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# taz.de -- Die Wahrheit: Innerer Monolog innerer Mongolen
> Eine putzige Pressemitteilung vom Rand der bekannten Welt will eine Firma
> aus der Ziegenwolle-Industrie bekanntmachen – und schafft es!
Bild: Unauffällig pirscht sich der Antänzer an den Spender heran und gibt ihm…
Die Innere Mongolei liegt bekanntlich am äußersten Arsch der Welt. Nur
selten gerät die abseitige Provinz am Rande Chinas in den Blick der
Weltöffentlichkeit, und dann wird sie meist auch noch mit der Äußeren
Mongolei verwechselt, die ein eigenständiger Staat ist. Was also soll man
tun als Innerer Mongole, wenn man plötzlich entdeckt, dass man in einer
Disziplin eine weltweite Spitzenrolle einnimmt? Jubelnd durchs heimische
Haus tanzen und sich einen Schlitz ins Kleid freuen?
Jedenfalls trötet man den Erfolg nicht mit der Angriffslust eines Dschingis
Khan in die Welt hinaus. Nein, hier ist asiatische Zurückhaltung gefragt.
Und so kam es offenbar zu der putzigen Pressemitteilung, die uns Mitte
Januar erreichte: „Schanghai (ots/PRNewswire) – Am 28. Oktober 2015
erwähnte Prof. Hermann Simon, Autor des Buches ‚Hidden Champion‘ und
deutscher Managementguru, Sand River auf dem von der China Europe
International Business School (CEIBS) organisierten Global Management
Festival mehrmals als einen der ‚Hidden Champions‘ der Branche für
Kaschmirmode. Professor Simon studiert das Phänomen von ‚Hidden
Champion‘-Unternehmen bereits seit vielen Jahren, und von ihm gelobt zu
werden, ist sicherlich eine nennenswerte Errungenschaft.“
Eine „nennenswerte Errungenschaft“?! Wie bitte? Ein Satzwerk wie ein
Wollknäuel. Das zu loben sicherlich schwerfällt. Zwar auf Deutsch verfasst,
muss der Text erst einmal vom mongolischen Denken ins Deutliche übersetzt
werden. Wort für Wort.
Es gibt offenbar einen „Managementguru“, der ist Deutscher und Verfasser
mindestens eines Buches, in dem er auch den Begriff „Hidden Champion“
eingeführt hat. Was wörtlich übersetzt „Versteckter Meister“ heißt,
vermutlich aber so viel bedeutet wie „Unerkannter Sieger“. Vor rund drei
Monaten nun ist dieser Siegererklärer in Schanghai bei einer Konferenz
aufgetreten und hat eine Firma namens Sand River aus der Inneren Mongolei
bei einem Vortrag „mehrmals erwähnt“. Und diese Erwähnung als geheimer
Gewinner in der „Branche für Kaschmirmode“ hat das Unternehmen derart in
Verzückung versetzt, dass es jetzt, ein Vierteljahr später, dem deutschen
Publikum diese „nennenswerte Errungenschaft“ unbedingt mitteilen möchte.
Wie niedlich!
Über eine Autorität, die für den Kaschmirwolle-Hersteller ungefähr den Wert
von Franz Beckenbauer und Angela Merkel zusammen zu haben scheint,
tatsächlich jedoch hierzulande eine eher zu vernachlässigende Größe ist,
will man die Firma in Deutschland bekannt machen. Und schafft genau das!
Denn der Stolz über die Ernennung zum Sieger im Wettbewerbsfach Ziegenwolle
hat die Inneren Mongolen einen inneren Monolog verfassen lassen, der so
verschroben ist, dass er alle gewöhnlichen Reklameschreiben weithin
überstrahlt.
Andere Werbefuzzis sollten daraus lernen, wie man eine exotische Randfirma
weltberühmt macht. Und wer das nicht genauso hinbekommt, muss künftig
Pullover statt Pressemitteilungen stricken.
19 Jan 2016
## AUTOREN
Michael Ringel
## TAGS
PR
Silvester
Paris
Schwerpunkt Angela Merkel
Kriegsende
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