# taz.de -- Mobbing bei Hamburger Polizei: Keiner, der mit den Wölfen heult | |
> Der Polizist Fatih Sarikaya hat sechs Abmahnungen und eine fristlose | |
> Kündigung kassiert – zu Unrecht, stellte das Arbeitsgericht fest. | |
Bild: Im Clinch mit seinem früheren Arbeitgeber: Ex-Polizist Fatih Sarikaya. | |
HAMBURG taz | Polizist ist Fatih Sarikaya aus Überzeugung geworden, seinen | |
Beruf übt er gern aus. Doch mit dem Apparat hat er inzwischen seine | |
Probleme. Er sei für die Hamburger Polizeiführung „unbequem“ geworden, | |
„kein Fisch, der einfach ohne nachzudenken stromabwärts schwimmt“, sagt | |
Sarikaya. | |
Sechs Abmahnungen und eine fristlose Kündigung hat er bekommen – zu | |
Unrecht, urteilte das Arbeitsgericht: die Kündigung sei unwirksam, die | |
Abmahnungen müssten getilgt werden. | |
Doch statt sofort wieder seine Arbeit aufnehmen zu können, erhielt Sarikaya | |
von der Personalabteilung der Polizei eine Mail, dass man erst einmal die | |
schriftliche Urteilsbegründung abwarten wolle. „Das Vorgehen der | |
Personalabteilung der Polizei ist von dem Ziel getragen, ihn | |
fertigzumachen“, sagt sein Anwalt Rolf Geffken. | |
Fatih Sarikaya hatte 2002 die Ausbildung an der Polizeischule in Alsterdorf | |
begonnen. Wegen familiärer Probleme wollte er den Lehrgang zum verbeamteten | |
Polizisten für zwei Jahre unterbrechen. Die Ausbilder hätten ihm geraten, | |
zur Überbrückung einen Kurs zum Angestellten im Polizeidienst (AiP) zu | |
besuchen. Das sind Polizisten, die im Angestelltenverhältnis vor allem im | |
Objektschutz und der Verkehrskontrolle tätig sind. „Das mussten sie nicht | |
tun, wenn sie nichts von mir gehalten hätten.“ | |
So kam Sarikaya 2003 dann doch zur Polizei und war an der Dienststelle | |
Objektschutz in der Sedanstraße tätig, wo er zur Bewachung von Konsulaten | |
und Synagogen rund um die Alster eingesetzt war. 2008 sei es mit den | |
„erheblichen Problemen“ losgegangen: Er sei von neuen Kollegen und | |
Vorgesetzten wegen seiner türkischen Abstammung gemobbt worden, musste sich | |
Sprüche wie „Kanake“ oder „Scheiß Türke“ anhören. „Das kann man e… | |
lang ertragen“, sagt er. Aber als Gerüchte gestreut wurden, er habe | |
Kollegen geschlagen, meldete er das dann doch der Führung. „Es ist nicht | |
reagiert worden, das wollte man wohl unter Verschluss halten.“ | |
Das ist kein Einzelfall: In derselben Dienststelle, wenn auch in einer | |
anderen Schicht, arbeitete der AiPler Andreas W., der Migranten die Lektüre | |
von Hitlers „Mein Kampf“ empfahl und dessen Facebook-Profil einen Totenkopf | |
mit Polizeimütze im Wachhäuschen vor einer jüdischen Schule zeigte. | |
Beschwerden über dieses Verhalten waren von Vorgesetzten gedeckelt worden, | |
wie sich bei einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht herausstellte. | |
Sarikaya wechselte 2013 zu dem neu eingerichteten Polizeiprojekt | |
„Parkraummanagement“, das das Knöllchenschreiben effektivieren sollte. | |
Sarikaya baute mit vier Kollegen die neue Einheit quasi auf. „Das ging ein | |
halbes Jahr ganz gut“, erinnert er sich. Doch als die Einheit größer wurde | |
und eine neue Dienststellenleitung eingesetzt wurde, hätten die fünf | |
Pioniere „auf der Abschussliste gestanden“. Gegen sie wurde der Vorwurf der | |
Korruption erhoben. So in der Art: „Für eine Frikadelle im Imbiss schreib | |
ich den falschparkenden Kunden vor der Tür kein Knöllchen aus.“ Ein halbes | |
Jahr ermittelte die Dienststelle Interne Ermittlungen gegen Sarikaya und | |
stellte das Verfahren schließlich ein. | |
Der nächste Versuch war eine Abmahnung, weil er unzuverlässig sei und sich | |
eigenmächtig von der Arbeit entfernt habe. Auf Klage vorm Arbeitsgericht | |
musste das Personalmanagement die Abmahnung aus der Personalakte entfernen. | |
Doch sie erneuerte ihre Vorwürfe nahezu zeitgleich mit sechs neuen | |
Abmahnungen. | |
Weshalb Sarikaya so in Ungnade gefallen ist, kann er nur erahnen. „Ich bin | |
jemand, der kritische Fragen stellt, man erwartet aber von Mitarbeitern, | |
dass sie mit den Wölfen heulen“, sagt er. „Unbequeme Mitarbeiter mag die | |
Polizei nicht.“ So gebe es gewisse Vorgaben, ein Knöllchen-Soll pro Tag zu | |
erfüllen, „auch wenn das niemand zugeben wird“, sagt Sarikaya. „Mir geht… | |
um Qualität und Gerechtigkeit und nicht um Quantität.“ Das sei wohl nicht | |
genehm gewesen, und deshalb sei er im Mai gekündigt worden. „Sie wollten | |
mir von heut auf morgen die Existenzgrundlage nehmen“, vermutet er. | |
Nachdem das Urteil des Arbeitsgerichts ergangen war, hat der Familienvater | |
Fatih Sarikaya seine Arbeitskraft angeboten – doch die Polizei spielt auf | |
Zeit. „Was für rechtswidrige Vorgänge unter dem Briefkopf der Polizei | |
praktiziert werden, grenzt schon an Mobbing“, sagt Anwalt Geffken. | |
Polizeisprecher Jörg Schröder sagte am Freitag auf taz-Anfrage: „Die | |
Polizei gibt keine Auskunft zu diesem Verfahren.“ | |
Der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten, Thomas | |
Wüppesahl, sieht vor allem politische Defizite in der Polizeiführung. | |
„Fatih Sarikaya ist nicht der einzige Fall. Seine Vorgesetzten haben unter | |
dem rechtspopulistischen Innensenator Ronald Schill Karriere gemacht, da | |
braucht man keine Störer oder gewalttätige Mitbürger, um von Gewalt gegen | |
Polizisten zu sprechen“, sagt Wüppesahl. „Das Traurige ist, dass eine | |
Personaldienststelle, die in Serie Recht und Gesetze bricht, unter einem | |
sozialdemokratischen Innensenator Michael Neumann und einem rot-grünen | |
Senat möglich ist.“ | |
18 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg | |
Mobbing | |
Arbeitsrecht | |
Hamburger Schule | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
„Unzumutbares Psychospiel“: Das Eltern-Lehrer-Gericht | |
Bei den Lernentwicklungsgesprächen geht es zu sehr um die Schwächen, | |
kritisieren Eltern. Zu Zielvereinbarungen darf kein Kind gezwungen werden | |
Mobbing: Kein Freund, kein Helfer | |
Der Polizist Bernd Baron ist als Querdenker innerbetrieblich in Ungnade | |
gefallen. Nach 28 Dienstjahren durfte er zuletzt nur noch mit einem | |
Aufpasser auf Streife gehen. |