# taz.de -- Wettanbieter über Tennis-Manipulationen: „Betrüger genießen Na… | |
> Tennis ist die Betrugssportart Nr. 1 geworden, sagt Werner Becher. Auf | |
> Livewetten, etwa auf den Ausgang von Aufschlagspielen, will er aber nicht | |
> verzichten. | |
Bild: Das Tolle am Tennis ist, dass auch die Weltranglisten-133. (rechts) mal g… | |
taz: Herr Becher, wie schwerwiegend sind die Probleme, die das | |
internationale Tennis mit Wettbetrügereien hat? | |
Werner Becher: Von allen Sportarten hat Tennis die größten Probleme. Und | |
die Probleme werden immer größer. Es sind meistens Spieler betroffen, die | |
teils bei kleineren Tourevents, öfters aber bei Challenger- oder | |
Future-Turnieren antreten. Also Leute jenseits der Top 100. Im Moment haben | |
wir fast täglich Vorfälle, die uns dazu zwingen, Spiele aus dem Programm zu | |
nehmen. Der Anstieg im Tennis ist wirklich extrem. Wir melden diese | |
Auffälligkeiten sofort auch an die Antikorruptionseinheit im Tennis weiter | |
– die sogenannte TIU, Tennis Integrity Unit. | |
Können Sie diesen Anstieg auch beziffern? | |
In der Auswertung des 3. Quartals 2015 gab es allein 48 Zwischenfälle mit | |
Tennisspielern, das waren 66 Prozent aller verdächtigen Vorkommnisse im | |
Sport überhaupt. Tennis hat dem Fußball den zweifelhaften Platz 1 hier | |
abgelaufen. Wir haben im Moment eine Schwarze Liste mit mehr als 50 | |
Tennisspielern, deren Matches wir gar nicht mehr anbieten. Einfach, weil | |
uns das Risiko viel zu hoch erscheint. | |
Sind auf dieser Liste auch Spieler aus dem deutschsprachigen Raum? | |
Ja. Auch Deutsche und Österreicher. Oft wird so getan, als sei das ein | |
Problem osteuropäischer oder meinetwegen südländischer Profis. Aber es sind | |
viele aus Westeuropa auf dieser Liste drauf. | |
Woran erkennen Sie potenzielle Betrügereien? | |
Wir legen Quoten fest, die mit Weltranglistenplatz, Form und bei | |
Live-Wetten mit dem Spielverlauf zu tun haben. Auffälligkeiten entstehen, | |
wenn ungewöhnlich hohe Beträge gewettet werden. Oder ungewöhnliche Beträge | |
auf einen, den man nicht als Favorit bezeichnen würde. Oft gleichen wir uns | |
mit anderen Wettanbietern ab, da entsteht schnell ein übergreifendes | |
Verdachtsmuster. Dann schlagen wir Alarm, annullieren die Wetten. Wenn wir | |
das nicht tun, wissen wir schnell, dass wir es besser doch getan hätten. | |
Wie wird denn manipuliert? | |
Das häufigste Muster ist: Favorit A verliert den ersten Satz, dann drehen | |
sich die Quoten. Es gibt mehr Geld auf einen Sieg für A. Und dann gewinnt | |
er halt – und mit ihm seine Hintermänner. Aber zuletzt haben wir | |
festgestellt, dass sogenannte Favoriten einfach verlieren. Denn das, was | |
sie über eine Betrügerei verdienen, ist weit mehr als die Punkte, sagen | |
wir, bei einem Challenger-Turnier. Das ist für mich schon eine Zuspitzung | |
der Lage. | |
In den neuesten Enthüllungen werden aber dezidiert Top-50-Spieler genannt, | |
auch Grand-Slam-Champions. | |
Für mich sind das Einzelfälle. Die Probleme liegen bei kleineren Turnieren, | |
bei Spielern aus der zweiten Reihe. | |
Warum bieten Sie diese Spiele von kleineren Turnieren an, wenn sie schwer | |
zu kontrollieren sind? Oder Wetten auf die Anzahl von Sätzen in einem | |
Match? | |
Diese Wetten sind bei unseren ganz normalen und anständigen Kunden sehr | |
beliebt. Viele mögen Livewetten, den Thrill in veränderten Matchbewegungen. | |
Sie wollen nicht bis zum Matchball abwarten. Wir müssen das anbieten, sonst | |
gehen uns die Kunden verloren. Die würden in den schwarzen, unregulierbaren | |
Markt abwandern. | |
Es würde nichts nützen, wenn Sie das nicht anbieten? | |
Nein. Die Mauscheleien würden noch größer. Denn alle regulären Wettanbieter | |
melden ja Auffälligkeiten sofort etwa an die ATP weiter. Die informiert den | |
Supervisor vor Ort, der wiederum den Schiedsrichter. Und der auch die | |
Spieler. Also: Wir setzen wirklich eine Alarmkette in Bewegung. Wären wir | |
nicht mehr da als überwachende Instanz, als jemand, der diese Spiele | |
beobachtet, dann wären die Probleme noch gravierender. | |
Was muss passieren, um noch effektiver gegen die Betrüger vorzugehen? | |
Wir dürfen unsere Kundendaten nicht an Privatunternehmen wie die ATP oder | |
WTA weitergeben. Das ginge nur an eine internationale staatliche Autorität. | |
Und das würde ich mir wünschen, so eine Instanz. Denn so bleibt das | |
Paradox: Wir melden die Auffälligkeiten, aber die Betrüger bleiben | |
ungeschoren. | |
Können Sie die Verdächtigen nicht sperren? | |
Wir sperren sie, aber dann legen sie sich neue Identitäten zu. Wenn es eine | |
staatliche Stelle gäbe, die Nachforschungen zu solchen Tätern betreiben | |
würde, wäre der Betrug ungleich schwerer. Im Moment genießen die Betrüger | |
teils Narrenfreiheit. | |
Der Antikorruptionseinheit TIU wurde in der aktuellen Affäre vorgeworfen, | |
Verdachtsfälle unterdrückt zu haben. | |
Das kann ich nicht bestätigen. Die entscheidenden Leute in den | |
Tennisorganisationen wissen, dass sie da ein ernsthaftes Problem haben. | |
Nein, ich kann da keine Vertuschung oder Verharmlosung erkennen. | |
Novak Djokovic und Andy Murray haben in Melbourne kritisiert, dass | |
Tennisturniere mit Wettanbietern kooperieren. | |
Also, es hätte ganz sicher ein Geschmäckle, wenn Wettanbieter einen | |
einzelnen Profi sponserten. Ansonsten verstehe ich die Logik und | |
Argumentation nicht: Wettunternehmen sind Opfer der Betrüger. Und sauberer, | |
reeller Sport ist die Lebensgrundlage für uns. Diese Betrüger kosten uns | |
sehr viel Geld. Deshalb stehen wir doch an der Seite von Spielern wie | |
Djokovic oder Murray. | |
21 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Jörg Allmeroth | |
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