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# taz.de -- Kolumne Macht: Abstand von den bösen Clowns
> Demokratie bedeutet nicht, dass man jede Meinung ernstnehmen muss.
> Stattdessen blockiert derzeit die AfD den politischen Diskurs.
Bild: Clowns sind nicht immer lustig. Eher beängstigend
Bloß gut, dass die meisten Flüchtlinge noch nicht deutsch sprechen. Könnten
sie verstehen, wie über sie geredet und berichtet wird – es müsste ihnen
angst und bange werden. Manche Leute, die in diesen Tagen ihr seltsames
Wertesystem wie eine Monstranz vor sich hertragen, würde das vermutlich
freuen. Sie behaupten, dieses Wertesystem sei die deutsche Leitkultur. Das
möchte ich denn doch nicht hoffen.
Obwohl man derzeit tatsächlich den Eindruck gewinnen könnte. Manche
Politikerinnen und Politiker, die jahrelang einen besonnenen Eindruck
machten, treten plötzlich so auf, als ob sie noch nie davon gehört hätten,
wie Hass gegen Minderheiten entsteht und woraus er sich speist.
Beispiel Andrea Nahles. Die Arbeitsministerin, einstige SPD-Linke, will
Leistungen für Flüchtlinge kürzen, die nicht integrationswillig sind.
Ebenso gut könnte ein Gesundheitsminister sagen, es gebe zwar noch kein
Heilmittel für eine bestimmte Krankheit, aber er kündige schon mal
Strafmaßnahmen gegen Patienten an, die das Medikament nicht einnehmen
wollten. Wenn es denn eines Tages entwickelt worden sei.
Es gibt nicht genug Integrationsangebote, es gibt ja nicht einmal eine
genaue Vorstellung davon, wie Integration eigentlich funktioniert. Aber
Drohungen kommen gut an im Augenblick, jedenfalls dann, wenn sie sich gegen
Flüchtlinge richten.
## Kuscheltiere oder Strafe
Erinnert sich jemand? Noch vor einigen Monaten konnten sich
Flüchtlingsfamilien kaum der Kuscheltiere erwehren, mit denen sie in
Deutschland beworfen wurden. Auch die so genannte Willkommenskultur hatte
seinerzeit leicht hysterische Züge. Wer auf Probleme hinwies, galt als
herzlos. So schnell ändern sich die Zeiten.
Weiterhin sind Flüchtlinge das wichtigste Thema aller Nachrichten, aber
jetzt im Abwehrmodus. Was tun, wenn sie straffällig werden? Was tun, wenn
sie an ihren Sitten und Gebräuchen festhalten wollen? Oder gar, horribile
dictu, an ihrer Religion? Gefährlich, all das.
Aber keine Sorge: Der Staat ist wachsam. Ob diese Wachsamkeit im Einzelfall
mit dem Grundgesetz, den Menschenrechten, der UN-Flüchtlingskonvention in
Übereinstimmung steht oder nicht, das spielt keine Rolle. Hauptsache
wachsam.
Natürlich gilt alles wie immer – ach ja, wie immer - einem guten Zweck.
Schlimmeres soll verhütet werden. Konkret: weiterer Zulauf zur
nationalistischen AfD und zur Pegida, deren außerparlamentarischem Arm. Das
erinnert an die berühmte Metapher vom Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
Man muss den Wunsch des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, die AfD möge vom
Verfassungsschutz überwacht werden, nicht sinnvoll finden. Ich finde ihn
nicht sinnvoll. Aber die Begründungen für die Ablehnung dieser Forderung
sind wunderlich.
Das Amt für Verfassungsschutz erklärt, die AfD werde weiterhin nicht als
extremistisch eingeschätzt. Extremismus schafft man in Deutschland offenbar
nur, wenn man an Eigentumsverhältnissen etwas ändern will. Weshalb die
Linke für den Verfassungsschutz interessant ist, die AfD aber nicht.
Und, richtig nett: Die Aufforderung eines Politologen, man möge sich lieber
mit den Positionen der AfD auseinander setzen statt sie verbieten zu
wollen. Als ob das nicht täglich, sogar stündlich geschähe. Unterhalb des
Radars schriller AfD-Thesen werden derzeit viele Beschlüsse gefasst, über
die ohne sie diskutiert worden wäre – und diskutiert hätte werden müssen.
Die AfD beherrscht den politischen Diskurs.
Sie hat auf diese Aufmerksamkeit keinerlei Anspruch. Demokratie bedeutet:
Alle dürfen ihre Meinung sagen. Demokratie bedeutet nicht: Man muss jede
Meinung ernst nehmen, jedem Unfug zuhören und jeder absurden These drei
Talkshows pro Woche widmen. Lasst uns endlich Abstand nehmen von diesen
bösen Clowns. Und ernsthaft über Fragen reden, die einer Erörterung wert
sind. Schießbefehle an der Grenze gehören dazu nicht.
7 Feb 2016
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Flucht
Demokratie
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Pegida
Schwerpunkt AfD
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