# taz.de -- Mobbing: Kein Freund, kein Helfer | |
> Der Polizist Bernd Baron ist als Querdenker innerbetrieblich in Ungnade | |
> gefallen. Nach 28 Dienstjahren durfte er zuletzt nur noch mit einem | |
> Aufpasser auf Streife gehen. | |
Bild: Den Polizisten zieht es zurück an den Ort seines Wirkens: Bernd Baron vo… | |
Bernd Baron folgt seinem Beruf aus Überzeugung. 29 Jahre ist der 48-Jährige | |
Polizist schon bei der "Firma", eher konservativ geprägt, Ex-CDU-Mitglied | |
in Altona. Und eigentlich stünde nach dem neuen "Laufbahn-Verlaufsmodell" | |
die prüfungsfreie Beförderung in den gehobenen Dienst an. Stattdessen steht | |
der Polizeihauptmeister nun auf der Abschussliste. | |
So unterstellen ihm Vorgesetzte "Defizite im Umgang mit Bürgern und | |
Vorgesetzten" und "eine auffällige Verhaltenweise", die jetzt "korrigiert | |
werden" muss, wie es in internen Schriftstücken heißt. Auch der Flurfunk | |
treibt bei der Polizei Blüten. "Wer in seiner Laufbahn 14 Dienststellen | |
durchläuft, muss verrückt sein", wird getuschelt. Erstaunlich, angesichts | |
der Tatsache, dass Baron zuletzt jahrelang in der Betriebszentrale des | |
Elbtunnels (TBZ) seinen Dienst korrekt verrichtet hat. Er fühlt sich daher | |
gemobbt. "Es macht richtig krank", sagt Baron, der nun seit einem Jahr | |
arbeitsunfähig ist. | |
Ursache für die Herabsetzung dürfte sein, dass Bernd Baron bei der Polizei | |
als "Querdenker" gilt. Ein Beamter, der nicht alles hinnimmt und den Finger | |
auf Wunden im Apparat legt. So eckte er bei Vorgesetzten erstmals an, als | |
er mehrere Fahrzeuge vor dem Altonaer Krankenhaus abschleppen ließ. "Der | |
Gehweg war für Frauen mit Kinderwagen und Kranke auf Krücken nicht mehr | |
begehbar", erinnert sich Baron. Doch dafür habe er einen Rüffel bekommen. | |
"Da muss nicht gleich abgeschleppt werden", hätten ihn Vorgesetzte | |
angeschnauzt und ihm auf einem Foto gezeigt, dass der Weg durch Sträucher | |
ohnehin "zugewachsen" sei. "Dann muss man dem Gartenbauamt in Altona | |
bescheid sagen", konterte er. Er könne doch "nicht eine Lage akzeptieren, | |
die für den Bürger unerträglich ist". | |
Ein Vorfall brachte ihm sogar ein Verfahren wegen Nötigung von Amtswegen | |
ein. Da hatte er sich an einer unkonventionellen Lösung versucht. So hatte | |
Baron beobachtet, wie ein Autofahrer gefährlich über eine Kreuzung raste. | |
Er stoppte den Autofahrer und machte dem gestressten Raser den Vorschlag, | |
sich doch mal etwas zu entspannen und ihm den Autoschlüssel zu übergeben. | |
Wenn sich die Hektik in einer Stunde gelegt habe, könne er den Schlüssel in | |
der Verkehrsdirektion wieder abholen. Vorgesetzte hätten Baron deswegen | |
beim Dezernat Interne Ermittlungen (DIE) angeschwärzt, allerdings | |
ergebnislos. Der Autofahrer wäre über das Ermittlungsverfahren gegen Baron | |
und den Vorwurf der Nötigung verwundert gewesen, habe das DIE später | |
zugegeben: mit der Maßnahme des Polizisten sei er einverstanden gewesen. | |
Das Verfahren ist eingestellt worden. | |
Völlig in Ungnade ist Baron Oktober letzten Jahres gefallen, als er über | |
das polizeiinterne Intranet eine E-Mail versandte. Darin machte er neben | |
seiner Situation auch auf die Anderer aufmerksam. In eigener Sache beklagte | |
er, dass seine Vorgesetzten und der Dienststellenleiter unter | |
Außerachtlassung sämtlicher Umstände ihn zu einem der schlechtesten Beamten | |
der Verkehrsdirektion benoteten und somit zum zweiten Mal innerhalb eines | |
Jahres einen Aufstieg in den gehobenen Dienst verhinderten. Baron hatte in | |
der E-Mail den Verdacht geäußert, dass über die Beurteilungen für das | |
Laufbahn-Verlaufsmodell "alte offene Rechnungen" beglichen werden. Nach | |
einer Aufzählung gleich gelagerter Mobbingfälle hatte er alle Betroffenen | |
aufgefordert, "aus dem Schatten der Bedrückung, des Frusts und der inneren | |
Emigration" herauszutreten. | |
Als Reaktion ist Baron jetzt seit über zehn Monaten mit | |
disziplinarrechtlichen Maßnahmen konfrontiert. Ihm wird vorgeworfen, das | |
gesamte polizeiliche Intranet gefährdet zu haben: Es wäre zusammen | |
gebrochen, hätten alle Polizisten prompt auf seine E-Mail geantwortet. | |
Im Verlauf von Anhörungen weigerte er sich dann, an einem Gespräch mit | |
Vorgesetzten und der Dienstaufsicht ohne Vertrauensperson teilzunehmen. | |
"Dann nehmen Sie sich doch eine Vertrauensperson, es laufen hier ja genug | |
Leute herum", habe ihn wütend die Disziplinarbeamtin auf dem Flur der | |
Direktion befohlen. | |
Bei dem Versuch, seine Personalakte einzusehen, musste sich Baron auf eine | |
"regelrechte Schnitzeljagd" begeben, wie er sagt. Sie war anfangs | |
unauffindbar - mehrere Dienststellen hatten sie zur Einsicht angefordert. | |
Als er die Personalakte denn endlich zu Gesicht bekam, stellte er aufgrund | |
der unvollständigen Paginierung fest, dass Bestandteile entfernt worden | |
waren. "Es gab keine Hinweiszettel, was in der Akte fehlt", berichtet | |
Baron. Es gab auch keinen Vermerk über ein seit einem Jahr anhängiges | |
Disziplinarverfahren, zu dem er nie gehört worden sei. Stattdessen habe | |
sich in der Personalakte die Anregung befunden, Baron psychologisch checken | |
zu lassen. | |
Zuletzt hat Baron seinen Dienst bei der Verkehrsdirektion nur unter | |
Bewachung verrichtet. Im Kartext: Er durfte die Dienststelle zum | |
Streifendienst nur in Begleitung eines zugeteilten Aufpasser verlassen. | |
"Ich durfte nach 28 Jahren Polizei nicht allein vor die Tür, weil ich so | |
gefährlich bin", sagt der 48-jährigen sarkastisch. Als er einmal dennoch | |
allein einen Einsatz wahrnehmen musste, habe sein Bewacher später gestaunt. | |
"Er fragte, was gegen mich eigentlich vorliegt", erinnert sich Baron. "Er | |
meinte nur, er wäre überrascht, dass die Leute aus der Tunnelzentrale | |
offenkundig doch in der Lage seien, mehr als nur den Verkehr zu regeln." | |
Obwohl es in der Innenbehörde seit 2005 eine Dienstvereinbarung zum "Umgang | |
mit Konflikten am Arbeitsplatz" gibt (siehe Kasten), ist bei Baron eine | |
Konfliktlösung nicht in Sicht. Das betriebliche Eingliederungsmanagement | |
hat nicht stattgefunden und eine externe Mediation ist von | |
Polizei-Verantwortlichen stets verworfen worden. Eine offizielle | |
Stellungsnahme war zur "Causa Baron" am Wochenende vom Personalmanagement | |
nicht zu bekommen. | |
Baron hat inzwischen vergebens versucht, gerichtlich gegen das Mobbing | |
vorzugehen. "Für das, was sie mir angetan haben, möchte ich | |
Schadensersatz." Doch das Zivilgericht verwies auf den | |
verwaltungsgerichtlichen Weg. "Ich müsste mich auf einen jahrelangen | |
Prozess einlassen, um gültiges Recht einzuklagen", sagt Baron, der auch | |
Innensenator Christoph Ahlhaus zur Intervention bewegen wollte. Ahlhaus | |
könne sich "inhaltlich nicht zu den Vorwürfen äußern", beschied man ihm. | |
Und empfahl, bei zukünftig "den Dienstweg einzuhalten". | |
Barons Versuch, über den Eingabenausschuss der Bürgerschaft Hilfe zu | |
bekommen, war ebenso erfolglos. Der Ausschuss vertröstete ihn damit, dass | |
das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Von weiteren Schreiben solle er | |
jedoch abzusehen, da das den Fall nur verzögere. Auch beim Vorsitzenden des | |
Innenausschusses ist Baron mehr oder weniger abgeblitzt. "Ich solle mich | |
wieder melden, wenn man anfängt, mich zu schikanieren", sagt Baron und | |
schüttelt den Kopf: "Was muss denn noch passieren, dass das Kontrollgremium | |
Innenausschuss reagiert?" | |
18 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg | |
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