# taz.de -- Die Wahrheit: „Ich bin dein Kumpel!“ | |
> Das Wahrheit-Interview: Der Düsseldorfer Antänzer Patrick M. über seinen | |
> Beruf, seine Zukunftsaussichten und die Silvestervorfälle. | |
Bild: Unauffällig pirscht sich der Antänzer an den Spender heran und gibt ihm… | |
taz: Herr M., Sie sind 24 Jahre alt und gehen einer außergewöhnlichen | |
Tätigkeit nach – Sie sind Antänzer am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Können S… | |
verstehen, dass viele Menschen Sie einen „Antanztrottel“ nennen? | |
Patrick M.: Ich bevorzuge „Antanz-Buddie“. So bezeichnen wir uns | |
untereinander selbst. Für einen Moment gebe ich Menschen da draußen das | |
Gefühl, ihr Kumpel zu sein. | |
Indem Sie auf sie zutanzen und sie danach ausrauben? | |
Nun ja, irgendwie muss ich ja Geld verdienen und meine Miete bezahlen. | |
Aber Sie verstehen das Antanzen als Beruf? | |
Aber sicher. Es wird ja immer wieder die wichtige soziale Funktion | |
übersehen, dass ich mit meinen Kollegen positive Emotionen in den | |
Angetanzten auslöse. | |
Positive Emotionen, wenn sie ausgeraubt werden? | |
Ja, dann vielleicht nicht so, aber davor. Sehen Sie, da kommt einer total | |
besoffen aus einem Club – und nichts hat geklappt: kein Girlie | |
kennengelernt, wieder zu viel getrunken und wahrscheinlich dann auch noch | |
rausgeflogen, weil er randaliert hat. Und dann gebe ich ihm wenigstens für | |
einen Moment das Gefühl: „Hey, das ist doch noch ein toller Abend, der Typ | |
will mit mir ne Runde drehen, bin also doch nicht ganz ungeil.“ | |
Aber nutzen Sie die Schwäche ihres Gegenübers nicht aus? | |
Weiß nicht, aber er hat ja auch was davon, wenn auch nicht viel und nicht | |
lange. | |
Kommen wir zu Ihrem Werdegang: Sie haben vier Semester Kunstgeschichte | |
studiert … | |
… alles brotlose Kunst. Danach habe ich ungefähr zwanzig Praktika gemacht. | |
Das Übliche: Kaffeekochen und jeden Scheiß erledigen für kaum Geld. | |
Und wie sind Sie dann in die Antanz-Szene hineingeraten? | |
Bei meinem letzten Praktikum habe ich Khalid kennengelernt. Wir sind dann | |
Samstagsabend raus, und er hat mir gezeigt, wie man mit Antanzen über die | |
Runden kommt. | |
Nun hat Ihre Tätigkeit seit den Vorfällen von Köln einen äußerst miesen | |
Ruf. | |
Also dazu könnte ich einiges sagen – nur so viel: Ich lehne das Sexuelle | |
ab! | |
Was heißt das genau? | |
Angrabschen und Betatschen ist bei mir nicht. Ich bin ein sauberer | |
Antänzer. | |
Sauber? | |
Das heißt ja nicht umsonst „Antanzen“ und nicht „miteinander tanzen“. … | |
Kunst ist es ja, anzutäuschen. Die großen Könner, zu denen ich mich | |
hundertpro zählen würde, berühren den „Spender“, wie wir unsere | |
Antanzpartner nennen, gar nicht. Das ist eine absolut ästhetische Leistung, | |
die ich sonst nur in der flämischen Genremalerei des Barock, in den | |
Gemälden eines Jan Vermeer gefunden habe. Aber es gibt eben wie überall | |
schwarze Schafe, die unsere Branche in Verruf bringen. | |
Und deshalb wollen sie jetzt einen Verband gründen? | |
Genau! Der Bundesverband deutscher Antänzer, kurz: BdA. Wir müssen mit | |
selbstregulierenden Maßnahmen dafür sorgen, dass die schlimmen Vorfälle | |
nicht zu einem falschen Bild von unserem Beruf führen. Damit wir alle noch | |
lange viel Spaß am Antanzen haben. | |
Dann wünschen wir Ihnen viel Glück und danken Ihnen für das Gespräch. | |
19 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Michael Ringel | |
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