# taz.de -- Halbzeit bei den Klimaverhandlungen: Und alle streiten ums Geld | |
> Schon bald soll ein weltweites Abkommen gegen die Erderwärmung stehen. | |
> Noch stellt sich aber die Frage: Wer bezahlt das Ganze? | |
Bild: Entwicklungsländer wie Bangladesh sind nicht zu Klimaschutz und Finanzhi… | |
PARIS taz | Für die Delegierten auf dem Weltklimagipfel wartet in der | |
zweiten Woche noch ein gewaltiger Brocken Arbeit. „Die Atmosphäre bei den | |
Verhandlungen wird immer brutaler”, sagte Kelly Dent von der | |
Entwicklungsorganisation Oxfam über die UN-Klimakonferenz in Paris. „Aber | |
das ist gut so. Man sieht jetzt die politischen Bruchlinien.” | |
Immerhin in Textmenge gemessen gibt es bereits greifbare Fortschritte. Am | |
Freitag veröffentlichte das UN-Klimasekretariat eine neue Versionen des | |
Weltklimavertrags mit nur noch 38 Seiten. Zu Beginn der Woche waren es noch | |
54 gewesen. Der Text enthält verschiedenste Optionen und Formulierungen für | |
die Themen, um die es in einem Klimavertrag geht: Wie stark reduziert wer | |
die Emissionen von Treibhausgasen, wie wird das überwacht? Wie gegen | |
Endwaldung vorgehen? Es geht um Technologietransfer in Entwicklungsländer, | |
darum, wie sich Menschen weltweit an die Erderwärmung anpassen könnten und | |
vor allem: Wer das alles zahlt. | |
Viel also für einen Vertragstext, der nun in einem 26-stündigen | |
Verhandlungsmarathon weiter gekürzt und vereinfacht werden soll. Auf der | |
Grundlage übernehmen dann die UmweltministerInnen der 195 Mitglieder der | |
UN-Klimakonvention in der kommenden Woche die Arbeit. | |
Der Grund für den verschärften Ton ist die Einteilung der Staaten in | |
Industrie- und Entwicklungsländer. Erstere sind zu Klimaschutz und | |
Finanzhilfen verpflichtet, während die Entwicklungsländer keinerlei | |
Pflichten haben. Diesen Zustand wollen die Industriestaaten überwinden, | |
weil der Klimawandel ohne die Entwicklungsländer nicht gestoppt werden | |
kann. | |
## Alle müssen gleich behandelt werden | |
„Es gibt viele Länder, die sagen, das aktuelle Paradigma der Unterscheidung | |
habe sein Verfallsdatum überschritten, und fordern, dass alle Länder gleich | |
behandelt werden”, sagt Rama Mehta von der indischen Umweltstiftung | |
Vasudha. „Doch das wäre unfair, weil es die immer noch großen Unterschiede | |
zwischen den Ländern nicht wieder spiegelt.” | |
Das zeigt sich bei der finanziellen Unterstützung von Entwicklungsländern. | |
Vor sechs Jahren haben die Industrieländer in Kopenhagen versprochen, ab | |
2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zu geben. Das wird nicht reichen, darin | |
sind sich in Paris immerhin alle einig. Die Entwicklungsländer fordern | |
deshalb, bereits jetzt zu vereinbaren, wie viel Geld zwischen 2025 und 2030 | |
zur Anpassung an den Klimawandel zur Verfügung stehen soll. Die | |
Industrieländer wollen dem nur zustimmen, wenn auch wohlhabende | |
Entwicklungsländer wie Saudi-Arabien etwas beitragen. „Das ist das zentrale | |
Tauschgeschäft beim Klimageld: Finanzziele gegen Ausweitung des | |
Geberkreises”, sagt Dent. | |
Wenn die Finanzfrage geklärt ist, können die Verhandler das eigentlichen | |
Ziel angehen: weltweit weniger Klimagase. Im Vorfeld der Pariser Konferenz | |
haben 185 Länder ihre Klimaschutzpläne bei der UN eingereicht. Allein | |
deswegen galt Paris bereits vor Beginn der Konferenz als Erfolg. Doch diese | |
Pläne reichen nicht, um die Klimaerwärmung auf weltweit durchschnittlich | |
zwei Grad zu begrenzen. Zwei Grad gelten als noch beherrschbar. | |
## 2050 alle auf Solarstrom? | |
Um das Temperaturziel erreichen zu können, müssen die Klimapläne der Länder | |
regelmäßig verschärft werden. Das könnte bereits im jetzigen Vertrag | |
festgelegt werden. Auch um diese Frage wird nächste Woche gerungen werden. | |
Im besten Fall könnte von der Konferenz ein Signal an die Wirtschaft | |
ausgehen, Billionen von Euros und Dollar so zu investieren, dass sie dem | |
Klimawandel entgegenwirken. | |
Eine Gruppe von 43 besonders stark von der Erderwärmung betroffenen | |
Entwicklungsländern fordert, dass sich alle Staaten verpflichten, bis zum | |
Jahr 2050 ihre Energie komplett mit erneuerbaren Energien zu erzeugen. Das | |
versuchen die Öl exportierenden, arabischen Länder und Indien zu | |
verhindern. Die Positionen sind also selbst innerhalb der Gruppe der | |
Entwicklungsländer, der G77, kontrovers. Jochen Flasbarth, Staatssekretär | |
im Bundesumweltministerium, rechnet damit, dass die bisherigen | |
Verhandlungsgruppen aufbrechen. „Die meisten Verhandlungsgruppen werden | |
Mühe haben, ihre Schäfchen zusammen zu halten.” | |
Hehre Ziele bringen wenig, wenn keiner prüft, ob sie auch erreicht werden. | |
Die Industriestaaten wollen ein einheitliches System für alle, während | |
Länder wie Saudi-Arabien und Indien argumentieren, ihre freiwilligen | |
Maßnahmen zum Klimaschutz dürften nicht so streng geprüft werden wie die | |
der Industrieländer. | |
Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage, wer für Verluste und Schäden | |
aufkommt: Länder können sich zwar an viele Klimafolgen anpassen, etwa Dämme | |
bauen. Es gibt aber auch unabwendbare Verluste, wenn Gletscher abschmelzen | |
oder der Meeresspiegel steigt. Insbesondere die kleinen Inselstaaten | |
fordern eine Institution, die sich permanent um solche Fälle kümmert. Das | |
wollen die USA verhindern, weil sie Schadensersatzforderungen fürchten. | |
Aber immerhin gibt es Bewegung: „Die Option, dass das Thema komplett aus | |
dem Paris-Abkommen rausgehalten wird, ist vom Tisch”, sagt Sven Harmeling | |
von der Entwicklungsorganisation Care. | |
4 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Mihatsch | |
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