# taz.de -- Talk mit Günther Jauch: Fünf gegen den Hundeblick | |
> Nach vier Jahren moderiert er am Sonntag zum letzten Mal seinen Talk. | |
> Fünf Gründe, warum es nicht weitergehen konnte. | |
Bild: Ja, da verfallen wir alle etwas ins Grübeln. | |
## 1. Die Erwartungen | |
„Mit Günther Jauch ist es uns gelungen, nicht nur eines der bekanntesten | |
Fernsehgesichter Deutschlands zu gewinnen, sondern mehr noch einen | |
exzellenten Journalisten.“ Ach, falsch, das Zitat ist ja von 2006, vom | |
damaligen ARD-Programmdirektor Günter Struve. Jauch kam ja dann doch nicht. | |
Es gab ein bisschen Ärger (Stichwort „Gremlins“, siehe Punkt 3), aber es | |
schien, als fiele fünf Jahre später umso mehr Anspannung von allen | |
Entscheidern ab, als man es dann doch schaffte, Jauch für die ARD und für | |
den Talk am Sonntagabend zu gewinnen. Jetzt sollte, ja, jetzt musste doch | |
alles besser, schöner, informativer werden. Wurde es nicht. Konnte es auch | |
nicht. Denn seine Vorgängerin Anne Will hatte keinen allzu schlechten Job | |
gemacht. | |
## 2. Die Gästeliste | |
Edmund Stoiber ist Spitzenreiter. In den vergangenen zwei Jahren war keiner | |
öfter zu Gast bei Jauch als der ehemalige bayerischer Ministerpräsident. | |
Fünf Mal saß er in der Runde. Danach kommt gleich die | |
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die vier Mal da war, | |
genau so oft wie Wolfgang Bosbach (CDU). Kurz: Es sind häufig die selben | |
Leute, die in der sonntäglichen Runde sitzen. | |
Berliner Datenjournalisten haben die Gästelisten der Polittalkshows | |
ausgewertet und unter dem Titel „Meinungsmaschine“ im Internet | |
veröffentlicht. Ergebnis: Der durchschnittliche Jauch-Gast ist CDU‘ler, | |
männlich und 56 Jahre alt. Damit liegt Jauch im Durchschnitt, dennoch gibt | |
es immer wieder Kritik an seiner Auswahl. | |
Zwei Berliner Studenten haben Anfang dieser Woche eine Petition gestartet, | |
die Jauch bewegen soll, in seiner letzten Sendung ausschließlich weibliche | |
Gäste einzuladen. Denn: „Allwöchentlich saßen in der Runde überwiegend, | |
manchmal nur, Männer (gerne auch ältere Männer), die unter den neugierigen | |
Blicken von Millionen über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der | |
Republik schwadronierten“, sagt Vincent-Immanuel Herr. Wenn Frauen in der | |
Sendung saßen, dann waren sie vor allem Betroffene, oder durften sich zu | |
Themen wie Haushalt, Gleichberechtigung und Billigmode aus Bangladesh | |
äußern. Die „harten Themen“, so Heer, waren meist den Männern überlasse… | |
Nur: Im Vergleich zu seinen ARD-Talkkollegen steht Jauch eigentlich ganz | |
gut da. Zwar waren in den vergangenen Jahren laut Meinungsmaschine nur 30 | |
Prozent seiner Gäste weiblich. Das ist aber immerhin mehr als bei Maybritt | |
Illner (26 Prozent) und bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“ (29 Prozent). | |
Ähnliche Erhebnungen könnte man anstellen für Menschen mit | |
Migrationshintergrund, Behinderung und so weiter, die in den ARD Talkshows | |
nicht repräsentiert sind. In den Sendungen spricht also eine kleine Elite, | |
über eine Gesellschaft, die viel diverser ist, als das, was wir am | |
Sonntagabend zu sehen bekommen. | |
## 3. Die ARD frisst ihre Stars | |
Finanziell wird es Jauch schon gut gegangen sein: Mehr als zehn Millionen | |
Euro sollen pro Jahr an seine Firma für den Sonntagabendtalk geflossen | |
sein. Doch – Achtung Floskel! – Geld ist nicht alles. Die ARD mit ihren | |
neun Landesrundfunkanstalten stand nie geschlossen hinter Jauch. Von Anfang | |
an fanden es einige Chefs und Chefinnen unerträglich, dass Jauch weiter bei | |
RTL sein „Wer wird Millionär?“ moderierte: Information hier, Show da – | |
igitt! Nicht selten sollen Jauchs Sendungen am Tag danach von den | |
Entscheidern in internen Runden ordentlich gefleddert worden sein. | |
Dazu kommen all die „Gremien voller Gremlins“, wie Jauch selbst einst die | |
Rundfunk- und Verwaltungsräte nannte. Es lief ähnlich wie bei Thomas | |
Gottschalk, der mit seinem Vorabendtalk im Ersten zwar gut verdiente, aber | |
nie geliebt wurde in der ARD. Stars pflegen und hätscheln, das fällt dem | |
föderalen Haufen schwer. Sehr schwer. | |
## 4. Das „Gäste streicheln“ | |
Eine der Kernkompetenzen eines TV-Moderators ist es, seine Gäste und Themen | |
im Griff zu haben. Das verlangt manchmal Unangenehmes: kritische | |
Nachfragen, Rednern ins Wort fallen, Fakten präsentieren, Spinner in ihrer | |
Spinnerei einfangen. Günther Jauch beherrscht all das nicht. Seine | |
Kernkompetenz heißt: Gäste streicheln. Wenn die Diskussionen in seiner | |
Sendung besonders unangenehm wurden, setzte er den Blick eines verblüfften | |
Dackels auf und wurde sehr still. | |
Allein in diesem Jahr konnte man das mehrmals beobachten: Im Januar lud er | |
die damalige Pegida-Organsiatorin Katrin Oertel in die Sendung ein. Lange | |
schon lief die Debatte, ob man mit Pegida sprechen dürfte oder sie als | |
rechte Populisten ignorieren sollte. Jauch entschied sich für ersteres und | |
ließ die Sendung zu einer harmlosen Plauschrunde werden. Ungehindert ließ | |
er Oertel über die „ungeheuren Massen“ von Asylbewerbern in Dresden reden. | |
Das kritische Einhaken überließ er Jens Spahn, dem CDU-Bundespolitiker, der | |
der einzige war, der Oertel Kontra gab. Ähnlich sanft begegnete Jauch im | |
April dem schweizer Journalisten und Rechtspopulisten Roger Köppel, der | |
unter anderem syrische Kriegsflüchtlinge mit IS-Terroristen gleichsetzte. | |
Im Oktober ließ Jauch den AFD-Politiker Bernd Höcke seine Deutschlandflagge | |
ausrollen – und wieder musste ein Gast dafür Sorgen, dass Höcke auch | |
Gegenwind spürte: Anja Reschke, Chefin der Innenpolitik beim NDR. | |
## 5. Die Quotenlüge | |
Wenn es noch immer ein Argument der NDR-Verantwortlichen und der | |
Jauch-Befürworter in der ARD für den Verbleib des Potsdamers auf dem Posten | |
des Sonntagstalkers gab, dann das: Schaut auf die Quoten, schaut auf die | |
Zuschauerzahlen! Ja, die sind hoch: Rund 4,5 Millionen Menschen schauen | |
sonntags ab 21.45 Uhr „Günther Jauch“. Das war 2011 so. Das war 2015 so. | |
Aber: Im selben Zeitraum stieg die durchschnittliche Zuschauerzahl eines | |
„Tatorts“ – also des Zugpferds, das direkt vor „Jauch“ läuft – von… | |
9,8 Millionen, also um knapp 16 Prozent. Man könnte, wenn man wollte, die | |
tollen „Jauch“-Zahlen also auch ganz anders interpretieren als. | |
28 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
Jürn Kruse | |
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