# taz.de -- Die Verkehrssünder des Fußballs: Dicke Gehaltsschecks, dicke Karr… | |
> Vor einem Jahr kam raus, dass Marco Reus jahrelang mit gefälschtem | |
> Führerschein unterwegs war. Damit hat er es in einen speziellen Klub | |
> geschafft. | |
Bild: Der Mann mit den Ferraris: Günter Netzer in den Siebzigern, | |
Lange Zeit war Marco Reus ein kleines Licht unter den Autoprolls des | |
Fußballs. Ja, er mochte schicke Wagen, machte kräftig Werbung dafür und | |
fuhr auch gern mal zu schnell. Damit aber machte er als Fußballer keine | |
Schlagzeilen. Nicht, wenn Olli Kahn 163 km/h [1][statt der erlaubten 80 | |
fuhr] und Karim Benzema mit 216 km/h [2][den Begriff Tempo-100-Zone | |
dehnte]. Nicht, wenn Stefan Effenberg nach gefühlt jeder Wiesn | |
alkoholisiert am Steuer erwischt wurde und in einer anderen | |
Polizeikontrolle gewohnt charmant den Beamten als „Arschloch“ | |
verabschiedete. Effenbergs [3][gar nicht so schlechter Erklärungsversuch | |
vor Gericht]: Ein Missverständnis, er habe „schönen Abend noch“ gesagt. | |
Außer Konkurrenz: Mario Balotelli, der allein in den ersten zehn Monaten in | |
Manchester Strafzettel im Wert von 11.000 Euro fürs Falschparken sammelte | |
[4][und 27-mal abgeschleppt wurde]. Gestört hat es ihn offenbar nicht, denn | |
in Italien ging es gleich weiter so. Nach einer rasanten Fahrt mit | |
Führerscheinentzug erklärte Balotelli: [5][“Ich habe nicht gemerkt, dass | |
ich so schnell unterwegs war.“] | |
Dass Reus es dann doch noch unter die großen Verkehrssünder des Fußballs | |
schaffte, verdankte er bekanntlich dem Strafbefehl im Dezember 2014, als | |
herauskam, dass er jahrelang [6][mit gefälschtem Führerschein unterwegs | |
war] und einen richtigen Lappen nie besessen hatte. | |
Es gibt keine statistischen Daten zur Frage, ob Fußballer öfter im Verkehr | |
straffällig werden als andere Menschen. Es hat auch offensichtlich niemand | |
je den Versuch unternommen, so etwas zu zählen. Wer aber sucht, findet von | |
A wie Arnautović und B wie Balotelli, Ballack und Benzema bis Z wie Zidan | |
(der Ägypter, nicht der Franzose) das Who’s who des Fußballs beim | |
Führerscheinentzug. Zeit also, einen Blick zu werfen auf das besondere | |
Verhältnis von Fußballern zu ihren Autos. | |
## Der Zauberfuß mit dem Ferrari-Fimmel | |
Irgendwie muss es Günter Netzers Schuld sein. Natürlich gab es schon vorher | |
Fußballer, die es mit den Verkehrsregeln nicht so genaunahmen, legendär | |
etwa die promilleträchtigen Fahrten von Helmut Rahn. Doch Netzer, der | |
Fußballpopstar der Siebziger, brachte das Auto als Statussymbol in die | |
Bundesliga. Dicke Gehaltsschecks machten Schlitten möglich, von denen die | |
vorherige Generation nur träumen konnte. | |
Netzer fuhr Ferrari, den heißesten Scheiß also, ließ sich ständig damit | |
ablichten, raste dank guter Beziehungen zum Straßenverkehrsamt ohne große | |
Konsequenzen an Geschwindigkeitsbeschränkungen vorbei. Bis heute beliebt | |
die Geschichte, wie er es schaffte, Kumpel Franz Beckenbauer übers Ohr zu | |
hauen, indem er ihm einen maroden Jaguar verscherbelte. Franz empörte sich | |
öffentlich über die „Scheißkarre“, dann löste er das Problem auf seine … | |
und verkaufte die Kiste weiter: an den arglosen Wolfgang Overath. | |
Damals, Anfang der Siebziger, fing an, was bis heute kein Ende gefunden | |
hat. Mittlerweile kann sich jeder 18-jährige Bundesligaspieler kaufen, was | |
früher Statussymbol der Alphatiere war. Und während einst Paul Breitner | |
Schwierigkeiten hatte, seine Garage an die neueste Mode dicker Bentleys | |
anzupassen (Breitner nonchalant: „Da hab ich einfach die Wand durchbrechen | |
lassen“), können Cristiano Ronaldo & Co. heute für ihre Fuhrparks ganze | |
Autohäuser anmieten. Warum aber gerade das Auto? Und warum rasen viele | |
Profis so gern jenseits von Gut und Böse? | |
Das Auto war nie einfach nur Fortbewegungsmittel. „Der Reiz des Autos war | |
schon immer die Beschleunigung“, sagt Armen Avanessian, | |
Beschleunigungsphilosoph. „Die Geschwindigkeit hatte einen Schockeffekt.“ | |
Je schneller der technologische Fortschritt in der Gesellschaft, desto | |
stärker reagierten die Menschen ihrerseits mit Beschleunigung. Allerdings | |
im Auto nicht jeder in gleichem Maße, denn, so sagt der Sportsoziologe | |
Thomas Alkemeyer: „Die Lust an Geschwindigkeit ist hochgradig | |
genderspezifisch.“ | |
## Tempo als Männlichkeitsritual | |
Und dafür haben Fußballprofis ideale Voraussetzungen: jung, männlich, reich | |
genug, um Geldstrafen ziemlich egal zu finden und um sich einen Schlitten | |
zuzulegen, von dem andere nur träumen. „Das Auto ist ein geliebtes Objekt“, | |
so Alkemeyer. „Es spiegelt einen Teil der Persönlichkeit wider.“ | |
Begeisterung für Technik, für Selbstinszenierung und für Risiko seien die | |
entscheidende Kombination. „Geschwindigkeit im Auto ist eine Art | |
Männlichkeitsritual.“ Und ein weiterer Faktor könnte eine Rolle spielen: | |
Fußballer gehen einer Beschäftigung nach, in der Adrenalin und | |
Risikobereitschaft gewissermaßen Zugangsvoraussetzung sind. | |
„Man kann diskutieren, ob das Fußballspiel nicht ein Einüben von | |
Männlichkeit ist“, so Alkemeyer. „Es geht um hohen Körpereinsatz, aber au… | |
um Spielwitz. In Deutschland ist Fußball eng mit Männlichkeit verknüpft.“ | |
So eng wie sonst vielleicht nur Bier. Und das Auto. Aber ob Fußballer | |
deshalb lieber rasen als andere? Vielleicht stehen sie einfach nur eher im | |
Scheinwerferlicht. Oder es gilt das alte Klischee der Parallelwelt des | |
Glamours: zu schnell, zu jung, zu reich. Symptomatisch für solche | |
Selbstüberschätzung wurde ein Spruch von Marko Arnautović, der bei einer | |
Polizeikontrolle sagte: „Du hast mir gar nichts zu sagen. Ich verdiene so | |
viel, ich kann dein Leben kaufen.“ | |
Anfang des Jahres sorgte der Unfall von Junior Malanda für Aufsehen: Der | |
Jungprofi des VfL Wolfsburg verunglückte tödlich im eigenen Auto, das von | |
einem Bekannten gefahren wurde, 40 km/h zu schnell, bei Regen und | |
Sturmböen. Allein in den sechs Monaten zuvor war der Wagen 21-mal geblitzt | |
worden, die Jungs hatten stolz ihren Tacho bei 200 km/h fotografiert. | |
## Wer braucht schon einen Führerschein? | |
Nach dem Unfall Malandas beschuldigte dessen Berater die Vereine, rasende | |
Jungprofis nicht genügend zu mäßigen: „Sie schauen weg und sind nicht | |
konsequent bei Bestrafungen, weil sie Angst haben, dass sich ihr Talent | |
einen anderen Verein suchen könnte.“ Einige Klubs wie Eintracht Frankfurt | |
oder Mainz 05 ließen daraufhin verlauten, dass sie ihren Spielern ohnehin | |
lediglich Mittelklassewagen zur Verfügung stellten, um Raserei zu | |
vermeiden. Ob das hilft, darf bezweifelt werden. Oder, wie Avanessian es | |
formuliert: „Auch mit einem kleinen Wagen kann man viel Dummes anstellen.“ | |
Und wenn ein reicher Profi will, kommt er nicht nur ohne dicken Wagen, | |
sondern auch ganz ohne Führerschein gut aus. | |
So wie etwa vor ein paar Jahren Dutzende Spieler dank eines Fahrlehrers aus | |
Bad Gandersheim. Der hatte mit einigen Kumpels Fußballern, die keinen | |
Führerschein besaßen, großzügig Lizenzen beschafft. Natürlich nicht ohne | |
Eigengewinn: 2.900 Euro kostete es, wenn man auf die Fahrstunden oder die | |
Prüfung verzichten wollte. Zu den Klienten gehörten renommierte Profis wie | |
Diego oder Marcelinho. Auch die Mauschelei hat Tradition: Schon Günter | |
Netzer hatte in Norbert Pflippen einen Freund beim Straßenverkehrsamt, der | |
seine Strafzettel verschwinden ließ. Als Fußballprofi findet sich schnell | |
mal ein Helfer im Straßenverkehr. | |
Freilich gibt es auch bei der Trickserei geschicktere und weniger | |
geschickte Vertreter. Schön etwa der Fall von Adrian Ramos, der einst die | |
Fahrprüfung umgehen wollte und ein Double schickte. Schlecht für Ramos: Der | |
Doppelgänger war hellhäutig. Später, zu BVB-Zeiten, nützte Ramos sein | |
inzwischen bestandener Führerschein dann doch noch: Er chauffierte den | |
aufgeflogenen Marco Reus. | |
12 Dec 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.rp-online.de/sport/fussball/bundesliga/kahn-droht-verlust-des-fu… | |
[2] http://www.sueddeutsche.de/sport/stuermer-von-real-madrid-polizei-blitzt-ka… | |
[3] http://www.n-tv.de/panorama/Effenberg-muss-Strafe-zahlen-article92669.html | |
[4] http://www.n-tv.de/sport/fussball/Balotelli-Koenig-der-Falschparker-article… | |
[5] http://www.zeit.de/news/2015-09/07/fussball-zu-schnellunterwegsbalotelli-ve… | |
[6] /Reus-uebers-Fahren-ohne-Fuehrerschein/!5025841 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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