# taz.de -- Einzelhaushalte sind unökologisch: Mein Toaster, mein Fernseher | |
> Willkommen in der Vereinzelungsgesellschaft: 40 Prozent der Deutschen | |
> leben mittlerweile allein. Das ist schlecht fürs Klima. | |
Bild: Vereinzelung ist nicht nur schlecht für die Umwelt, sondern auch für de… | |
Berlin taz | Das Umweltbundesamt hat die empfindlichste Stelle unserer | |
Gesellschaft ausgemacht und legt den Finger mitten in die Wunde: Zu viele | |
von uns leben allein. Das ist dekadent – und schlecht fürs Klima, | |
vermeldete die Behörde am Dienstag. Das Ergebnis ist nicht neu, aber | |
deswegen nicht weniger interessant. | |
In 40 Prozent aller Wohnungen und Häuser leben die Deutschen laut Statistik | |
mittlerweile alleine. Die meisten haben eigene Waschmaschinen und eigene | |
Computer, viele fahren eigene Autos. Und die alle fressen massig Strom und | |
blasen Unmengen klimaschädliches Kohlendioxid in die Luft. | |
Aber nicht nur das. Laut Statistischem Bundesamt gibt keine andere | |
Haushaltsgruppe mehr für Ernährung, Bekleidung und Wohnen aus als | |
Alleinlebende. Das meiste davon ist einzeln verpackt und sorgt für extra | |
Müll. Laut einer Studie des University College London produzieren | |
Alleinlebende in England und Wales 1.600 Kilogramm Müll pro Jahr, während | |
eine Person in einem Vier-Personen-Haushalt nur 1.000 Kilo Abfall | |
produziert – was immer noch eine ganze Menge ist. Die Industrie frohlockt, | |
die Umwelt stöhnt. | |
Die Zeiten, in denen Vater, Mutter, Kind(er) in einem Haus gewohnt haben | |
und nebendran noch Oma, Opa und Tanten, sind längst vorbei – und das ist, | |
in anderen Zusammenhängen auch gar nicht so bedauerlich, wie im | |
Zusammenhang mit dem Klimawandel. Aber, Deutschland – ein Club der einsamen | |
Herzen? | |
## WGs erfordern Kompromisse | |
Die Singles sind nicht das Problem. Wir leben in einer | |
Vereinzelungsgesellschaft. Eine nicht repräsentative Beobachtung im | |
Bekanntenkreis bestätigt: Wer mit Ende 20 oder Anfang 30 noch in eine WG | |
zieht, ist oft entweder Langzeitstudent oder kann sich keine eigene Wohnung | |
leisten. Viele suchen, besonders in der Großstadt, eine Wohnung für sich | |
allein, weil sie entweder „nach der Arbeit meine Ruhe“, oder sich „nicht | |
mehr mit Mitbewohner*innen arrangieren“ wollen. „Mein Toaster, mein | |
Fernseher, meine Espressomaschine“ sind die Folge. | |
Klar, in einer WG oder gar mit einem/r Partner*in zusammenzuleben, | |
erfordert Kompromisse. Da wird die leere Klopapierrolle nicht ausgetauscht, | |
die eben benutzte Pfanne nicht abgewaschen oder das Licht brennt, obwohl | |
seit Stunden kein Mensch den Raum betreten hat (auch schlecht fürs Klima). | |
Das alles erfordert Kommunikation und bietet möglichen Zündstoff für | |
Konflikte, denen die meisten Menschen lieber aus dem Weg gehen. | |
Doch diese Ich-Bezogenheit verbunden mit der Angst vor allem Unbekannten | |
endet nicht hinter der eigenen Wohnungstür, sie zieht sich durch den | |
gesamten Alltag. Oder wann haben Sie zuletzt einen fremden Menschen auf der | |
Straße angesprochen und nicht nur nach dem Weg gefragt oder sich im Bus | |
oder Zug neben eine andere Person gesetzt, obwohl noch Doppelplätze frei | |
waren? Eben. | |
Wer so etwas tut, bekommt in etwa so viel Vertrauen geschenkt wie jemand, | |
der mit langem Bart und wallenden Gewändern durch Dresden läuft. | |
Argwöhnisch wird so eine Person analysiert und abgeklopft, nach dem einen | |
Wort oder der einen Geste, die verrät: Meine Freundlichkeit ist nur | |
gespielt, in Wirklichkeit will ich dich aufs Kreuz legen – oder dir | |
wenigstens eine teure Lebensversicherung verticken. | |
Was das alles mit dem Klima zu tun hat? Auf den ersten Blick nicht viel. | |
Aber es ist ein Stück im großen Puzzle der Klimafreundlichkeit. | |
10 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Ronny Müller | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Singles | |
Wohnen | |
Ökologie | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sport und Naturverbundenheit: Verlogene Bilder | |
Unseren Bewegungsdrang leben wir am liebsten in „freier Natur“ aus. Doch | |
auf wessen Kosten das geht, bedenkt kaum jemand. |