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# taz.de -- taz-Serie Fluchtpunkt: ein Protokoll: „Dieses Mal wird es klappen…
> „Wir haben es geschafft“, seufzt Maria. Die junge Serbin meint aber nicht
> den Asylstatus, sondern einen Heimplatz.
Bild: Tagelang irrte die Familie ohne Obdach durch Berlin.
Ein dunkler Tag Anfang Januar, der Schnee draußen ist nass und schmutzig.
Im Bäckerei-Café eines Discounters sitzt Maria Jovanović , nestelt an einem
Haarteil, das ihr eine Freundin in die langen, schwarzen Haare geflochten
hat, und strahlt.
„Heute bin ich glücklich. Wegen meiner Haare, siehst du? Und weil wir jetzt
endlich unseren Asylantrag stellen können. Unsere Anwältin hat den Antrag
jetzt fertig geschrieben. Es ist unser dritter seit 2012. Aber dieses Mal
wird es klappen, da bin ich ganz sicher – wir haben ja die Anwältin.
Wir können auch nicht mehr länger warten. Wir brauchen einen Heimplatz, ein
Ticket für den Bus. Wir müssen uns registrieren lassen. Unsere Bekannten
aus Leskovac, unserer Heimatstadt, haben uns nach Weihnachten
rausgeschmissen. Wir durften nur noch nachts zum Schlafen kommen. Unsere
Bekannten haben ja selbst nur ein Zimmer, und sie haben ein kleines Baby.
Dann sind auch noch neue Leute aus Serbien gekommen, die auch keinen Platz
hatten, wo sie hinkönnen. Am Ende waren wir 20 Leute in der Wohnung. Das
geht einfach nicht.
Meine Mutter, mein Bruder und ich sind dann tagsüber durch die Stadt
gelaufen. Wir haben uns zwischendurch in Cafés und Geschäften aufgewärmt.
Aber es war so kalt. Und was macht man, wenn man sich nichts kaufen kann,
noch nicht mal ein Ticket für den Bus? Wir haben der Anwältin gesagt: Wir
müssen den Antrag jetzt stellen. Sie wollte zwar immer noch mehr ,Belege‘
für unsere Situation in Serbien, aber wir wissen nicht, was wir ihr noch
geben können.
Heute ist für mich übrigens Jesu Geburtstag. Meine Familie und ich sind
serbisch-orthodoxe Christen, für uns ist Weihnachten am 6. und 7. Januar.
Zu Hause in Serbien gibt es dann immer ein großes Essen und alle machen
sich Geschenke. Na ja, das letzte Mal habe ich vor vier Jahren oder so
Geschenke bekommen, als ich klein war. Dieses Jahr haben wir gar nicht
gefeiert.“
Zwei Wochen sind seit unserem letzten Treffen vergangen. Maria ruft an, sie
klingt erleichtert und seufzt beinahe ins Telefon.
„Wir haben es geschafft. Wir haben einen Heimplatz! Drei Mal sind wir zur
Registrierungsstelle in der Bundesallee gefahren. Wir mussten schon um
sieben Uhr morgens da sein und haben dann bis mittags gewartet, bis das Amt
zugemacht hat. Dann haben wir einfach einen Zettel mit der gleichen Uhrzeit
für einen anderen Tag bekommen. Beim dritten Mal waren wir endlich an der
Reihe. Vor dem Lageso (Landesamt für Gesundheit und Soziales – Anm. d.
Red.) haben wir bloß zwei Tage gewartet. Da mussten wir hin, um uns unser
Taschengeld abzuholen. Aber das war echt hart. Es war kalt und wenn du
nicht um drei Uhr morgens in der Schlange stehst, hast du keine Chance. Es
sind einfach zu viele Leute dort. Wir haben in den Wärmezelten direkt auf
dem Gelände geschlafen, um morgens die Ersten zu sein.
Jetzt sind wir in einem Heim in Lichtenberg. Mein Bruder Jagos und ich
haben jetzt ein eigenes Zimmer, es ist sauber und wir haben Platz. Das tut
gut. Wir haben sogar eine eigene kleine Kochecke und ein eigenes Bad. Ich
gehe seit Montag wieder zur Schule. Jetzt wird alles besser.“
Ende Januar hat die rot-schwarze Koalition das Asylpaket II beschlossen, es
sieht unter anderem eine schnellere Abschiebung von Menschen aus
sogenannten sicheren Herkunftsländern vor. Serbien ist seit 2014 „sicherer
Herkunftsstaat“.
10 Feb 2016
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Serbien
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