# taz.de -- Nachruf auf Regisseur Ettore Scola: Man dreht immer nur einen Film | |
> Der italienische Filmregisseur Ettore Scola ist im Alter von 84 Jahren | |
> gestorben. Er war ein Meister des europäischen Kinos. | |
Bild: Der italienische Filmregisseur Ettore Scola 2013 in einer Talkshow in Mai… | |
Ettore Scola war ... Die Vergangenheitsform schmerzt, mit Ettore Scola ist | |
gestern einer der großen Regisseure des italienischen Kinos gestorben. | |
1947, als 16-Jähriger, begann Scola für Satirezeitschriften zu arbeiten. | |
Wenig später kam das Radio dazu, wo er für Varietésendungen verantwortlich | |
war und Bekanntschaft mit einigen aufsteigenden Größen wie Alberto Sordi | |
oder Federico Fellini machte. | |
Von 1948 an arbeitete er als Drehbuchautor unter anderem für populäre | |
Regisseure wie Steno (“Ein Amerikaner in Rom“) und Mario Mattoli (“Zwei | |
Nächte mit Cleopatra“ mit der jungen Sophia Loren in einer Doppelrolle). | |
Den Durchbruch brachte eine Reihe von Komödien ab Mitte der 1960er Jahre, | |
bei denen Scola selbst Regie führte. Das Regiedebüt „Se permettete parliamo | |
di donne” (Übersetzung: „Wenn Sie erlauben, sprechen wir über Frauen“, | |
deutscher Titel: „Frivole Spiele”) ist eine Gender-Trouble-Komödie in neun | |
Episoden. Zusammengehalten werden diese dadurch, dass Vittorio Gassman in | |
jeder der Episoden die männliche Hauptrolle spielt. | |
Gassmann war gemeinsam mit Ugo Tognazzi spätestens seit Dino Risis „I | |
mostri“ (bei dem Scola das Drehbuch schrieb) die Verkörperung der Commedia | |
all’italiana. Wie „I mostri“ greift auch Scolas Debüt ein Thema aus der | |
sich schnell modernisierenden italienischen Gesellschaft der 1960er Jahre | |
auf. In diesem Fall: die weibliche Emanzipation und männliche Ängste. | |
Dieses Prinzip der satirischen Überspitzung gesellschaftlicher Phänomene | |
prägt Scolas Filme bis etwa Ende der 1960er Jahre. | |
## Bitterböse Satire | |
Die Wende kam mit zwei Filmen aus den Jahren 1968/69: In „Riusciranno i | |
nostri eroi a ritrovare l’amico misteriosamente scomparso in Africa?“ | |
(“Wird es unseren Helden gelingen, ihren Freund wiederzufinden, der auf | |
mysteriöse Weise in Afrika verschwand?“) wendet Scola das Prinzip der | |
vorangegangenen Filme auf die portugiesische Kolonie Angola an. Das | |
Ergebnis ist eine bitterböse Satire auf die zahlreichen exotistischen | |
Abenteuerfilme des europäischen Kinos der Zeit, deren zentrales Element die | |
Reproduktion einer vermeintlichen weißen Überlegenheit war. | |
Der zweite Film ist „Il commissario Pepe“ mit Ugo Tognazzi in der | |
Hauptrolle als stoischer, integrer Kommissar. Scolas Film entstand, mehrere | |
Jahre bevor der giallo, die italienische Variante des Thrillers, durch die | |
Filme von Regisseuren wie Dario Argento und Fernando Di Leo zum zentralen | |
Medium des europäischen Kinos der 1970er Jahre wurde. | |
Wie spätere Filme des Genres nutzt Scola die Figur des Kommissars, um die | |
Korruption der italienischen Eliten bloßzustellen – und die schützende | |
Hand, die der Staat über sie hält; anders als die späteren giallos lässt | |
„Il commissario Pepe“ das System jedoch nicht mit einem Knall in die Luft | |
fliegen, sondern kapituliert schließlich verschmitzt und belässt es dabei, | |
keinen Anteil daran haben zu wollen. | |
## International erfolgreich | |
Beide Filme liegen Jahre vor den großen Filmen Scolas: 1974 drehte Scola | |
„C’eravamo tanto amati„ (Wir waren so verliebt), 1977 folgte „Una giorn… | |
particolare“ (Ein besonderer Tag) und 1983 „Le bal“. Alle drei Filme waren | |
auch international erfolgreich. In den 1970er und 1980er Jahren verschwand | |
der direkte Bezug auf die Gegenwart aus den Filmen Scolas und wich einer | |
stärkeren Eigenständigkeit der Filme. | |
Nicht alle Filme aus jener Zeit überzeugen, aber die guten Arbeiten Scolas | |
aus dieser Phase gehören zum Besten, was das italienische und vielleicht | |
das europäische Kino insgesamt in jenen Jahren zu bieten hatte. Scola | |
selbst erklärte in einem Interview mit dem französischen Filmjournalisten | |
Jean A. Gili: „Jeder dreht nur einen Film in seinem Leben“, den aber immer | |
wieder. Seit Mittwoch dreht Ettore Scola diesen Film nicht länger. | |
20 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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