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# taz.de -- Handball-WM in Polen: Die Dauerspieler
> Bei der EM in Polen muss das deutsche Team etliche Ausfälle kompensieren.
> Ein Problem, das strukturelle Gründe hat.
Bild: Teammanager Oliver Roggisch, Bundestrainer Dagur Sigurdsson und Torwart C…
Berlin taz | Der Bundestrainer will über das Thema gar nicht mehr sprechen.
„Ich habe keine Zeit zu jammern oder nach Ausreden zu suchen“, sagt Dagur
Sigurdsson. Stattdessen hat er versucht, eine Mannschaft zusammenzustellen,
die bei der am Freitag beginnenden Handball-EM in Polen auch ohne Uwe
Gensheimer, Patrick Groetzki, Patrick Wiencek und Paul Drux konkurrenzfähig
sein kann.
Ein einfacher Job war das nicht. Normalerweise sind Gensheimer, Groetzki,
Wiencek und Drux spielbestimmende Figuren im Kreis der deutschen
Handball-Nationalmannschaft. Derzeit aber sind sie verletzt oder
rekonvaleszent. Sigurdsson muss bei der EM in Polen auf vier Akteure
verzichten, die bei der WM in Katar vor einem Jahr noch zur Stammsieben
gehörten. Der Isländer sagt fatalistisch: „Wir können es ja sowieso nicht
ändern.“
Diese Feststellung gilt im Speziellen, also für die EM in Polen, ebenso wie
im Allgemeinen. Denn dass die deutsche Nationalmannschaft bei
Großereignissen auf einen Teil ihres eigentlichen Stammpersonals verzichten
muss, ist fast schon Tradition. „Das zieht sich wie ein roter Faden“, sagt
denn auch Martin Heuberger, bis vor anderthalb Jahren Sigurdssons Vorgänger
im Bundestraineramt. „In den letzten Jahren ist es sogar noch schlimmer
geworden“, stellt er fest. „Die Topspieler kämpfen mit immer größeren
Belastungen.“
Damit sind allgemein jene gemeint, die bei den Topklubs in der Bundesliga
tragende Rollen spielen und somit auch in Champions League oder zumindest
Europa League aufs Parkett gehen. Nicht zufällig spielen Gensheimer und
Groetzki bei den Rhein-Neckar Löwen, Wiencek beim THW Kiel sowie Drux bei
den Füchsen Berlin. Auf über 80 Spiele pro Jahr kann kommen, wer auf allen
vier Hochzeiten tanzt, also Bundesliga, DHB-Pokal, Champions League sowie
Nationalmannschaft, macht rund alle vier Tage eine Partie – ohne Pause.
„Die Grenze ist erreicht“, sagt denn auch Frank Bohmann, der
Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL). „Wir müssen auf ein
vernünftiges Maß zurückkommen“, fordert auch Ex-bundestrainer Heuberger.
Oliver Roggisch, in Personalunion Teammanager der deutschen
Nationalmannschaft und der Rhein-Neckar Löwen, weiß sogar wie, zumindest
theoretisch: „Man muss sich zusammensetzen. Wenn jeder ein Stückchen von
seinem Kuchen abgibt, wird es auch eine Lösung geben.“
## Die Situation ist ziemlich festgefahren
In der Praxis freilich ist es so, dass keiner etwas abgeben will, kein
Stückchen. Dabei lässt Roggisch keinen Zweifel daran, dass auch er die
Champions League mittlerweile für „viel zu aufgeblasen“ hält. Waren es vor
ein paar Jahren noch knapp zehn Spiele bis in Finale, sind es heute unter
Umständen mehr als das doppelte. Eine Reduzierung ist freilich nicht in
Sicht. Ausländische Topklubs wie Barcelona, Paris oder Veszprem würden die
Königsklasse lieber weiter ausdehnen als einschrumpfen, nicht zuletzt weil
ihre nationale Ligen kleiner und die qualitative Dichte geringer ist.
Roggisch stellt fest: „Es ist für einen Bundesligaverein schwer, an dieser
Stellschraube zu drehen.“
An der Stellschraube Bundesliga will wiederum Frank Bohmann nicht drehen.
Zum einen sieht der HBL-Geschäftsführer das Problem Überbelastung nicht als
eines der ganzen Liga, sondern nur von deren Spitze. Zum anderen stellt er
über den großen Rest fest: „Die kleineren Bundesligavereine brauchen die 17
Heimspiele pro Saison, um sich refinanzieren zu können.“ Eine immer wieder
diskutierte Reduzierung auf 16 Klubs verbiete sich schon deshalb.
Die Situation ist ziemlich festgefahren. Entsprechend schwierig ist es,
Lösungsansätze zu finden. Die Ausdehnung der Kader, zumindest jener der
Spitzenklubs, wäre laut Bohmann einer. Gleichsam weiß er, dass dieser kaum
zu finanzieren sein dürfte. Eine weitere Möglichkeit wäre es, so der
HBL-Geschäftsführer, in der Gruppenphase der Champions League auf den
Einsatz des einen oder anderen Topspielers zu verzichten, auch wenn dadurch
eine Niederlage in Kauf genommen werden müsse.
Einen Denkanstoß der anderen Art brachte Oliver Roggisch Anfang Januar ins
Spiel. Er sprach sich für eine Reduzierung der Bundesliga aus, garniert
allerdings mit dem Vorschlag, eine Play-off-Runde um den Klassenerhalt
einzuführen, was zumindest theoretisch zwei Fliegen mit einer Klappe
schlagen würde: Die großen Klubs hätten Entlastung, die kleinen die gleiche
Anzahl an Heimspielen und somit an Einnahmemöglichkeiten.
15 Jan 2016
## AUTOREN
Frank Ketterer
## TAGS
Handball
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