# taz.de -- Polizei vs. Autonome: Ein Tütenwurf als Türöffner | |
> Grüne distanzieren sich nach Aussagen ihrer Jugendorganisation von | |
> Gewalt. In der Rigaer 94 hat die Polizei inzwischen auch Wohnungen | |
> durchsucht. | |
Bild: Martialischer Auftritt: Polizeibeamte beim Einsatz in der Rigaer Straße | |
Die Auseinandersetzungen um das Hausprojekt „Rigaer 94“ in Friedrichshain | |
gehen weiter. Nachdem Politiker der Koalition eine Solidaritätsadresse der | |
Grünen Jugend mit den Bewohnern scharf verurteilt hatten, versuchten | |
Partei- und Fraktionsspitze der Grünen am Dienstag den Eindruck zu | |
korrigieren, man legitimiere Gewalt. In der Nacht war es auch noch zu einer | |
Attacke auf das Bürgerbüro von Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) | |
gekommen, das mit den Polizeiaktionen gegen die Rigaer Straße in Verbindung | |
gebracht werden kann. | |
An Wielands Büro in Wedding wurden laut Polizei zwei Fensterscheiben und | |
eine Glastür vermutlich durch Steinwürfe beschädigt. Darüber hinaus hatten | |
die unbekannten Täter den Schriftzug „#tomduarsch“ sowie ein Herz und eine | |
„94“ an die Fassade gesprayt. Mit „Tom“ ist wohl der | |
SPD-Sicherheitspolitiker Tom Schreiber gemeint, der bereits früher | |
Drohungen aus der autonomen Szene erhalten hat. Sein Büro befindet sich | |
allerdings in Köpenick. | |
Die Vorsitzenden der Grünen-Fraktion, Ramona Pop und Antje Kapek, sowie die | |
Landesvorsitzenden Bettina Jarasch und Daniel Wesener teilten am Dienstag | |
in einer gemeinsamen Erklärung mit, sie seien „erschüttert“ über diesen … | |
frühere Anschläge auf Abgeordnetenbüros. Es handele sich dabei nicht nur um | |
eine persönliche Bedrohung, sondern um einen „Angriff auf die Demokratie“. | |
Die Grünen-Spitze bezeichnete zudem „jegliche Attacken, Gewalt oder | |
Bedrohungen“ als „inakzeptabel“ – „insbesondere auch jüngst auf | |
Polizistinnen und Polizisten“. Der Angriff von Autonomen auf einen | |
Streifenpolizisten vor der Rigaer 94 am vergangenen Mittwoch hatte der | |
Polizei als Anlass für einen Großeinsatz im Haus gedient. | |
Am Montag hatte das SprecherInnenteam der Grünen Jugend Berlin das Vorgehen | |
der Polizei „aufs Schärfste“ verurteilt. Sprecherin Emma Sammet bezeichnete | |
die Aktionen als „Racheakte“, mit denen „ganze Kieze unter Generalverdach… | |
gestellt würden. Sprecher Christoph Husemann ergänzte, die linken | |
Hausprojekte prägten seit Jahrzehnten den Friedrichshainer Kiez: | |
„Insbesondere durch das antifaschistische Engagement der | |
Hausbesetzer*innenszene konnte sich Friedrichshain zu einem offenen und | |
vielfältigen Bezirk entwickeln, in dem Nazis und Rassist*innen keinen Fuß | |
auf den Boden bekommen.“ | |
An diesen Aussagen übte unter anderem CDU-Generalsekretär Kai Wegner | |
harsche Kritik: Das „wirre Gerede der Grünen Jugend“ sei ein „gefährlic… | |
Signal an die autonome Szene“. „Es klingt wie ein Freibrief für noch mehr | |
Hass und Gewalt“, so Wegner. | |
Vorausgegangen war all dem am Sonntag ein erneuter Einsatz der Polizei in | |
der Rigaer 94. Diesmal drangen die Beamten auch in mehrere Wohnungen ein. | |
Den Durchsuchungsbeschluss dafür hatten sie erhalten, weil BewohnerInnen | |
kurz zuvor einen Müllsack aus dem Fenster in den Hof geworfen hatten – das | |
wertete das Gericht als „Verdacht auf versuchte gefährliche | |
Körperverletzung“, wie Martin Henselmann, der Anwalt der BewohnerInnen, der | |
taz sagte. | |
## Zehn Meter vorbei | |
Laut Henselmann fiel der Sack rund zehn Meter von den Beamten entfernt zu | |
Boden, es sei eine Provokation ohne Gefährdungspotenzial gewesen. Die | |
anschließende Durchsuchung habe rund fünf Stunden gedauert, Bücher und | |
Aktenordner seien beschlagnahmt worden. Diese Maßnahmen gingen „weit über | |
jede Beweiserhebung zum Müllsackwurf“ hinaus, kritisierte Henselmann. | |
Auf einem im Internet verbreiteten Video ist tatsächlich zu sehen, dass der | |
Müllsack – eigentlich eher eine große, weiße Einkaufstüte – weit weg von | |
den Polizisten landet. Diese stehen im Schutz der Toreinfahrt und reagieren | |
zuerst kaum darauf. Später nehmen sie die Tüte allerdings als Beweisstück | |
an sich. | |
19 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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