# taz.de -- Tatarenführer über Krim-Blockade: „Nur Menschen zweiter Klasse�… | |
> Mustafa Dschemilew fordert die totale Blockade der Halbinsel. Russlands | |
> Umgang mit den Krimtataren nennt er Terror. Der Rechte Sektor ist für ihn | |
> kein Problem. | |
Bild: Mustafa Dschemilew bei einer Demonstration | |
taz: Herr Dschemilew, vor der Krim-Annexion haben Sie Kiew dafür | |
kritisiert, dass es sich zu wenig um die Krimtataren gekümmert hat. Jetzt | |
wären Sie mit den Freiheiten zufrieden, die es damals gab? | |
Mustafa Dschemilew: Es geht um einen prinzipiellen Unterschied. Mit all | |
ihren Schwächen war und bleibt die Ukraine ein demokratischer Staat. Das | |
unmenschliche Regime, dass man auf der Krim nach der Annexion etabliert | |
hat, ist noch schlimmer als das sowjetische. Das, was dort jetzt passiert, | |
mutet wie der Terror unter Stalin an. | |
Welche Forderungen haben Sie? | |
Die Freilassung sämtlicher Geiseln und politischer Gefangenen. Die | |
Zulassung internationaler Beobachter und Menschenrechtler, die die Mord- | |
und Menschenraubfälle aufklären sollen. Die Gewährleistung demokratischer | |
Freiheiten. | |
Was hat sich für die Krimtataren nach dem Anschluss an Russland geändert? | |
Sie sind zu Menschen zweiter Klasse geworden. | |
Gibt es Proteste? Wie gefährlich ist es? | |
Du kannst gar nichts machen. Sobald jemand den Mund aufmacht, kriegt man | |
als Antwort, ihr wolltet in Russland leben, wenn ihr unzufrieden seid, so | |
haut doch ab. | |
Sie fordern eine totale Blockade der Krim. Warum? | |
Der Sonderstatus der Krim als freie Handelszone ist absurd. Wir drohen | |
jedem mit Sanktionen, der mit der Krim dort Geschäfte abwickeln will. | |
Dahinter stehen ukrainische Oligarchen, die sich um die territoriale | |
Integrität nicht scheren. Denen geht es nur um Gewinne. | |
Wer befürwortet die Blockade? | |
Es gab einen Beschluss der Versammlung der Krimtataren. Zu den Aktivisten | |
zählen Vertreter ziviler Organisationen, der Freiwilligenvereine, auch | |
Militäreinheiten wie Aidar, Asow. | |
Auch der Rechte Sektor …? | |
Ich verstehe nicht, warum man den Rechten Sektor dämonisiert. Sie | |
unterstützen uns, wie viele andere Patrioten, die bei Wind und Regen an der | |
Grenze zur Krim zelten und Wache schieben. | |
Was haben Sie erreicht? | |
Das ukrainische Kabinett hat beschlossen, dass Warenlieferungen zwischen | |
der Krim und der Ukraine eingestellt werden. Das ist der erste Schritt. Der | |
nächste wäre die Energieblockade. Solange die politischen Gefangenen nicht | |
freikommen, darf die Stromversorgung nicht wieder hergestellt werden. | |
Erhalten Sie Unterstützung seitens der ukrainischen Regierung? | |
Ich bin im ständigen Kontakt sowohl mit dem Präsidenten als auch mit dem | |
Premierminister, außerdem bin ich bei den Sitzungen des Kabinetts dabei. | |
Überall stoße ich auf Verständnis und volle Unterstützung. | |
Das heißt, Petro Poroschenko unterstützt die Blockade der Krim? | |
Seine Position ist folgende. Er könne und wolle uns nicht an der | |
Realisierung unserer demokratischen Rechte hindern, solange alles im Rahmen | |
des Gesetzes bleibt. Bis jetzt hatte er uns gegenüber keine Einwände | |
geäußert. | |
Wissen Sie, wer die Strommasten gesprengt hat? | |
Man versucht, die Schuld vor allem den Krimtataren zuzuschieben, um sie in | |
den Augen der Krim-Bewohner zu diskreditieren. Die Untersuchung dauert noch | |
an, und ich hoffe, dass die Täter möglichst bald gefunden werden. | |
Die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland nehmen täglich zu. Haben | |
Sie keine Angst, dass die Lage eskaliert? | |
Nach dieser Argumentation sollten wir lieber unsere Armee gleich nach Hause | |
schicken und die Grenzen zu Russland öffnen. Das würde sicherlich die Lage | |
deeskalieren. Aber die Frage ist doch eher, wer an all dem schuld ist. Wer | |
der Aggressor ist. Wir kämpfen nur um unsere Rechte, nicht mehr, aber auch | |
nicht weniger! | |
Im März 2014, kurz vor dem Krim-Referendum, hatten Sie ein längeres | |
Telefonat mit dem russischen Präsidenten. Drei Wochen später wurde Ihnen | |
die Einreise auf die Krim verwehrt. | |
Wladimir Putin hatte weitreichende Rechte und Privilegien für die | |
Krimtataren versprochen, wenn wir die Krim als Teil Russlands akzeptieren | |
werden. Ich habe darauf geantwortet, dass wir das niemals tun werden, weil | |
die Krim zur Ukraine gehört. | |
27 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Jarina Kajafa | |
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