# taz.de -- Deutsch-türkische Beziehungen: Kurdenprotest vor dem Kanzleramt | |
> Merkels Treffen mit ihrem Kollegen Davutoğlu wird von Kämpfen in der | |
> Südosttürkei überschattet. Ein Bündnis hat zu Protesten aufgerufen. | |
Bild: Im Anflug auf Berlin: Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu. | |
BERLIN taz | Am Freitag finden in Berlin erstmals Regierungskonsultationen | |
mit der Türkei statt. Zur Premiere wird Angela Merkel ihren türkischen | |
Kollegen Ahmet Davutoğlumit militärischen Ehren vor dem Kanzleramt | |
empfangen. Parallel dazu setzen sich die Fachminister beider Kabinette | |
zusammen. Der Zeitpunkt für das Treffen könnte nicht schlechter gewählt | |
sein. Überschattet wird es nicht nur von dem Selbstmordanschlag in der | |
Altstadt Istanbuls, dem in der vergangenen Woche zehn deutsche Urlauber zum | |
Opfer fielen. | |
Einen bitteren Beigeschmack erhält es vor allem durch das brutale Vorgehen | |
der türkischen Armee im Südosten des Landes, wo sie seit Wochen eine | |
Offensive gegen die PKK führt und sich schwere Gefechte mit deren | |
Jugendorganisation YDG-H liefert. | |
In Städten wie Cizre und Diyarbakır,wo sich die YDG-H in bestimmten | |
Stadtvierteln verschanzt hat, bestehen seit Mitte Dezember rund um die Uhr | |
Ausgangssperren. In der Stadt Silopi wurde die Ausgangssperre am Dienstag | |
gelockert, sie gilt jetzt nur noch nachts. Während der Ausgangssperren | |
haben die Bewohner häufig weder Strom noch Wasser oder Zugang zu | |
Gesundheitsversorgung. Amnesty International spricht von einer | |
„Kollektivstrafe“. | |
Nach Angaben der Armee wurden seit Mitte Dezember mehr als 640 | |
YDG-H-Kämpfer in Sur, Cizre und Silopi getötet. Die prokurdische | |
Oppositionspartei HDP meldet mehr als 100 getötete Zivilisten in den drei | |
Orten. Auch Soldaten und Polizisten sterben fast jeden Tag. | |
Ein Aktionsbündnis aus linken kurdischen und türkischen Verbänden hat | |
deshalb zum Protest gegen das Regierungstreffen in Berlin aufgerufen. Unter | |
dem Motto „Not welcome, Mr. Davutoğlu“ist ein Protestzug bis vor das | |
Kanzleramt geplant. | |
Bislang schweigt sich die Bundesregierung zur blutigen Eskalation aus, | |
genauso wie die meisten anderen europäischen Staaten. Auch, dass Präsident | |
Erdoğanseine Macht immer weiter ausbaut und immer stärker gegen Kritiker | |
und Gegner vorgeht, stößt kaum auf Widerspruch. Das war vor zwei Jahren, | |
bei den Gezi-Protesten im Sommer 2013, noch ganz anders. Doch inzwischen | |
ist man in der Flüchtlingsfrage auf die Zusammenarbeit mit der Türkei | |
angewiesen. Darüber will man am Freitag in Berlin reden. | |
Denn bislang gelangen immer noch sehr viele Flüchtlinge auf dem Seeweg aus | |
der Türkei auf die griechischen Inseln. Die Europäische Union hat der | |
Türkei Ende 2015 3 Milliarden Euro zugesagt, damit diese ihren Kampf gegen | |
Schleuser verstärkt und die Grenzsicherung ausbaut. In der Türkei halten | |
sich rund 2,2 Millionen syrische Flüchtlinge auf. Zuletzt gab es Berichte, | |
wonach Flüchtende von dort zur Rückkehr nach Syrien und in den Irak | |
gezwungen wurden. Auch das wird von Amnesty International scharf | |
kritisiert. | |
22 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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