das alles in tief russischen Wäldern – aus dem
Videokünstler Daniil Zinchenko, der schon für den Nekrorealisten Jewgeni
Jufit vor der Kamera stand, ist ein Filmemacher geworden: Er treibt
Mythenwiederbelebung als -verschiebung, okkult, obskur, gewitzt. (12. 2.,
18 Uhr, Kino Arsenal 1 (E); 14. 2., 14 Uhr, Delphi Filmpalast (E); 15. 2.
22 Uhr, CineStar IMAX (E); 21. 2. 22.15 Uhr, Cubix 9 (E))
Barbara Wurm
Neurotiker unter sich: „Maggie ’s Plan“
Rebecca Miller bewegt sich in ihrer Komödie „Maggie’s Plan“ auf vertraut…
Boden: New Yorker Akademiker mit den für sie oft typischen egozentrischen
Charaktereigenschaften geraten in heftige Kollision. Die drei Neurotiker,
die hier aufeinandertreffen, haben es vornehmlich mit Fragen der
Patchworkfamilienverwaltung zu tun. Miller schickt dazu Greta Gerwig als
jungen protestantischen Controlfreak, Julianne Moore als hysterische
Karriereprofessorin und Ethan Hawke als gequälten Künstlertypen ins Rennen.
Das gibt der Regisseurin, die auch das Drehbuch verfasst hat, Gelegenheit
für Dialoge, in denen die unter Geisteswissenschaftlern verbreitete
Selbstreflexionsfreude liebevoll vorgeführt wird. Die Bezeichnung
„romantische Komödie“ ist dabei eher irreführend: Romantisch ist allein d…
Wunsch der Titelheldin nach einem durch und durch ihren Vorstellungen gemäß
geregelten Leben – ein Wunsch, den sie bis zuletzt nicht aufgibt. (15. 2.,
19 Uhr, Friedrichstadt-Palast (G); 16. 2., 12.45 Uhr, CinemaxX 7 (G)
sign-language; 17. 2., 17 Uhr, Cubix 9 (G); 21. 2., 21.30 Uhr, Zoo Palast 1
(G))
Tim Caspar Boehme
„Homo Sapiens“ von Nikolaus Geyrhalter
Einen verhältnismäßig kurzen Dokumentarfilm legt Nikolaus Geyrhalter im
diesjährigen Forum vor – zieht man vorausgegangene Arbeiten wie „Elsewhere…
(240 min) oder wie zuletzt „Über die Jahre“ (188 min) heran oder orientiert
sich gar an Ulrike Ottingers monumentalem Reisefilm „Chamissos Schatten“,
der mit einer Länge von zwölf Stunden das Forum eröffnen wird. Auch
Geyrhalters Film „Homo Sapiens“ (Österreich 2016,) zeigt Orte, an denen der
Mensch gewesen ist. Wo er gewütet und Spuren hinterlassen hat. Frei von
Dialog und mittels sich verbreitender Fahrten, wird Homo Sapiens in seiner
Abwesenheit überdeutlich. (12. 2., 19 Uhr, Delphi Filmpalast, 13. 2., 11.30
Uhr, CineStar 7; 14. 2., 22.15 Uhr, Cubix 9; 21. 2., 16.30 Uhr, CineStar 8)
Carolin Weidner
Dokument einer neuen Zeit: „Playgirl“
Verspielt, improvisiert und hedonistisch: Auch das war der heute als
verkopft und thesenartig geltende Junge Deutsche Film. Im Umbruchsjahr 1966
dreht der ewig wiederentdeckte Will Tremper, im Hauptberuf
Illustriertenfotograf und flotter Journalist, diesen Film über eine junge
Frau, die vom biederen Westdeutschland ins verlockende Westberlin kommt, wo
sie bloß nicht malochen, aber Model werden will und sich dabei reihenweise
Männer angelt. Ein Plädoyer für sowie zugleich Dokument einer neuen Zeit –
und „das Beste, was der junge deutsche Film bisher hervorgebracht hat“ (Uwe
Nettelbeck). (18. 2., 21.30 Uhr, Zeughauskino (E); 21. 2., 11.30 Uhr,
CinemaxX 8)
Thomas Groh
11 Feb 2016
## AUTOREN
Lukas Foerster
Claudia Lenssen
Carolin Weidner
Barbara Wurm
Tim Caspar Boehme
Thomas Groh
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.