# taz.de -- Flüchtlinge zahlen Begrüßungsgeld: „Niemand wird durchsucht“ | |
> Schutzsuchenden werden in Bayern Geld und Wertgegenstände abgenommen. | |
> Norddeutschlands Regierungen lehnen das ab: Für Durchsuchungen fehle | |
> „jede Rechtsgrundlage“. | |
Bild: Wird in den Nordländern nicht auf Wertgegenstände durchsucht: Koffer ei… | |
HANNOVER taz |Die aufgeregte Debatte, die Dänemarks rechtsliberale | |
Minderheitsregierung Mitte Januar inszenierte, war wohlkalkuliert: | |
Flüchtlingen sollen nicht nur Bargeld, sondern auch persönliche | |
Wertgegenstände wie Eheringe abgenommen werden, verkündete | |
Integrationsministerin Inger Støjberg. Die Washington Post fühlte sich an | |
Nazi-Methoden erinnert: Beschämte BürgerInnen wollten lieber eigenen | |
Schmuck spenden, als hinzunehmen, dass Schutzsuchenden nach ihrer | |
gefährlichen Flucht über das Mittelmeer die letzten Erinnerungsstücke | |
abgenommen werden. | |
Zwar hat Ministerin Støjberg ihren Vorstoß mittlerweile entschärft – | |
Gegenstände von persönlichem Wert werden nun doch nicht konfisziert. Was in | |
der Empörung aber unterging: Auch in Deutschland darf Flüchtlingen das | |
Wenige, was sie während ihrer Odyssee durch Europa retten konnten, | |
abgenommen werden. „Die Aufregung über die dänische Praxis ist absurd“, | |
sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen – schließlich sieht das | |
seit 2012 geltende Asylbewerberleistungsgesetz (siehe Kasten) vor, | |
Schutzsuchenden sämtliches Vermögen abzunehmen, um sie an den Kosten ihrer | |
Unterbringung zu beteiligen. Ausgenommen ist nur ein Freibetrag von 200 | |
Euro pro Person. | |
Besonders hart wird das Gesetz in Bayern umgesetzt: „Im Normalfall werden | |
die Asylsuchenden hinsichtlich Dokumenten, Wertsachen und Geld befragt und | |
durchsucht“, sagt eine Sprecherin der für die Unterbringung zuständigen | |
bayerischen Sozialministerin Emilia Müller (CSU) auf taz-Nachfrage. „Wenn | |
sich Verdachtsmomente auf die Mitführung größerer Werte ergeben und | |
Asylsuchende einer Durchsuchung nicht zustimmen, werden Vollzugsbeamte der | |
Polizei eingeschaltet.“ | |
Norddeutschlands rot-grüne Landesregierungen wollen von solch einer | |
Vorverurteilung sämtlicher Flüchtlinge als Leistungsbetrüger dagegen nichts | |
wissen. „Niemand wird durchsucht“, sagt Niedersachsens | |
SPD-Landesinnenminister Boris Pistorius. Für diesen Eingriff in die | |
Persönlichkeitsrechte gebe es „überhaupt keine Rechtsgrundlage“, sagt der | |
Sozialdemokrat und bekommt Unterstützung vom | |
Flüchtlingsrats-Geschäftsführer Weber: Legitimiert seien Durchsuchungen nur | |
beim Verdacht, dass jemand seine Identität verschleiern wolle. | |
Ähnlich gehen auch Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein vor: „Bei uns | |
wird niemand routinemäßig gefilzt“, sagt Frank Reschreiter, Sprecher von | |
Hamburgs SPD-Innensenator Andy Grote. Von den über 60.000 Flüchtlingen, die | |
sich in der Hansestadt gemeldet haben und von denen jetzt 21.000 an der | |
Elbe leben, stünden „nur etwa zehn“ im Verdacht, überhaupt über | |
nennenswertes Vermögen zu verfügen, heißt es aus Hamburgs Ausländerbehörde. | |
„Wir wenden hier keine Methoden der Rasterfahndung an“, sagt auch Bernd | |
Schneider, Sprecher von Bremens grüner Sozialsenatorin Anja Stahmann. Es | |
sei „lebensfremd“ zu glauben, die Schutzsuchenden trügen nach ihrer | |
wochenlangen Flucht noch nennenswerte Geld- oder Sachwerte mit sich, betont | |
Schneider. Ganze zwei der 10.000 MigrantInnen, die in Bremen Zuflucht | |
gefunden haben, hätten mehr als 1.000 Euro besessen. | |
Ähnlich ist die Situation auch in Schleswig-Holstein: Wie seine | |
MinisterkollegInnen Pistorius, Grote und Stahmann lässt Innenressortchef | |
Stefan Studt (SPD) alle Schutzsuchenden darauf hinweisen, dass sie nur 200 | |
Euro ihres Geldes behalten dürfen – Statistiken, wie viel Mittel so an die | |
Staatskasse geflossen sind, werden mangels Masse aber nicht geführt. | |
Allerdings: In Bayern ist das nicht anders. Auch dort liegen „hinsichtlich | |
der sichergestellten Geldmengen“ keine konkreten Zahlen vor, schreibt das | |
CSU-geführte Sozialministerium – und räumt kleinlaut ein: Die allermeisten | |
Flüchtlinge führten „keine größeren Geldmengen“ mit. | |
3 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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